Physik

3D-Blick in ein Skyrmion

Mikro-Röntgendurchleuchtung enthüllt dreidimensionale Spinstruktur der magnetischen Mikrowirbel

Skyrmion
3D-Karte eines Skyrmions – eines magnetischen Mikro-Wirbels aus Spins in einem Festkörper. © Raftrey et al./ Science Advances, CC-by-nc 4.0

Neue Einblicke: Physiker haben die genaue 3D-Struktur von Skyrmionen kartiert – winzigen Magnetwirbeln in Feststoffen, die als vielversprechende Basis für eine künftige „Spintronik“ gelten. Ihre Mikro-Röntgendurchleuchtung enthüllte erstmals, wie die einzelnen atomaren Spins in den Skyrmionen ausgerichtet sind und wie sie sich mit Höhe und Breite der Magnetwirbel verändern. Dies ebnet den Weg zur Produktion maßgeschneiderter Skyrmionen – beispielsweise für Quantenspeicher und Quantencomputer der Zukunft.

Ob Skyrmionen, Hopfionen oder andere Quantengebilde: In einigen Materialien lassen sich exotische Spinstrukturen erzeugen – magnetische Mikrostrukturen, die durch eine spezielle Ausrichtung der atomaren Spins entstehen. Solche topologischen Magnetstrukturen können sehr stabil sein und sich wie Quasiteilchen verhalten. Vor allem die Skyrmionen – Mini-Tornados aus gegeneinander verdrehten Spins – gelten als vielversprechende Kandidaten für Datenspeicher, Quantencomputer und andere Quanten-Anwendungen.

3D-Struktur bisher kaum bekannt

Zwar ist die zweidimensionale Struktur von Skyrmionen schon recht gut untersucht: „Magnetische Skyrmionen sind Teilchen-ähnliche topologische Solitons, deren Magnetisierung im Zentrum in entgegengesetzter Richtung zeigt wie im Außenbereich“, erklären David Raftrey vom Lawrence Berkeley National Laboratory und seine Kollegen. Doch wie sich die Spins mit der Höhe und damit der dritten Dimension eines Skyrmions verändern, ist bisher erst in Teilen bekannt.

Genau dieses Wissen ist jedoch nötig, um Skyrmionen praktisch nutzbar zu machen: In der Welt der Elektronik und Silizium-Wafer müssen Skyrmionen als 3D-Objekte behandelt werden, wie die Physiker erklären. Man muss präzise nachvollziehen können, wie sich die Energie und Richtung der Spins innerhalb eines dieser Mini-Tornados verändert – nur so lassen sie sich für die gewünschten Zwecke maßschneidern.

Experiment-Aufbau
Die 3D-Kartierung der Skyrmionen gelang mithilfe eines mehrschichtigen Materials, das in einer speziellen Röntgenapparatur durchleuchtet wurde. © Raftrey et al./ Science Advances, CC-by-nc 4.0

Mehrschichtiges Testscheibchen im Röntgenlicht

Um dies aufzuklären, haben Raftrey und sein Team nun eine neue Form der Röntgenanalyse genutzt, die sogenannte magnetische Röntgen-Laminografie. Für ihre Durchleuchtung nutzten sie ein nur 95 Nanometer dünnes Scheibchen aus mehreren Schichten von Iridium, Cobalt und Platin als Testobjekt. „Diese magnetischen Mehrschicht-Materialien sind dafür bekannt, sensible Reaktionen der Spin-Textur auf Veränderungen der Anordnung und Dicke der Schichten zu zeigen“, erklären die Physiker. „Dadurch lassen sich darin topologische Strukturen wie Skyrmionen und Hopfionen erzeugen.“

Die in diesem Material erzeugten Skyrmionen setzte das Team anschließend dem Mikro-Röntgenstrahl der Swiss Light Source am Paul-Scherrer-Institut in die Schweiz aus. Dabei wird das Scheibchen mitsamt seiner Skyrmion-Strukturen in verschiedenen Winkeln von weichen Röntgenstrahlen durchleuchtet. Ähnlich wie bei einer Computertomografie ergibt sich dann aus dem Verrechnen der einzelnen Aufnahmen ein Gesamtbild der dreidimensionalen Struktur – in diesem Fall der mikroskopischen 3D-Magnetstruktur der Probe.

„Aus diesen unzähligen Bildern und Daten kann man dann die Struktur des Skyrmions rekonstruieren“, erklärt Raftrey. Das endgültige Bild entstand durch die Analyse von 56 Aufnahmen und mehrere rechnergestützte Auswertungsschritte.

Dreidimensionaler Blick auf sich verändernde Spins

Das Ergebnis sind 3D-Grafiken, die die Richtung der Spins und die magnetische Energie in den verschiedenen Bereichen eines Skyrmions zeigen. Sie zeigen unter anderem, wie sich die Spins benachbarter Atome im Zentrum und am Übergang zum Rand des magnetischen Wirbels verhalten und erlauben Rückschlüsse darauf, welche physikalischen Wechselwirkungen jeweils überwiegen.

Anhand der Daten konnten die Physiker zudem ermitteln, wie sich die Form und 3D-Struktur des Skyrmions mit seinem Radius und seiner Dicke verändert. „Ein größeres Skyrmion mit einer breiteren Domänenwand hat mehr Spins, die der antisymmetrischen Interaktion folgen“, erklären Raftrey und sein Team. „Bei einem Skyrmion mit einer dünnen Domänenwand sind die Spins stärker senkrecht, sie folgen der Anisotropie außerhalb der Ebene.“

Neue Möglichkeiten für die Spintronik

Nach Ansicht der Physiker ermöglicht ihre 3D-Durchleuchtung von Skyrmionen nun die genauere Erforschung dieser magnetischen Nanostrukturen und ebnet damit auch den Weg zu ihrem künftigen Einsatz als Nanospeicher oder Quantenbits. „Unsere Ergebnisse bilden die Grundlage für die nanoskalige Messtechnik von spintronischen Geräten“, erklärt Seniorautor Peter Fischer vom Berkeley Lab.

Dies eröffne neue Möglichkeiten, solche topologischen Spinstrukturen maßgeschneidert an die gewünschte Funktion anzupassen. (Science Advances, 2024; doi: 10.1126/sciadv.adp8615)

Quelle: Science Advances, Lawrence Berkeley National Laboratory (Berkeley Lab)

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