Physiker haben erstmals experimentell bestätigt, dass es eine dritte Form des Magnetismus gibt – den Altermagnetismus. Diese Materialien sind äußerlich nichtmagnetisch und ähneln auch in der abwechselnden Ausrichtung ihrer Atomspins den Antiferromagneten. Doch im Inneren der Altermagneten wirken starke magnetische Kräfte auf die Elektronen und verändern ihren energetischen Zustand. Diesen Effekt und seine Hintergründe haben nun Forschende im Material Magantellurid nachgewiesen, wie sie in „Nature“ berichten.
Vom Küchenmagneten bis zum Geodynamo unserer Erde: Die meisten Magnete funktionieren nach dem gleichen Prinzip. Weil die Spins ihrer Atome alle in die gleiche Richtung zeigen, erzeugen solche Ferromagnete ein magnetisches Feld. Anders ist dies bei den in der Natur weit häufiger vorkommenden Antiferromagnen. In ihnen wechseln sich die Richtungen der atomaren Magnetfelder ab. Weil ihre magnetischen Momente sich dadurch ausgleichen, haben Antiferromagnete kein äußeres Magnetfeld. So weit, so bekannt.
Gibt es eine dritte Variante?
Doch im Jahr 2019 postulierten Physiker neben den beiden bekannten Grundformen des Magnetismus die Existenz von Materialien, die eine unkonventionelle Form des Magnetismus aufweisen. 2021 charakterisierten sie diese dritte Art des Magnetismus als Altermagnetismus – was in etwa so viel heißt wie „verändernder Magnetismus“. „Altermagnete verbinden quasi die Eigenschaften von Ferromagneten und Antiferromagneten“, erläutert Hans-Joachim Elmers von der Universität Mainz.
Wie bei Antiferromagneten sind die magnetischen Momente der Atome in solchen Altermagneten nicht gleichgerichtet, sondern stehen immer antiparallel zueinander. Diese Materialien sind daher von außen gemessen nichtmagnetisch. „Mit Ferromagneten haben sie gemeinsam, dass es einen spinpolarisierten Strom gibt“, so Elmers. Denn engt man das „Sichtfeld“ ein und betrachtet nur Elektronen, die sich in eine bestimmte Richtung bewegen, haben diese einen einheitlichen Spin und unterliegen starken magnetischen Kräften. Zudem sind potenzielle Altermagneten durch eine bestimmte Kristallstruktur gekennzeichnet.
Mangantellurid als Testfall
Das Problem jedoch: Den Altermagnetismus experimentell eindeutig nachzuweisen, hat sich bisher als schwierig erwiesen. Doch dies ist nun einem Team um Juraj Krempasky vom Paul-Scherrer-Institut in Villigen gelungen. Dafür untersuchten sie die kristalline Verbindung Mangantellurid (MnTe), die bisher als klassischer Antiferromagnet galt. Allerdings besitzt dieses Material eine Kristallstruktur, wie sie der Theorie zufolge für Altermagneten typisch ist.
Um mehr Klarheit zu schaffen, analysierten die Physiker das Mangantellurid mithilfe der Röntgen-Photoemissions-Spektroskopie. Theoretischen Vorhersagen zufolge müsste sich ein Altermagnet dabei durch eine Aufspaltung seiner Elektronen in Energiebänder mit unterschiedlichem Spin verraten. Denn ein solches „Spinsplitting“ kommt nur bei Ferromagneten und Altermagneten vor, nicht aber bei Antiferromagneten.
Spin-Aufspaltung belegt Altermagnetismus
Die Analysen enthüllten: Mangantellurid verhält sich tatsächlich anders als ein gewöhnlicher Antiferromagnet – es zeigte im Experiment ein deutliches Spinsplitting, wie das Team feststellte. Das Ausmaß und die Form dieses Effekts stimmten mit der durch quantenmechanische Berechnungen vorhergesagten altermagnetischen Aufspaltung überein. „Dies ist ein direkter Beweis dafür, dass MnTe weder ein herkömmlicher Antiferromagnet noch ein herkömmlicher Ferromagnet ist, sondern zu einem neuen, altermagnetischen Zweig der magnetischen Materialien gehört“, sagt Co-Erstautor Libor Šmejkal von der Universität Mainz.
Die Messungen belegen zudem, dass der Altermagnetismus eng an die Kristallsymmetrien und Atomformen im Material gekoppelt ist. „Diese Basis in der Kristallsymmetrie macht den Altermagnetismus zu einer der grundlegenden Phasen der Materie – die bemerkenswerterweise fast ein Jahrhundert lang in der Bandtheorie der Festkörper fehlte“, konstatieren die Physiker.
Interessant auch für neue Anwendungen
Der Nachweis des Altermagnetismus ist ein wichtiger Durchbruch für die Festkörperphysik, könnte aber auch der Materialforschung und Elektronik zugute kommen. Denn schon jetzt haben Wissenschaftler mehr als 200 Kandidaten für Altermagnetismus identifiziert – und diese Materialien zeigen Eigenschaften von Isolatoren, Halbleitern, Metallen und sogar Supraleitern. Dies eröffnet ganz neue Möglichkeiten für Anwendungen.
„Altermagneten können eine ganze Reihe neuer Phänomene hervorrufen, die es weder bei konventionellen Ferromagneten noch bei Antiferromagneten gibt“, erklären Krempasky v und seine Kollegen. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-023-06907-7)
Quelle: Johannes-Gutenberg-Universität Mainz