Neue Art von Qubits: Doppellagiges Graphen könnte das Rechnermaterial der Zukunft werden. Denn dieses Material erzeugt Quantenpunkte aus nahezu perfekt symmetrischen Paaren von Elektronen und Löchern, wie Physiker jetzt ermittelt haben. Demnach sind diese Doppel-Quantenpunkte besonders robust gegen Störungen und gut auslesbar – was sie zu vielversprechenden Kandidaten für Halbleiter-Qubits in künftigen Quantencomputern macht, wie die Forschenden in „Nature“ berichten.
Das aus wabenartig verknüpften Kohlenstoffatomen bestehende Graphen gilt schon länger als wahres „Wundermaterial“. Denn es ist leicht, extrem fest und zeigt besondere elektrische Eigenschaften. So ist Graphen von Natur aus leitfähig, wird aber beim Aufeinanderlegen zweier Graphenlagen je nach Ausrichtung entweder zum Halbleiter oder sogar zum Supraleiter. Zudem ist das doppellagige Graphen schaltbar: Seine Leitfähigkeit kann mittels Spannungspulsen verändert werden.
Quantenpunkte als Qubits
Jetzt zeigt sich eine weitere Fähigkeit des doppellagigen Graphens: Es kann stabile Quantenpunkte erzeugen. Solche Quantenpunkte können aus einzelnen Elektronen, Atomen oder „Löchern“ positiver Ladung bestehen, deren Spinrichtung gezielt manipulierbar ist. Der Spin der Quantenpunkte dient dann als digitale „Null“ oder „Eins“. Solche Quantenpunkte in Halbleitern könnten Quantencomputer mit kleineren, stabileren und besser auslesbaren Qubits ermöglichen. 2022 haben Physiker die ersten Quantenschaltkreise in Silizium auf Basis solcher Quantenunkte vorgestellt.
Aber auch Graphen kommt als Quantenpunkt-Lieferant in Frage, wie nun Luca Banszerus von der RWTH Aachen und seine Kollegen in einem Experiment belegen. Dafür legten sie doppellagiges Graphen zwischen zwei Bornitrid-Schichten, das Graphen diente als Source und Drain für den Schaltkreis. Eine Graphitschicht bildete die Basis, während Goldelektroden oben auf dem Stapel das Gate des Graphen-Transistors bildeten.
Symmetrische Paare aus Elektron und Loch
Der Clou dabei: Graphen verfügt über eine Bandlücke, die je nach angelegtem elektrischen Feld zwischen Null und 120 Milli-Elektronenvolt liegt. Diese beeinflusst nicht nur die Leitfähigkeit des Materials, sondern erlaubt es auch, Quantenpunkte im Graphen zu erzeugen. Dabei werden je nach angelegter Spannung einzelne Elektronen oder positiv geladene Löcher in der Gitterstruktur „eingefangen“ und isoliert. Als Folge entstehen sogenannte Doppel-Quantenpunkte – gekoppelte Paare aus jeweils einem Elektron und einem in der gegenüberliegenden Graphenschicht liegenden Loch.
Diese Quantenpunkt-Paare verhalten sich in Bezug auf ihre Spin-Eigenschaften nahezu perfekt symmetrisch: Zeigt der Spin des Elektrons nach oben, ist der des Lochs nach unten gerichtet und umgekehrt. „Diese Symmetrie bleibt nahezu perfekt erhalten, selbst wenn Elektronen und Löcher in verschiedenen Quantenpunkten räumlich getrennt werden“, erklärt Seniorautor Christoph Stampfer vom Forschungszentrum Jülich.
Hochgradig robust gegen Störungen
Wie die Physiker feststellten, sind die Doppel-Quantenpunkte im Graphen außerordentlich stabil: Selbst bei Anlegen von Magnetfeldern verschiedener Ausrichtungen und energiereichen Störfeldern blieb die Symmetrie im Elektron-Loch-Paar erhalten. „Diese symmetrische Ordnung ist stark geschützt, weil sie für die doppellagige Graphen-Bandstruktur intrinsisch ist“, schreibt das Team. „Wir haben keine Bedingungen beobachtet, die zu einer Aufhebung der Blockade führen.“
Der Vorteil daran: Qubits aus solchen Doppel-Quantenpunkten sind sehr robust und gegenüber Störeinflüssen stabil, zudem lassen sie sich gut auslesen. „Diese robuste Einzelteilchen-Blockade ermöglicht hoch gradig zuverlässige Konversionen von Spin zu Ladung und Valley zu Ladung und bietet damit ein zuverlässiges Ausleseschema für die Spin-und-Valley-Zustände des Systems“, erklären Banszerus und seine Kollegen.
Basis für neue Qubits und Quantenschaltkreise
Nach Ansicht der Wissenschaftler könnten solche Quantenpunkte in doppellagigem Graphen damit die Basis für neue Arten von Qubits und Quantenschaltkreisen liefern. „Das übersteigt das, was in herkömmlichen Halbleitern oder anderen zweidimensionalen Elektronensystemen möglich ist“, sagt Koautor Fabian Hassler vom JARA-Institut für Quanteninformation des Forschungszentrum Jülich und RWTH Aachen. Die Graphen-Quantenpunkte wären damit vielversprechende Kandidaten für Qubits der Zukunft.
„Darüber hinaus bietet es sich an, Quantenpunkte aus zweilagigem Graphen mit Supraleitern zu koppeln – zwei Systeme, in denen die Elektron-Loch-Symmetrie eine wichtige Rolle spielt“, so Hassler weiter. „Solche hybriden Systeme könnten genutzt werden, um effiziente Quellen für verschränkte Teilchenpaare oder künstliche topologische Systeme zu schaffen und damit der Realisierung topologischer Quantencomputer einen Schritt näher zu kommen.“ (Nature, 2023; doi: 10.1038/s41586-023-05953-5)
Quelle: Forschungszentrum Jülich