Nach fast 100 Jahren bewiesen: Chemiker haben erstmals eine zuvor nur theoretisch postulierte Bindungsform beim Kohlenstoff erzeugt und nachgewiesen – die Einzel-Elektronbindung. Bei dieser Sonderform der kovalenten Bindung teilen sich zwei benachbarte Kohlenstoffatome nicht wie üblich ein Elektronenpaar, sondern nur ein einzelnes Elektron. Weil diese Bindung entsprechend schwächer und instabil ist, konnte sie nie zuvor beobachtet werden. Doch jetzt ist dies gelungen, wie das Chemikerteam in „Nature“ berichtet.
Ohne die kovalente Bindung gäbe es weder uns noch andere Lebewesen, denn sie erst sie macht unsere Biomoleküle, Zellen und Gewebe möglich. Bei dieser Form der chemischen Bindung teilen sich die beiden beteiligten Atome ein Elektronenpaar – die Orbitale dieser Valenzelektronen verschmelzen zu einem gemeinsamen Molekülorbital. Diese kovalente Bindung ist bei organischen Molekülen die Regel, aber auch bei vielen molekularen Gasen.
Nur ein geteiltes Elektron statt eines Paares
Doch im Jahr 1931 schlug der spätere Nobelpreisträger Linus Pauling im Rahmen seiner Valenzbindungstheorie eine weitere Form der kovalenten Bindung vor: „Er entwickelte das Konzept einer Bindung, bei der sich zwei Atome nur ein ungepaaartes Elektron teilen“, berichten Takuya Shimajiri von der Universität Hokkaido und seine Kollegen. Bei dieser Variante der Sigma-Bindung verschmelzen zwar auch Elektronenorbitale der beiden Atome, das dabei gebildete Molekülorbital ist aber nur mit einem Elektron gefüllt.
Das hat Folgen: „Solche Ein-Elektron-Sigmabindungen gelten als weit schwächer als typische Sigma-Bindungen aus zwei Elektronen“, erklären die Chemiker. Wo genau sie auftreten und was ihre Merkmale sind, ließ sich größtenteils nur theoretisch ermitteln. Nur bei einigen Elementen konnten Chemiker Radikale mit diesen Ein-Elektron-Bindungen erzeugen. Aber ausgerechnet bei den beiden wichtigsten Elemente der organischen Chemie – Kohlenstoff und Wasserstoff – scheiterte dies bisher.