Physik

Erster Quantenkühlschrank für rekordkalte Qubits

Physiker demonstrieren neuartiges Kühlkonzept für supraleitende Quantencomputer

Quantenkühlschrank
Im Zentrum dieses Quantenchips liegt ein neuartiger Quantenkühlschrank, der Qubits bis auf 22 Millikelvin herunterkühlen kann – neuer Rekord. © Lovisa Håkansson/ Chalmers University of Technology

Wärmemaschine im Quantenmaßstab: Physiker haben einen neuartigen Quantenkühlschrank entwickelt, mit dem sie Quantencomputer-Qubits bis auf Rekordtemperaturen heruntergekühlt haben – auf nur noch 22 Tausendstel Grad über dem absoluten Nullpunkt. Dies bringt die supraleitenden Qubits in ihren Grundzustand und könnte Quantenrechner stabiler und weniger anfällig für Fehler machen, wie das Team in „Nature Physics“ erklärt. Basis des Systems ist der Wärmeaustausch von jeweils drei Quanteneinheiten.

Quantencomputer sind leistungsfähig, aber extrem sensibel – schon kleinste Störungen lassen die quantenphysikalische Überlagerung und Verschränkung ihrer Qubits kollabieren. Zum Schutz davor werden die supraleitenden Qubits in Quantenrechnern von Google, IBM und Co auf Temperaturen bis knapp über dem absoluten Nullpunkt heruntergekühlt. Das bringt die Quantenpunkte nahe an ihren energetischen Grundzustand, der einer digitalen Null entspricht.

Quantencomputer
Der größte Teil gängiger Quantencomputer auf Basis supraleitender Qubits besteht aus dem Kühlsystem – hier als Leitungen sichtbar. © Bartlomiej Wroblewski/ Getty images

Um die tiefen Temperaturen zu erreichen, werden bisher meist sogenannte Verdünnungskryostate eingesetzt. Sie kühlen die Systeme mithilfe einer flüssigen Mischung aus zwei Helium-Isotopen. Doch damit lassen sich Qubits nur bis auf rund 50 Millikelvin herunterkühlen – für stabilere, höhere Leistungen der Quantenrechner wären jedoch noch tiefere Temperaturen nötig.

Prinzip des Kühlschranks auf Quantenteilchen übertragen

Jetzt haben Physiker einen neuartigen Quantenkühlschrank entwickelt, der Qubits noch weiter herunterkühlen kann. Das Team um Mohammed Ali Aamir von der Chalmers Universität in Schweden nutzte dafür das Konzept eines Quantenkühlschranks, das bereits 2021 in ähnlicher Form theoretisch postuliert wurde. Vorbild dafür sind normale Kühlschränke. Sie funktionieren, indem sie die Wärme aus ihrem Inneren mithilfe eines Kältemittels nach außen ableiten. Dieses wird dafür im Wechsel verdampft,  komprimiert und kondensiert – ähnlich wie auch in einer Wärmepumpe.

Dieses Prinzip haben nun Aamir und sein Team auf die Welt der Quanten übertragen. Ausgangspunkt sind supraleitende Qubits in Form von sogenannten Transmons. Jeweils drei dieser Quanteneinheiten werden nun gekoppelt. Ein Qubit ist die zu kühlende Recheneinheit, eine benachbarte Qubit-Einheit dient als Energiequelle und eine dritte als „Kältemittel“ und Wärmesenke. Jede Einheit ist mit einem Wellenleiter für Mikrowellen verbunden.

Drei Qubit-Einheiten des Kühlschranks
Der Quantenkühlschrank besteht aus jeweils drei Qubit-Einheiten. Der mittlere ist der zu kühlende Rechen-Qubit, der obere ist warm, der untere dagegen kalt und dient als Wärmesenke. © Chalmers University of Technology, Boid AB/ NIST

Kühlung durch Dreikörper-Interaktion

„Der Quantenkühlschrank nutzt nun eine Dreikörper-Interaktion zwischen dem Ziel-Qubit und den beiden Zusatzeinheiten“, erklären die Physiker. Konkret funktioniert dies so: Durch einen Mikrowellenpuls werden das Rechen-Qubit und die mit ihm gekoppelte zweite Qubit-Einheit angeregt – ihnen wird Energie zugeführt. Die dabei entstehende Wärme wird nun an die dritte Qubit-Einheit weitergeleitet. Dieses absorbiert die Wärme und kühlt dadurch das Ziel-Qubit.

Der Clou dabei: Durch wiederholte Wechsel von Koppelung und Trennung der drei Quanteneinheiten lässt sich der Energiefluss so beeinflussen, dass die Wärme vom Rechen-Qubit weg zu den beiden „Kühl-Qubits“ fließt. Das Trio agiert dadurch wie eine Miniatur-Wärmemaschine. Positiv auch: Einmal in Gang gesetzt, läuft diese Quanten-Wärmemaschine selbständig immer weiter, ihre Energie bezieht sie aus dem Wärmeunterschied zwischen ihren Komponenten.

„Unser Experiment ist die erste Demonstration einer autonomen Wärmemaschine im Quantenmaßstab, die eine praktisch nutzbare Aufgabe verrichtet“, sagt Seniorautorin Simone Gasparinetti von der Chalmers Universität.

Rekord-Tieftemperaturen eröffnen neue Möglichkeiten

Mithilfe dieser neuartigen Technik gelang es Aamir und seinem Team, Qubits bis auf 22 Millikelvin herunterzukühlen – ein neuer Rekord. „Ursprünglich war unser Experiment nur als Proof-of-Concept gedacht“, erklärt Gasparinetti. „Wir waren daher positiv überrascht, als wir feststellten, dass die Leistung des Quantenkühlschranks alle existierenden Methoden übertraf und die Qubits auf Rekord-Tieftemperaturen herunterkühlte.“

Nach Ansicht der Physiker eröffnet ihre Kühltechnologie nun neue Möglichkeiten für robustere und verlässlichere Quantencomputer. „Die Technik zeigt, dass wir Wärme von einem Teil des Quantencomputers abziehen und diese dann zur weiteren Kühlung einsetzen können“, erklärt Koautorin Nicole Yunger Halpern vom National Institute of Standards and Technology (NIST). „Das könnte uns technologische Möglichkeiten eröffnen, die wir uns zuvor nicht vorstellen konnten.“

„Mit unserer Methode erhöhen wir die Wahrscheinlichkeit für Qubits im Grundzustand auf 99,97 Prozent“, sagt Aamir. Bisherige Systeme erreichten dagegen zwischen 99,8 und 99,92 Prozent. „Das erscheint wie ein winziger Unterschied, aber bei multiplen Berechnungen bewirkt schon diese kleine Differenz eine große Steigerung der Quantencomputer-Leistung“, erklärt der Physiker. Denn dadurch entstehen deutlich weniger Fehler, die dann durch aufwendige Fehlerkorrektursysteme beseitigt werden müssen. (Nature Physics, 2025; doi: 10.1038/s41567-024-02708-5)

Quelle: Chalmers University of Technology, National Institute of Standards and Technology (NIST)

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