Physik

Erster Nachweis verschränkter Quarks

Physiker weisen Quantenphänomen erstmals bei diesen Elementarteilchen nach

verschränkte Quarks
Physiker haben zum ersten Mal nachgewiesen, dass auch Top-Quarks – die schwersten aller Elementarteilchen – miteinander verschränkt sein können. © CERN

Gekoppelte Schwergewichte: Physiker haben erstmals die Verschränkung von zwei Top-Quarks nachgewiesen – den schwersten bekannten Elementarteilchen. Die im Teilchenbeschleuniger LHC beobachtete Kopplung der Top-Quarks ist der erste Beleg dafür, dass Quarks sich überhaupt verschränken können. Gleichzeitig ist dies die Verschränkung mit der höchsten je bei diesem quantenphysikalischen Phänomen nachgewiesenen Energie, wie das Team in „Nature“ berichtet.

Bei der quantenphysikalischen Verschränkung sind zwei Teilchen so miteinander gekoppelt, dass ein Zustandswechsel eines Partners auch den Zustand des anderen verändert. Dies geschieht instantan und unabhängig von der Entfernung – Einstein bezeichnete die Verschränkung daher auch als „spukhafte Fernwirkung“. Physiker haben bereits verschiedenste Teilchen auf diese Weise miteinander gekoppelt – von Photonen über Atome bis hin zu ganzen Molekülen. Dies bildet die Grundlage für Quantencomputer, Quantenkryptografie oder die Übertragung von Quantendaten.

Quarks
Können auch Quarks miteinander verschränkt sein? Bisher war dies für diese Elementarteilchen unbekannt.© gemeinfrei

Das Problem der Quark-Isolierung

Doch eine Frage blieb offen: Lassen sich auch die kleinsten Bausteine der Materie, die Quarks, miteinander verschränken? Existiert dieses Phänomen womöglich sogar von Natur aus – beispielsweise im Atomkern? In ihm bilden jeweils drei dieser Elementarteilchen die Protonen und Neutronen, sie werden dabei von den Trägerteilchen der starken Kernkraft zusammengehalten. Das Problem jedoch: Quarks kommen unter normalen Bedingungen nie einzeln vor. Sobald sie entstehen, verbinden sie sich zu Zweier- oder Dreierkombinationen.

Unter normalen Umständen ist es deshalb schlicht unmöglich, Paare aus einzelnen Quarks zu erzeugen und auf ihre Verschränkung hin zu untersuchen. An diesem Punkt kommt der Large Hadron Collider (LHC) ins Spiel – der stärkste Teilchenbeschleuniger der Welt. Wenn in ihm Protonen mit 13 Teraelektronenvolt Energie kollidieren, entstehen kurzlebige Paare aus einen Top-Quark und seinem Antiteilchen, dem Anti-Top-Quark. Top-Quarks sind die schwersten aller Elementarteilchen.

Der Clou dabei: Die in den LHC-Kollisionen erzeugten Top-Quarks zerfallen, bevor sie fest gebundene Duos oder Trios bilden können. Dabei entstehen jedoch weitere Teilchen, darunter Elektronen und Myonen, die den Zustand der Top-Quarks verraten können.

Synchrone Spins verraten Verschränkung

Jetzt haben Physiker am LHC diese Zerfallsprodukte genutzt, um eine Verschränkung bei Top-Quarks nachzuweisen. Das entscheidende Merkmal war dabei der Spin der beim Zerfall entstehenden Elektronen und Myonen. „Die Verschränkung bei Top-Quarks bewirkt eine verstärkte Korrelation ihrer Spins“, erklären die Forschenden. Ist ein Top-Quark quantenphysikalisch mit einem nahen Anti-Top-Quark gekoppelt, gleichen sich dadurch ihre Spinzustände und deren Richtungen an.

ATLAS
Blick in den geöffneten ATLAS-Detektor am LHC. In ihm entstehen bei Protonen-Kollisionen auch Top-Quarks. © CERN/ Maximilien Brice

Weil sich diese Spin-Synchronisierung auf die Zerfallsprodukte überträgt, können sie verraten, ob die Top-Quarks ursprünglich miteinander verschränkt waren oder nicht. „Diese Leptonen tragen die Spin-Information ihrer Mutterteilchen zu 100 Prozent“, erklären die Physiker. Für ihre Studie haben sie Daten von zwei der großen Detektoren am LHC ausgewertet, dem ATLAS- und dem CMS-Experiment. Daei berücksichtigten sie Protonenkollisionen aus der gesamten zweiten Laufzeit des Beschleunigers von 2015 bis 2018.

Nachweis gelungen

Und tatsächlich: In beiden Detektoren lieferten die Zerfallsteilchen klare Indizien für eine Verschränkung der Top-Quarks mit ihren Antiteilchen. Diese Kopplung war immer dann zu beobachten, wenn die beiden Elementarteilchen gleichzeitig und nahe beieinander in den Kollisionen entstanden. „Die Verschränkung wurde bei den massereichen Top-Quark-Paaren mit einer Signifikanz von 6,7 Standardabweichungen beobachtet“, berichtet die CMS-Kollaboration. Im ATLAS-Detektor lag die Signifikanz ebenfalls bei mehr als fünf Sigma.

Damit haben die Physiker erstmals bewiesen, dass auch Quarks – die Grundbausteine aller Materie – quantenphysikalisch verschränkt sein können. „Unser Resultat repräsentiert die erste Beobachtung einer Verschränkung bei einem Quark-Paar“, konstatiert das Team der ATLAS-Kollaboration. Der Nachweis dieser Quark-Verschränkung bestätigt damit die Vorhersagen theoretischer Modelle und des Standardmodells der Teilchenphysik.

Höchste Energie bei einer Verschränkung

Gleichzeitig beweist die Verschränkung der Top-Quarks, dass dieses Quantenphänomen auch bei sehr hohen Energien auftreten kann. Denn noch nie zuvor wurde die quantenphysikalische Kopplung zweier Teilchen bei so hohen Energien und Massen beobachtet, wie die Physiker erklären. Zum Vergleich: Die in Quantentechnologien gängigen Photonen haben eine Energie von wenigen Elektronenvolt – die Top-Quarks im LHC sind dagegen mit mehreren Teraelektronenvolt Billionen Mal energiereicher.

„Durch Messungen der Verschränkung und anderer Quanten-Effekte in diesem neuen Teilchensystem und mit zuvor unerreichbaren Energien, können wir nun das Standardmodell auf ganz neue Weise prüfen“, erklärt Patricia McBride, Sprecherin der CMS-Kollaboration. „Dadurch könnten wir auch Hinweise auf eine neue Physik jenseits des Standardmodells finden.“ (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-07824-z; Physical Review D submitted, 2024; doi: 10.48550/arXiv.2409.11067)

Quelle: Nature, Physical Review D, CERN

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