Exotische Funde: Im Teilchenbeschleuniger LHC haben Physiker zwei neue Teilchenarten entdeckt – und so den Teilchenzoo um weitere exotische Varianten erweitert. Es handelt sich zum einen um das erste Pentaquark, das eines der selten Strange-Quarks enthält. Den zweiten Fund bildet ein Paar aus einem doppelt geladenem Tetraquark und seinem neutralen Gegenpart. Beide Teilchenarten können dazu beitragen, mehr Licht in die Frage der Kopplung solcher Elementarteilchen zu bringen.
Quarks sind fundamentale Bausteine der Materie, die man lange nur als Zweier- oder Dreierpaare kannte: Protonen und Neutronen im Atomkern bestehen aus jeweils drei Quarks, in kurzlebigen Mesonen bilden jeweils ein Quark und ein Antiquark ein Paar. Doch in den letzten Jahren haben Physiker in Teilchenbeschleunigern auch neuartige Teilchen aus mehr als drei Quarks entdeckt, darunter verschiedene Tetraquarks, Pentaquarks und sogar ein Hexaquark.
Teilchenzoo 2.0
„Je mehr Analysen wir durchführen, desto mehr Arten exotischer Hadronen finden wir“, sagt Niels Tuning von der LHCb-Kollaboration am Forschungszentrum CERN bei Genf. „Wir werden Zeugen einer Periode der Entdeckungen ähnlich wie in den 1950ern, als man auf den Teilchenzoo von Hadronen stieß, die heute die Basis für unseres Standardmodells der Teilchenphysik bilden. Jetzt erschaffen wir gerade den Teilchenzoo 2.0.“
Die neuen Teilchen werfen ein neues Licht darauf, was im Reich der Quarks an Kombinationen möglich ist und welche Prozesse dabei eine Rolle spielen. So wurde 2002 erstmals ein Tetraquark aus vier gleichen Quarks nachgewiesen, 2021 folgte das erste Tetraquark mit doppeltem Charm(e) aus zwei schweren Charm-Quarks und zwei leichteren Antiquarks.
Erstes Pentaquark mit Strange-Quark
Jetzt berichten Physiker über weitere exotische Teilchenfunde. Nachgewiesen wurden sie bei energiereichen Protonenkollisionen im Large Hadron Collider (LHC) am CERN, dem stärksten Teilchenbeschleuniger weltweit. Bei Analysen der im LHCb-Detektor aufgezeichneten Teilchenspuren stießen die Forschenden der LHCb-Kollaboration auf die Signatur von drei neuen Teilchen.
Der erste Fund ist ein Pentaquark. Das Teilchen aus fünf Quarks hat eine Masse von 4.338 Megaelektronenvolt und enthält unter anderem zwei schwere Charm-Quarks. Gleichzeitig ist es das erste Pentaquark mit einem Strange-Quark – beides sind Quarksorten, die in den Bausteinen des Atomkerns nicht vorkommen. Der Nachweis dieses exotischen Teilchens erreichte eine Signifikanz von 15 Sigma und übertrifft damit die offizielle Fünf-Sigma-Schwelle für eine Entdeckung bei weitem.
Fünferbund oder Gebilde aus zwei Untereinheiten?
Nach Angaben der Physiker könnte die Masse dieses Pentaquarks weitere Hinweise darauf liefern, auf welche Weise die fünf Quarks in solchen Teilchen miteinander verbunden sind. Denn bisher ist unklar, ob in solchen Multi-Quarkteilchen alle Quarks gleichstark gekoppelt sind oder ob es sich eher um lose Konglomerate von Quarktrios und Paaren handelt. Bereits 2019 hatte eine subtile Doppelspitze in den Teilchenkurven des LHC erste Anhaltspunkte für eine solche Struktur aus zwei Untereinheiten geliefert.
Auch beim neuentdeckten Pentaquark spricht einiges dafür: „Die Masse des Pentaquarks liegt an der Schwelle für die Baryon-Meson-Produktion“, erklären die Physiker LHCb-Kollaboration. „Das könnte eine Interpretation als nur lose gebundene Kombination aus einem Baryon aus drei Quarks und einem Meson aus einem Quark-Antiquark-Paar nahelegen.“
Das erste Tetraquark-Paar
Der zweite Teilchenfund umfasst ein doppelt geladenes Tetraquark und seinen neutralen Tetraquark-Partner. Es ist der erste Nachweis eines paarweise auftretenden Teilchens dieser Art, wie die Physiker berichten. Beide Tetraquarks haben eine Masse von rund 2,9 Gigaelektronenvolt und bestehen aus jeweils einem Charm-Quark und einem Strange-Antiquark. Dazu hat einer der Partner ein Up-Quark und ein Down-Antiquark, beim zweiten ist es ein Down-Quark und ein Up-Antiquark.
Die Teilchen sind laut den Forschern wahrscheinlich Isospin-Partner – sie stellen zwei Zustände eines quantenmechanischen Systems dar. Offen ist allerdings, ob es noch weitere Partner dieses Typs gibt und wie die vier Quarks in diesen Teilchen gekoppelt sind. Der Nachweis dieses Tetraquark-Paares erfolgte mit einer Signifikanz von 6,5 und 8 – auch dies liegt weit über der Schwelle einer offiziellen Entdeckung.
„Wenn wir neue exotische Teilchen finden und ihre Eigenschaften messen, hilft dies Theoretikern dabei, ein einheitliches Modell dieser exotischen Hadronen zu entwickeln“, erklärt LHCb-Sprecher Chris Parkes von der University of Manchester. „Außerdem hilft es uns auch dabei, konventionelle Teilchen wie Protonen und Neutronen besser zu verstehen.“ (International Conference on High Energy Physics, ICHEP 2022)
Quelle: CERN, University of Manchester