Raumzeit-Tunnel im Test: Physiker haben erstmals die quantenphysikalische Version eines Wurmlochs in einem Quantencomputer erzeugt – und Quantenbits durch eine solche Singularität getunnelt. Dies ermöglicht es, fundamentale Zusammenhänge von gravitativen Wurmlöchern mit der Quantenphysik zu überprüfen – darunter auch die Theorie, nach der eine solche Einstein-Rosen-Brücke einer quantenphysikalischen Verschränkung entspricht. Dies könnte helfen, fundamentale Fragen der Physik zu klären, so das Team in „Nature“.
Wurmlöcher gelten als Brücken durch Raum und Zeit – zumindest theoretisch. Schon 1935 postulierten die Physiker Albert Einstein und Nathan Rosen, dass eine Singularität in Form eines Schwarzen Lochs tunnelartige Verbindungen zwischen verschiedenen Regionen der Raumzeit erzeugen könnte. Ob eine solche Einstein-Rosen-Brücke jedoch trotz der extremen Gravitationszustände passierbar wäre, ist strittig.
In den letzten Jahren hat das Konzept des Wurmlochs jedoch eine quantenphysikalische Erweiterung erfahren, die die Raumzeit-Tunnel in ein neues Licht rückt. Nach dieser entspricht die Einstein-Rosen-Brücke (ER) einer quantenphysikalischen Verschränkung (EPR) zwischen Teilchen oder Information an beiden Enden des Tunnels. Damit könnte ein Wurmloch unter bestimmten Bedingungen sogar passierbar sein – das Konzept verknüpft erstmals die Einstein’sche Gravitation mit der Quantenphysik und dem Konzept der Quantenteleportation.
Raumzeit-Brücke im holografischen Modell
Jetzt haben Forschende um Daniel Jafferis von der Harvard University diese zuvor nur theoretisch postulierte Entsprechung eines Wurmlochs mit der Teleportation erstmals im Experiment untersucht. „Wir haben ein Quantensystem gefunden, das die Schlüsselmerkmale eines gravitativen Wurmlochs zeigt, aber trotzdem klein genug ist, um in heute existierender Quanten-Hardware umgesetzt zu werden“, erklärt Seniorautorin Maria Spiropulu von der Harvard University.
Ausgangspunkt dafür war ein 2017 von Jafferis und zwei Kollegen entwickeltes Quantensystem, das die gravitativen Merkmale eines typischen Wurmlochs in ein holografisches, in seinen Dimensionen reduziertes Quantenmodell „übersetzt“. Werden zwei dieser sogenannten SYK-Systeme quantenphysikalisch miteinander verschränkt, entsprechen sie einer passierbaren Einstein-Rosen-Brücke, wie Jafferis 2019 theoretisch belegen konnte.
Qubit-Transport durchs Wurmloch
Für das aktuelle Experiment nutzten die Physiker ein Wurmloch-Modell, das mithilfe von maschinellem Lernen so stark vereinfacht wurde, dass es im Sycamore-Quantencomputer von Google laufen kann. Die beiden verschränkten SYK-Systeme wurden auf einem Schaltkreis aus neun Quantenbits durch 164 Zwei-Qubit-Gatter realisiert. „Trotz seiner approximativen Natur umfasst dieses vereinfachte SYK-Modell die physikalischen Schlüsselmerkmale eines passierbaren Wurmlochs“, berichten die Forschenden.
Konkret zeigte sich: Wenn die Physiker ein Qubit durch ein Ende des quantenphysikalischen Wurmlochs sendeten, kam es am anderen Ende intakt wieder heraus. „Wir haben auch die Reihenfolge inspiziert, in der einfallende Partikel wieder aus dem Wurmloch herauskamen“, berichtet das Team. Wenn ER=EPR gilt und das SYK-Modell die gravitativen Mechanismen einer Einstein-Rosen-Brücke korrekt wiedergibt, müssten die Qubits hinter dem Wurmloch in derselben Reihenfolge wieder auftauchen – genau das passierte auch.
Ein erster kleiner Schritt
Nach Ansicht der Forschenden ist dieses Experiment damit ein wichtiger Schritt hin zu quantenphysikalischen Tests für einige der grundlegenden Fragen der modernen Physik. Darunter ist vor allem die noch immer nicht geklärte Frage, wie sich die von Einstein geprägte Vorstellung der Gravitation als Raumzeitkrümmung mit der Quanten- und Teilchenphysik vereinbaren lässt. „Der Zusammenhang zwischen der Quantenverschränkung, der Raumzeit und der Quantengravitation ist eine der wichtigsten Fragen der Grundlagenphysik“, sagt Spiropulu.
„Wir sind begeistert, mit diesem Experiment einen ersten kleinen Schritt zur Überprüfung dieser Ideen mithilfe von Quanten-Hardware machen zu können“, so die Physikerin weiter. „Sie ist der Einstieg zu umfassenderen Experimenten, durch die wir das Konzept der Quantengravitation mithilfe von Quantencomputern überprüfen wollen“, erklärt Spiropulu. Das Team arbeitet bereits an Möglichkeiten, auch weniger stark vereinfachte Wurmloch-Analoga durch komplexere Quantencomputer-Schaltkreise abzubilden. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-022-05424-3)
Quelle: Nature, California Institute of Technology