Chemie

Verhaltenstest für superschwere Elemente

Wie passen Elemente 113 und 115 ins Schema des Periodensystems?

Moscovium
Das Element Moscovium mit der Ordnungszahl 115 ist das schwerste bisher chemisch untersuchte Element im Periodensystem. © PeterHermesFurian/ iStock

Neuzugänge im Visier: Kernphysikern ist es erstmals gelungen, das chemische Verhalten der superschweren Elemente Nihonium (113) und Moscovium (115) zu analysieren – ein wichtiger Durchbruch. Denn diese beiden Neuzugänge im Periodensystem werfen neues Licht auf die Gesetzmäßigkeiten am Ende unseres Periodensystems und enthüllen auch, welchen Einfluss die Einsteinsche Relativitätstheorie auf diese Elemente hat. Moscovium ist zudem das schwerste jemals chemisch untersuchte Element.

Die Position eines Elements im chemischen Periodensystem verrät nicht nur die Zahl der Elektronen und Kernbausteine in diesem Atom, sie liefert auch Hinweise auf sein chemisches Verhalten und seine Reaktivität. So reagieren Elemente, die in einer Gruppe untereinander stehen, typischerweise sehr ähnlich. Doch bei den superschweren Elementen wird es komplizierter, weil bei ihnen relativistische Effekte dazukommen: Die Elektronen rasen so schnell um den großen, schweren Atomkern, dass dies ihr Verhalten verändert.

Periodensystem
Von den superschweren Neuzugängen im Periodensystem (rot) sind bisher erst wenige auf ihr chemisches Verhalten hin untersucht. © Edgar Joel Ipanaque Maza/ iStock

Entsprechend schwierig ist es vorherzusagen, welche chemischen Eigenschaften die jüngsten Neuzugänge zum Periodensystem aufweisen: Setzen die Elemente 113 bis 118 die Trends der über ihnen stehenden, leichteren „Verwandten“ fort? Wie reaktiv sind sie? Flerovium (114), der bisher einzige auf sein Verhalten hin untersuchte Neuzugang, sorgte in diesem Punkt bereits für eine Überraschung.

Wie reaktiv sind Nihonium und Moscovium?

Umso spannender ist daher die Frage, wie es für die beiden Nachbarn des Fleroviums aussieht: Nihonium (113) und Moscovium (115). „Beide Elemente besitzen ein einzelnes, ungepaartes Elektron in ihrer 7p-Unterschale. Das legt nahe, dass ihre Reaktivität höher sein könnte als die ihrer Nachbarn mit vollen Schalen, Copernicium (112) und Flerovium“, erklären Alexander Yakushev vom GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung in Darmstadt und seine Kollegen.

Das Problem: Von diesen beiden superschweren Elementen lassen sich bisher nur wenige Atome pro Monat herstellen. Zudem zerfällt Moscovium schon nach knapp 200 Millisekunden wieder, Nihonium nach rund 900 Millisekunden. Daher konnte ihr Verhalten noch nicht untersucht werden. Doch Yakushev und seinem Team ist es nun gelungen, eine Apparatur zu konstruieren, durch sie erstmals Einblick in das Bindungsverhalten von Nihonium und Moscovium erhalten haben.

Elementstrahl im Bindungstest

Für ihr Experiment nutzten die Kernphysiker den Schwerionenbeschleuniger am GSI, um einen energiereichen Strahl des Isotops Calcium-48 auf ein Ziel aus Americium-243 zu schießen. Bei der Kollision dieser Atomkerne kam es in einigen Fällen zu einer Fusion, durch die erst kurzlebige, schwere Kerne von Moscovium-288 entstanden und herausgeschleudert wurden. Diese zerfielen dann in Nihonium-284.

Um die Reaktivität dieser Elemente zu messen, leiteten die Forscher die Elemente durch einen Detektorkanal. Dieser war innen auf dem ersten Stück mit einer Schicht aus Siliziumdioxid – Quarz – überzogen, dann folgte eine vergoldete Passage. Der Clou dabei: Je reaktiver die durch diesen Kanal fliegenden Atome sind, desto früher und stärker binden sie an diese Beschichtungen. Frühere Tests hatten ergeben, dass die beiden im Periodensystem über Nihonium und Moscovium stehenden Elemente Thallium und Bismut beide sehr früh und stark am Quarz binden. Der Nachbar Flerovium hingegen passiert die Quarzzone ohne Bindung – erst das Gold fing ihn auf.

Bindungstärke
Bindungsstärke und Reaktivität der superschweren Elemente Nihonium und Moscovium im Vergleich. © A. Yakushev/Ch.E. Düllmann

Reaktiver als ihre Nachbarn, aber träger als ihre Gruppenkollegen

Die Analysen enthüllten: Die Moscovium-Atome blieben alle im Quarz-Bereich des Detektors hängen, ebenso 14 der 15 registrierten Nihonium-Atome. Die Reaktivität und Bindung dieser superschweren Atome ist damit deutlich stärker als die ihrer Nachbarelemente Copernicium und Flerovium, wie Yakushev und seine Kollegen berichten. Das bestätigt die Erwartungen, nach denen Nihonium und Moscovium reaktiver sein müssten als ihre Nachbarn mit der vollen 7p-Unterschale.

Der Vergleich mit den leichteren, im Periodensystem über Nihonium und Moscovium stehenden „Verwandten“, ergab ebenfalls klare Unterschiede: Die beiden superschweren Elemente sind deutlich reaktionsträger – als Folge der starken relativistischen Effekte in diesen Atomen, wie die Kernphysiker erklären. Dies bestätigt die Erwartungen und zeigt, dass die Modelle auch für die superschweren Atome zutreffen. Das ist auch wichtig für die Prognose des Verhaltens noch schwererer Elemente wie Livermorium, Tennessine und Oganesson.

Die Ergebnisse stellen auch einen neuen Rekord auf: Moscovium ist das schwerste jemals untersuchte Element. Gleichzeitig liefert das Experiment neue Einblicke in das Verhalten der superschweren Elemente am Ende des Periodensystems. Es demonstriert, wie die Einsteinsche Relativitätstheorie selbst das Verhalten der Atome beeinflusst. (Frontiers in Chemistry, 2024; doi: 10.3389/fchem.2024.1474820)

Quelle: Frontiers in Chemistry, GSI Helmholtzzentrum für Schwerionenforschung

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