Mysterium geknackt: Seit 40 Jahren rätseln Physiker darüber, warum einige Metall-Verbindungen so ungewöhnliche elektrische und thermische Eigenschaften zeigen. Jetzt haben Forscher das Geheimnis dieser „Strange Metals“ gelüftet. Demnach machen zwei Faktoren ein Material zu einem solchen „seltsamen Metall“: die quantenphysikalische Verschränkung ihrer Elektronen und eine „hügelige“ Atomlandschaft. Beides zusammen macht diese Metalle zu spannenden, aber auch nützlichen Exoten, wie das Team in „Science“ berichtet.
Wenn man ein normales Metall wie Kupfer erwärmt, steigt sein elektrischer Widerstand mit dem Quadrat der Temperatur. Je wärmer es wird, desto schlechter leitet das Metall den Strom. Doch es gibt Metall-Legierungen, die nicht in dieses sonst allgemeingültige Schema passen: Strange Metals. Diese „seltsamen Metalle“ sind bei sehr tiefen Temperaturen oft widerstandsfrei und supraleitend, bei Erwärmung leiten sie den Strom dafür deutlich schlechter als normale Metalle – ihr elektrischer Widerstand steigt mit zunehmender Temperatur linear.
Ebenfalls anomal verhalten sich die seltsamen Metalle in Bezug auf ihre Wärmeleitfähigkeit und bei der Leitung von schnell oszillierenden Wechselspannungen. Beispiele für solche Strange Metals sind Tieftemperatur-Supraleiter wie Cuprate, Seltenerdverbindungen wie YbRh2Si2 (YRS), aber auch viele für Quanten-Anwendungen genutzte Materialien.
Elektronen im Visier
Aber was macht diese Strange Metals so exotisch? Die Frage nach dem Grund für das anomale Verhalten dieser seltsamen Metalle gibt Physikern seit 40 Jahren Rätsel auf. Doch jetzt könnten Aavishkar Patel vom Flatiron Institute in New York und seine Kollegen dieses Rätsel geknackt haben. Sie haben erstmals eine universelle Theorie der seltsamen Metalle aufgestellt und die entscheidenden Faktoren identifiziert, die ein Material zu einem Strange Metal machen.
In ihrer Studie konzentrierten sich Patel und sein Team auf das Verhalten der Elektronen in den seltsamen Metallen. Sie vermuteten, dass die Elektronen bei steigenden Temperaturen in den seltsamen Metallen häufiger miteinander kollidieren als bei normalen Metallen – das ließe den elektrischen Widerstand schneller ansteigen. Dafür müssen sich diese Elektronen jedoch auch langsamer und anders bewegen als normalerweise. Aber warum?
Zwei Faktoren erklären die Anomalien
Bei näheren Analysen entdeckten die Physiker, dass dafür eine Kombination von zwei physikalischen Faktoren nötig ist. Der Erste: Die Elektronen in einem Strange Metal bewegen sich nicht unabhängig voneinander, sondern sind quantenphysikalisch miteinander verschränkt. Ihr Verhalten ist daher selbst über größere Distanzen hinweg gekoppelt.
Der zweite Faktor: In den „seltsamen“ Metallen sind die Atome nicht regelmäßig verteilt, sondern bilden eine Art unregelmäßigen Flickenteppich. Dies beeinflusst auch die energetische Landschaft, in der sich die Elektronen bewegen. Beide Faktoren zusammen – die Verschränkung und die unregelmäßige Atomlandschaft – sorgen für das exotische Verhalten der Metallelektronen in diesen Materialien. „Nimmt man beides zusammen, fällt alles plötzlich an seinen Platz“, sagt Patel.
Chaotische Elektronen und häufigere Kollisionen
Konkret passiert in einem Strange Metall demnach Folgendes: Wenn sich Elektronen in diesen Metallverbindungen miteinander verschränken, beeinflusst die atomare Landschaft die Stärke ihrer Kopplung. Diese Unterschiede wiederum erzeugen zufällige Variationen in Impuls und Richtung der sich umherbewegenden Elektronen, wie Patel und seine Kollegen erklären. Dadurch rasen die Elektronen in diesen Metallen chaotisch durcheinander, statt gemeinsam in eine Richtung zu strömen.
Als Folge kommt es im „seltsamen“ Metall häufiger zu Elektronen-Kollisionen, die den elektrischen Widerstand erhöhen. Das erklärt, warum diese Strange Metals bei steigenden Temperaturen schlechter leiten als normale Metalle. Auch die Anomalien bei der Wärmeleitung und einige Aspekte beim supraleitenden Zustand lassen sich laut den Physikern mit dieser „räumlichen Unordnung in der Fermion-Skalar Yukawa-Kopplung“ erklären.
Erste universelle Theorie für die Exoten
Damit haben die Physiker nach 40 Jahren der Suche erstmals eine universelle, für alle Strange Metals gültige Theorie gefunden. „Dieses Wechselspiel von Verschränkung und Nichtuniformität ist ein neuer Effekt, er wurde nie zuvor für ein Material gezeigt“, erklärt Patel. Auch andere, nicht an der Studie beteiligte Physiker sehen in der neuen Theorie einen wichtigen Durchbruch: „Diese Arbeit gibt uns eine neue Perspektive auf ein wichtiges Problem“, kommentiert Rafael Fernandes von der University of Minnesota gegenüber der American Physical Society.
„Patel und sein Team haben nicht nur einen universellen Mechanismus für das Verhalten der Strange Metals gefunden, der nicht von Details der Materialien abhängt. Sie liefern auch einen konzeptionellen Fortschritt in der Sichtweise der Elektronen-Interaktionen in stark korrelierten Materialien – das ist wirklich schön“, so Fernandes. (Science, 2023; doi: 10.1126/science.abq6011)
Quelle: Simons Foundation, American Physical Society (APS)