Einblick in die Nanowelt: Ein neues Mikroskopie-Verfahren nutzt Korkenzieher-artig gewundene Lichtstrahlen, um nanometerkleine Strukturen abzubilden. Diese neue Variante der sogenannten Ptychografie erhöht die Auflösung lichtgestützter Systeme bis auf zehn Nanometer und kann erstmals auch regelmäßige Strukturen wie Kristallgitter oder Nanoelektronik-Bahnen sichtbar machen. Möglich wird dies durch die Nutzung von UV-Laserlicht mit Bahndrehimpuls sowie spezielle Algorithmen.
Für Kameras und Mikroskope auf Basis des Lichts gilt die Abbesche Auflösungsgrenze: Strukturen können nur bis zur halben Wellenlänge des verwendeten Lichts scharf abgebildet werden. Bei sichtbarem Licht liegt diese Grenze bei rund 200 Nanometern – eigentlich. Doch inzwischen haben Wissenschaftler mehrere Methoden entwickelt, um dieses Limit zu umgehen, unter anderem mithilfe fluoreszenzbasierter Verfahren wie der STED-Mikroskopie, dem Nanoskop oder der MINIFLUX-Methode. Sie erreichen Auflösungen von bis zu einem Nanometer.
Ptychografie mit Schwachpunkt
Ebenfalls bis in den Nanometerbereich kommt die sogenannte Ptychografie – aber mit einem andere Ansatz. Statt die Zielobjekte über fokussierte Strahlen direkt abzubilden, wertetet sie das von den Strukturen gestreute und reflektierte Licht aus. Die beim Abtasten der Proben entstehenden Interferenzmuster und Beugungsbilder werden durch spezielle Algorithmen ausgewertet und erst dadurch entsteht ein Bild. Die Auflösung der Ptychografie liegt bei bis zu zehn Nanometern und ist schonender als die Elektronenmikrokopie.
Das Problem jedoch: „Bisher versagte diese Methode bei periodisch geordneten Proben oder Objekten mit einem sich regelmäßig wiederholenden Muster“, erklärt Seniorautorin Margaret Murnane vom JILA-Institut der University of Colorado. Denn die dabei erzeugten Brechungsmuster sind zu gleichförmig, um korrekt ausgewertet zu werden. „Das ist ein Problem, weil dies auch einen Großteil der Nanoelektronik umfasst“, sagt Murnane. Dadurch lassen sich beispielsweise Fehler in Halbleiterchips mit dieser eigentlich gut geeigneten Mikroskopiemethode nicht erkennen.
Korkenzieher-Licht schafft Abhilfe
Doch jetzt gibt es eine Lösung: Murnane und ihr Team haben eine Variante der Ptychografie entwickelt, die sich auch durch hochgradig regelmäßige Strukturen nicht beirren lässt. Möglich wird dies durch die Verwendung von gebündeltem Licht mit hohem Bahndrehimpuls, englisch Orbital Angular Momentum (OAM). Dieser bringt das Licht dazu, sich beim Ausbreiten spiralig um die eigene Achse zu drehen – es entsteht eine korkenzieherförmig gewundene Lichtwelle.
Für ihre neue Variante der Ptychografie nutzten Murnane und ihr Team einen intensiven Laserstahl im ultravioletten Bereich, dem sie durch einen speziell strukturierten Filter einen starken Bahndrehimpuls verliehen. Diesen Korkenzieher Strahl richteten sie dann auf verschiedene Teststrukturen in Form regelmäßiger Lochgitter mit drei bis neun Mikrometer Gitterweite. An einigen Stellen dieser Gitter platzierten die Forschenden rund 300 Nanometer kleine Defekte in Form von gebrochenen Querstreben.
Defekte selbst im Gitter scharf
Es zeigte sich: Während die normale Ptychografie ohne Korkenzieher-Licht die Gitterdefekte nur unscharf oder gar nicht abbilden konnte, waren sie bei der neuen Ptychografie-Methode scharf zu erkennen – trotz der regelmäßigen Gitterstruktur. „Damit demonstrieren wir – unseres Wissens nach zum ersten Mal – die ptychografische Abbildung eines einzelnen Defekts in einer periodischen Probe“, konstatieren die Forschenden.
Nach Ansicht von Murnane und ihrem Team könnte diese Methode die Einsatzmöglichkeiten der Ptychografie erheblich erweitern. Nützlich ist das Korkenzieher-Licht demnach vor allem bei der Prüfung sensibler Nanoelektronik und anderer empfindlicher Materialien. „In Zukunft könnte diese Methode auch eingesetzt werden, um die in der Halbleiterfertigung verwendeten Polymere zu überprüfen“, erklärt Murnane. „Wenn man sie mithilfe eines Rasterelektronenmikrokops abbilden will, verschlimmert dies die Defekte eher.“
Weitere Optimierung möglich
Die Wissenschaftler planen, die Auflösung ihrer „Korkenzieher“-Ptychografie noch weiter zu verbessern – unter anderem durch Nutzung noch kurzwelligeren UV-Lichts und optimierter Bahndrehimpulse. „Dies kann die verlässliche Abbildung und Inspektion von periodischen Strukturen auch der nächsten Generation der Nanoelektronik, Photonik und Quantentechnik ermöglichen“, so das Team. (Optica, 2023; doi: 10.1364/OPTICA.498619)
Quelle: University of Colorado at Boulder