Robuster Transport: Physiker haben erstmals sichtbar gemacht, wie sich Elektronen durch die Kristallebenen des Perowskits bewegen – und Überraschendes entdeckt. Demnach ist der Ladungstransport in diesem Elektronikmaterial erstaunlich immun gegenüber lokalen Korngrenzen und anderen Unregelmäßigkeiten. Dafür zeigen sich im größeren Maßstab vielversprechende Hotspots besonders effizienter Elektronenbewegungen. Dies könnte dabei helfen, Perowskit-Solarzellen, aber auch andere Elektronikmaterialien zu optimieren, so das Team in „Nature Photonics“.
Ob als LED, Laser oder Solarzellen: Metall-Halogenid-Perowskite gelten als besonders vielversprechendes Material für optoelektronische Anwendungen. Ihre Kristallstruktur erzeugt je nach Zusammensetzung eine Elektronenstruktur mit gut einstellbare Bandlücke, wodurch die Perowskite zu maßgeschneiderten Halbleitern werden. Schon jetzt erreichen Solarzellen mit Perowskit höhere Wirkungsgrade als gängige Silizium-Anlagen. Ein Vorteil auch: Perowskite sind billiger und einfacher herstellbar als Silizium-Bauteile und können auch als Dünnschichtmodule verarbeitet werden.
Das Rätsel des Ladungstransports
Doch warum die Perowskite optoelektronisch so effizient sind, war bisher erst in Teilen bekannt. „Die rekordträchtige Effizienz von Solarzellen aus Metall-Halid-Perowskiten wurde auf eine besonders effektive Ladungsträger-Diffusion zurückgeführt“, erklären Martin Zizlsperger von der Universität Regensburg und seine Kollegen. „Aber die genaue Natur des Out-of-Plane-Ladungstransports ist nach wie vor notorisch schwer zu erklären.“ Als „Out of Plane“ bezeichnen Physiker Bewegungen, die über eine Molekülschicht oder Gitterebene im Kristall hinausgehen.
Im Falle von Perowskit-Solarzellen sind dies Elektronen oder positiv geladene Gitter-Leerstellen, die durch das Sonnenlicht angeregt und auf eine energetisch höhere Ebene angehoben wurden. Dadurch werden sie nun freibeweglich und können abgeleitet werden – es entsteht Strom. Je effizienter dieser Ladungstransport verläuft, desto höher die Effizienz der Solarzelle. Beim Perowskit ließ sich dieser Ladungstransport aber bisher nicht genau abbilden und erforschen.
Der Grund: Die Perowskit-Kristallstruktur ist nicht homogen. Zum einen kann Perowskit bei Raumtemperatur zwei verschiedene Kristallphasen bilden, zum anderen sorgen Korngrenzen für Störeffekte.
Mit Rasterkraftspitze und Terahertz-Nahfeld
Jetzt ist es Zizlsperger und seinem Team gelungen, eine Methode zu finden, die dennoch einen ersten genaueren Blick auf die Vorgänge im Perowskitkristall erlaubt. „Unsere neu entwickelte Methode erlaubt uns erstmals, das komplexe Zusammenspiel zwischen Ladungstransport, Kristallkonfiguration und der Form der Kristallite direkt auf der Nanoskala zu beobachten“, erklärt Seniorautor Rupert Huber, von der Universität Regensburg. „Damit kann sie genutzt werden, um Perowskit-Solarzellen gezielt weiter zu verbessern.“
Für ihre Messung kombinierten die Physiker zunächst ein Rasterkraftmikroskop mit Terahertz-Strahlung und Nahfeldmikroskopie, um die Kristallstruktur der Probe sichtbar zu machen. An der Spitze des Mikroskops regen dabei Terahertzpulse das Material an. „Wir bringen die Atome in den Nanokristalliten zum Schwingen“, erklärt Zizlsperger. „Dies hinterlässt, abhängig von der Anordnung der Atome, eindeutig zuordnenbare Signaturen im gestreuten Licht – so etwas wie einen Fingerabdruck.“ Diese Analyse zeigte, wo das Perowskit-Gitter eine kubische und wo es eine trigonale Kristallphase aufwies. Auch die rund 100 Nanometer großen Körner und ihre Grenzen wurden sichtbar, wie das Team berichtet.
Laserpulse als Tempomesser
Dann folgte der zweite Schritt: „Wir erweitern die Nanospektroskopie auf ultrakurze Zeitskalen, um zu untersuchen, wie die lokale Kristallkonfiguration die Dynamik der Elektronen und Löcher beeinflusst“, berichten die Forschenden. Dafür beschossen sie die Perowskit-Probe mit zwei schnell aufeinanderfolgende Terahertz-Laserpulsen. Der erste diente der Anregung, der zweite als Messpuls.
„Sehr vereinfacht gesprochen wirken die Ladungen wie ein Spiegel“, erklärt Koautorin Svenja Nerreter von der Universität Regensburg. „Wenn sich die Ladungen nun beispielsweise von unserem Messpunkt nach unten wegbewegen, wird der zweite Laserimpuls später reflektiert. Aus diesem winzigen Zeitversatz von nur wenigen Femtosekunden können wir die genaue Bewegung der Ladungen rekonstruieren“, beschreibt die Forscherin das Prinzip. Tatsächlich machte diese Methode sichtbar, wie sich die angeregten Elektronen durch das Labyrinth der verschiedenen Kristallite bewegen.
Überraschend immun
Dabei zeigte sich Überraschendes: Obwohl das Perowskit aus inhomogenen Nanostrukturen besteht, scheinen diese den vertikalen Ladungstransport im lokalen Bereich von einigen hundert Nanometern kaum zu bremsen: „Die Ladungsausbreitung ist überraschend immun gegenüber Veränderungen der Nanomorphologie und chemischen Zusammensetzung“, berichtet das Team. „In den untersuchten Regionen messen wir überall lokal gleichförmige Diffusions-Koeffizienten, ungeachtet topografischer Unregelmäßigkeiten wie unterschiedlich großen Körnern, Korngrenzen oder Oberflächenkontaminationen.“
Dies könnte möglicherweise erklären, warum Perowskit-Solarzellen so effizient arbeiten. Gleichzeitig deckten die Analysen aber auch Optionen für eine weitere Verbesserung auf. Denn sie zeigten, dass es im Mikrometerbereich durchaus Unterschiede im Ladungstransport gibt. In einigen dieser mehrere hundert Nanokristalle umfassenden „Hot Spots“ bewegten sich die Elektronen und Löcher leichter und weiter. Das bedeutet: Um Perowskit-Bauteile noch besser zu machen, könnte man gezielt versuchen, die Dichte dieser Hotspots im Material zu erhöhen.
Auch für andere Elektronik-Materialien nützlich
„Diese Fragen zu klären, könnte das volle Potenzial von Perowskit-Materialien für die nächste Generation der Solarzellen erschließen“, konstatieren die Physiker. Ihre neue Messmethode könnte aber auch dabei helfen, andere nanokristalline Materialien in optoeletronischen Anwendungen zu optimieren – von Transistoren bis zu Hochtemperatur-Supraleitern. (Nature Photonics, 2024; doi: 10.1038/s41566-024-01476-1)
Quelle: Universität Regensburg