Doppelter Strom aus Licht: Künftige Solarzellen könnten effizienter werden, wenn sie Halbleiter mit Excitonenspaltung nutzen – Materialien, in denen jedes einfallende Photon nicht ein, sondern gleich zwei Elektronen freisetzt. Wie diese Anregungsverdopplung abläuft, haben Physiker jetzt erstmals mithilfe einer neuen Methode eingefangen. Sie enthüllt, dass die beiden Elektronen nacheinander angeregt werden und nicht gleichzeitig. Diess Wissen erleichtert nun die Suche nach geeigneten Halbleitermaterialien, wie das Team in „Nature“ berichtet.
Die Gewinnung von elektrischem Strom mittels Photovoltaik beruht auf der lichtinduzierten Freisetzung von Elektronen in Halbleitern: Die einfallenden Photonen geben ihre Energie an die Atome des Materials ab und regen sie an. Dadurch überwindet der Halbleiter die energetische Bandlücke vom nichtleitenden zum leitenden Zustand und gibt für jedes absorbierte Photon ein Elektron ab.
Der Haken dabei: Die in Solarzellen verwendeten Halbleiter können nur einen Teil der Lichtwellenlängen in Strom umwandeln, der Rest geht als Wärme verloren. Beim Silizium liegt das Limit für den Wirkungsgrad daher bei rund 30 Prozent. Unter anderem deshalb werden in Tandem-Solarzellen Hableiter mit verschiedenen Absorptionsbereichen miteinander kombiniert.
Was steckt hinter der Anregungsverdopplung?
Es gäbe jedoch noch eine Möglichkeit, mehr Leistung aus einer Solarzelle herauszuholen: Bei einigen wenigen Halbleitermaterialien löst die Anregung durch Licht eine doppelte Elektronenfreisetzung aus – für jedes absorbierte Photon werden zwei Elektronen frei. Diese sogenannte Excitonenspaltung könnte daher die Stromausbeute erhöhen – sofern man ein Material findet, das sich für die Photovoltaik eignet und das diese Anregungsverdopplung zeigt. Das allerdings setzt voraus, dass der physikalische Mechanismus hinter der Excitonenspaltung bekannt ist.
Das aber ist nicht der Fall: „Bisher war umstritten, ob ein Photon zwei Elektronen direkt anregt oder zunächst ein Elektron, welches dann seine Energie mit einem anderen Elektron teilt“, erklärt Seniorautor Ralph Ernstorfer vom Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft. Denn die lichtinduzierte Reaktion läuft so schnell ab, dass sie mit gängigen Methoden nicht direkt verfolgt werden kann. Ernstorfer, Erstautor Alexander Neef und ihr Team haben nun eine neue Technik entwickelt, um dem Mechanismus der Excitonenspaltung auf die Spur zu kommen.
Orbital-genauer Blick ins angeregte Pentacen
Für ihr Experiment nutzten die Physiker den molekularen Halbleiter Pentacen, von dem bekannt ist, dass er die gewünschte Anregungsverdopplung zeigt, auch wenn er sich nicht als PV-Material eignet. Sie bestrahlten das Material mit präzise synchronisierten Laserpulsen, um den Halbleiter anzuregen und gleichzeitig die Anregungszustände der Atome in seinem Kristallgitter spektroskopisch zu erfassen. Anders als gängige Verfahren erlaubt es diese „time- and angle-resolved Photoemission Spectroscopy“ (trAPPES), genauer einzugrenzen, welche Elektronen wo durch die Laserphotonen angeregt werden.
„Diese Elektronen zu sehen, war entscheidend, um den Prozess zu entschlüsseln“, erklärt Neef. „Ein angeregtes Elektron hat nicht nur eine bestimmte Energie, sondern bewegt sich auch in bestimmten Bahnen, die Orbitale genannt werden. Es ist viel einfacher, die Elektronen zu unterscheiden, wenn wir ihre Orbitalformen sehen können und wie sich diese mit der Zeit verändern.“ Dadurch lässt sich unterscheiden, ob das eintreffende Photon ein oder zwei Elektronen gleichzeitig anregt.
Erst eins, dann zwei
Die Messungen enthüllten, dass sich die für die doppelte Elektronenfreisetzung entscheidende Anregung, das sogenannte Bitriplett, erst rund 100 Femtosekunden nach einem ersten starken Anregungssignal entwickelt. Dies deutet darauf hin, dass das eintreffende Photon nicht zwei Elektronenn gleichzeitig anregt, sondern zunächst nur eines. „Wir können daher einen kohärenten Mechanismus für die Excitonenspaltung in Pentacen sicher ausschließen“, schreiben Neef und sein Team.
Damit klären diese Ergebnisse eine jahrzehntealte Debatte über den Mechanismus des Prozesses. „Wir können nun mit Sicherheit sagen, dass nur ein Elektron direkt angeregt wird, und haben den Mechanismus des Anregungs-Verdoppelungsprozesses identifiziert“, sagt Neef. Dies ist ein erster wichtiger Schritt, um die Anregungsverdopplung für die Photovoltaik nutzbar zu machen und entsprechend geeignete Materialien zu finden.
Würde man eine Silizium-Solarzelle mit einem solchen anregungsverdoppelnden Material ergänzen, könnte dies ihren Wirkungsgrad bei der Umwandlung von Sonnenenergie in Elektrizität um ein Drittel erhöhen, wie das Team erklärt. (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-05814-1)
Quelle: Fritz-Haber-Institut der Max-Planck-Gesellschaft