Mehr rot geht nicht: Physiker haben eine Nanostruktur entwickelt, die das intensivste mit Strukturfarben machbare Rot erzeugt. Sie haben damit ein Prinzip umgesetzt, das schon der Physiker Erwin Schrödinger beschrieb. Ein so reines Rot ist in der Natur unmöglich, weil optische Resonanzeffekte immer eine bläuliche Beimischung erzeugen. Erst die spezielle Anordnung von winzigen Säulchen in der Nanostruktur unterbindet diese Störeffekte.
Ob Vogelfedern, Schmetterlingsschuppen oder das Schillern eines Käferpanzers: Viele Farben in der Natur beruhen nicht auf Pigmenten, sondern auf Strukturfarben. Dabei brechen Mikrostrukturen das einfallende Licht so, dass der Farbeindruck und oft auch ein Schillern entsteht. Doch bei einem Farbton stößt dieses Prinzip an seine Grenzen: einem reinen, intensiven Rot. In der Natur kommt ein solches gesättigtes Strukturrot ohne Farbstiche nicht vor.
„Selbst die roten Federn von Papageien erscheinen eher Magenta, weil sie größere blaue und grüne Anteile in ihrem Reflexions-Spektrum haben“, erklären Zhaogang Dong von der Nationaluniversität Singapur und seine Kollegen. Und auch die Schuppen einiger Käfer schimmern zwar in allen Farben des Regenbogens, aber nicht in reinem Rot.
Schrödingers Rezept für das reinste Rot
Aber warum? Diese Frage stellte sich schon der berühmte Physiker Erwin Schrödinger. Er fand heraus, dass sich ein gesättigtes Rot nur erzeugen lässt, wenn ein Material sämtliches Licht mit Wellenlängen länger als 600 Nanometer vollständig reflektiert, alles kurzwelligere Licht aber komplett schluckt. Nur dann werden Resonanzeffekte unterdrückt, die sonst zur Abstrahlung von bläulichen und grünen Lichtanteilen der sogenannten höheren Modi führen – und die sonst das reine Rot zu Magenta verfälschen.
Aber diese „Schrödingers Rotes Pixel“ getaufte Farbe ist notorisch schwer zu realisieren. „Selbst bei synthetischen und natürlichen Pigmentfarben, die auf Lichtabsorption basieren, sind solche hochgesättigten Rottöne rar“, erklären die Forschenden. Ein so reines Rot lässt sich bisher fast nur durch direkte Emission roten Lichts beispielsweise mit LEDs oder Lasern erzielen.
Elliptische Siliziumsäulchen als Farbbringer
Doch das hat sich nun geändert. Dong und sein Team haben nun eine Nanostruktur entwickelt, die Schrödingers Rezept umsetzt und dadurch eine reine rote Strukturfarbe produziert. Die Struktur besteht aus einer Grundplatte aus Quarz, auf der zahlreiche elliptische Säulen aus amorphem Silizium angeordnet sind. Die Achsen dieser Säulen sind auf spezielle Weise gegeneinander gekippt, um die optimale Kombination aus Lichtabsorption und -brechung zu ermöglichen. Die richtigen Winkel ermittelte das Team zuvor mithilfe einer Modellsimulation.
Um unerwünschte Störeffekte durch Reflexionen der Quarz-Grundplatte zu verhindern, deckten die Forschenden deren Rückseite zudem mit einer tiefschwarzen, lichtabsorbierenden Schicht ab. Zusammen mit der Säulenstruktur bewirkt dies eine scharfe Trennung von Reflexion und Absorption ziemlich genau bei 600 Nanometern und damit dort, wo Schrödingers „Rotes Pixel“ dies erfordert, wie das Team erklärt.
Neuer Rekord der Rotsättigung
Und tatsächlich: Messungen ergaben, dass die Nanostruktur zwei scharf abgegrenzte Reflexionsmaxima abstrahlt, die beide genau in dem von Schrödinger definierten Rotbereich liegen. In allen anderen Wellenbereichen wird das Licht jedoch vollständig absorbiert. Dadurch entfallen auch die normalerweise auftretenden Resonanzeffekte im blaugrünen Bereich. „Unseres Wissens nach repräsentiert das Resultat die höchste je von einer Nanostruktur erreichte Rotsättigung“, schreibt das Team.
Das Ergebnis ist ein intensives rotes Licht, dessen Farbwerte im RGB-Diagramm bei 0,654 und 0,301 liegen. „Damit übertrifft dieses Rot alle bisher bekannten im RGB-Dreieck und ist noch gesättigter als das Cadmium-Pigment, mit dem intensives Rot in der modernen Kunst erzeugt wird“, berichten Dong und seine Kollegen. Mit anderen Worten: Die Nanostruktur erzeugt das bisher röteste Rot.
Neue Anwendungen
Damit haben die Forschenden Schrödingers „Rotes Pixel“ Wirklichkeit werden lassen. „Dieser Erfolg bei der roten Strukturfarbe demonstriert, dass wir durch Modellsimulationen und clevere Nanofabrikation manchmal selbst die Evolution übertrumpfen können“, konstatiert Seniorautor Yoel Yang von der Singapurer Universität für Technik und Design.
Nach Ansicht der Forschenden ermöglicht diese Nanostruktur auch neue Anwendungen in der Elektronik, Optik und sogar der optischen Verschlüsselung. „Die Produktion eines Rots mit so hoher Intensität und Sättigung eröffnet neue Möglichkeiten für bisher als mit Strukturfarben unerreichbar geltende Anwendungen, darunter den Schutz vor Fälschungen oder neuartige Farbdisplays“, sagt Dongs Kollege Cheng-Wei Qiu. (Science Advances, 2022; doi: 10.1126/sciadv.abm4512)
Quelle: Agency for Science, Technology and Research (A*STAR), Singapore