„Tickende“ Ionen: Eine neue Messmethode könnte optische Atomuhren noch präziser machen und damit die Neudefinition der Zeiteinheit Sekunde voranbringen. Im Zentrum steht dabei ein einzelnes Strontium-Ion, dessen Quantensprung als Thermometer für die thermische Störstrahlung in der Atomuhr dient. Den Physikern gelang es so, das „Ticken“ dieser Atomuhr mit dreifach höherer Präzision zu messen als bisher. Das ebnet den Weg zu optischen Frequenzübergängen als künftiger Basis für die Sekunde.
Seit 1967 bilden Cäsium-Atomuhren die Basis für unsere Zeitmessung. Eine Sekunde ist seitdem offiziell als die Frequenz definiert, bei der ein mittels Mikrowellen angeregtes, ultrakaltes Cäsiumatom in den angeregten Zustand übergeht. Damit gibt eine physikalische Naturkonstante den Takt unserer Zeit vor.
Inzwischen gibt es jedoch optische Atomuhren, die deutlich genauer gehen als die Cäsium-Uhren. Sie nutzen statt der Mikrowellen das sichtbare Licht, um den Quantensprung der Atome auszulösen und zu messen. Die kurzwelligeren Schwingungen des Lichts erhöhen die zeitliche Auflösung der Messung und machen diese Strontium– und Ytterbium-Atomuhren so präzise, dass sie die von Einstein vorhergesagte Zeitdehnung durch Schwerkraft sogar in kleinsten Maßstäben messen können.
Das Problem der thermischen Störstrahlung
Theoretisch wäre damit die Zeit reif, um künftig diese optischen Atomuhren als Basis für die Zeitmessung und die Definition der Sekunde zu nutzen. Doch es gibt einen Haken: In den ultrakalten Atom- und Ionenwolken dieser Uhren können schon geringste Mengen an Wärmestrahlung die Frequenz des Quantensprungs verschieben – und die Uhr damit ungenau machen. Gerade bei den besonders präzisen Atomuhren mit Ionen ist jedoch die Ionenfalle, die die ultrakalten Strontium- oder Ytterbium-Ionen an ihrem Platz hält, eine Quelle solcher Wärmestrahlung.
Sofern man diese thermischen Störfaktoren genau misst, lassen sich ihre Effekte herausrechnen. Bei Ionen-Atomuhren ist dies aber schwierig. „Für solche gefangenen Ionen ist die Bestimmung wegen der inhomogenen Verteilung der Wärme und der großen Unsicherheiten bei der Wärmeemission der Fallenkomponenten eine echte Herausforderung“, erklären Martin Steinel von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) in Braunschweig und seine Kollegen.
Ein Ion als Anzeiger
Doch jetzt haben Steinel und sein Team eine Methode entwickelt, mit der sie die thermische Reststrahlung in solchen optischen Atomuhren einfacher und genauer messen können als bisher. Der Clou dabei: Sie nutzen einfach das in der Ionenfalle gefangene Ion selbst als Thermometer. Dafür lösten die Physiker zunächst mehrfach den Energieübergang des gefangenen Strontium-Ions (88Sr+) vom Grundzustand in den angeregten Zustand aus, indem sie das ultrakalte Ion mit Laserpulsen von 674 Nanometer Wellenlänge bestrahlten.
Bei jedem Übergang ermittelten die Forscher mittels Spektroskopie die Frequenz, bei dem dieser Quantensprung des Strontium-Ions stattfand. Diese Werte verglichen sie dann mit dem „Ticken“ einer auf Ytterbium-Ionen (171Yb+) basierenden zweiten optischen Atomuhr. Über diese Vergleiche gelang es ihnen, die thermische Störstrahlung zu bestimmen und damit auch die Präzision des Frequenzübergangs für ihre Strontium-Atomuhr zu erhöhen. „Der Frequenzübergang mit einer Unsicherheit von nur noch 2,3 x 10-17 gehört zu den präzisesten bisher gemessenen Naturkonstanten“, schreiben Steinel und seine Kollegen.
Dreifach präzisere Frequenzmessung
Dieses Ergebnis erhöht die Präzision der Strontium-Uhrenfrequenz um das Dreifache und ebnet gleichzeitig den Weg zu einer zukünftigen Neudefinition der Sekunde. Denn mit der nun einfacheren Ermittlung der thermischen Störfaktoren lässt sich künftig auch das „Ticken“ der optischen Atomuhren genauer und zuverlässiger messen. Dies schafft auch die Voraussetzung dafür, demnächst diese optisch angeregten Atom- und Ionen-Übergänge als Basis für die internationale Zeitmessung festzuschreiben. (Physical Review Letters, 2023; doi: 10.1103/PhysRevLett.131.083002)
Quelle: Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB)