Chemie

Kristall-Muster als chemischer Fingerabdruck

Tropfenrückstände verraten Zusammensetzung von Salzen

Mikroskopaufnahme einer getrockneten Natriumsulfat-Lösung
Eine Mikroskopaufnahme einer getrockneten Natriumsulfat-Lösung (Na2SO4). © Courtesy of Oliver Steinbock

Aufschlussreiche Reste: Wenn Salzlösungen trocknen, hinterlassen sie charakteristische, oft symmetrische Kristallmuster. Diese Salzrückstände sind nicht nur hübsch anzusehen, sondern können auch verraten, welche Substanzen sich in der Flüssigkeit befinden, wie Chemiker jetzt herausgefunden haben. Ein Foto eines solchen Tropfen-Kunstwerks reicht demnach aus, um das Salz mithilfe einer Künstlichen Intelligenz chemisch zu analysieren. Diese Technik könnte künftig für Analysen auf dem Mars oder für Drogentests verwendet werden.

Wenn eine Salzlösung austrocknet, verdunstet das Wasser und nur das Salz bleibt zurück. Dabei entstehen Gebilde aus Salzkristallen in den unterschiedlichsten Formen. Bei diesem scheinbar einfachen Vorgang sind komplexe biophysikalische Prozesse am Werk. Welches Muster sich letztlich aus den Salzrückständen formt, hängt somit von mehreren Faktoren ab. Zum Beispiel beeinflussen neben den chemischen Eigenschaften der Substanzen auch Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Oberflächenspannung, was für Salzkristalle sich formen.

Mikroskopaufnahme einer getrockneten Kaliumchlorid-Lösung
Eine Mikroskopaufnahme einer getrockneten Kaliumchlorid-Lösung (KCl). © Courtesy of Oliver Steinbock

Tropfenmuster in Zahlencodes übersetzen

Ein Team um Bruno Batista von der Florida State University hat nun untersucht, ob sich aus dem Ergebnis dieses Trockenprozesses auf die ursprüngliche Lösung schließen lässt. Das Ziel der Forschenden: Am Tropfenmuster die chemische Zusammensetzung des Salzes erkennen. Dafür erzeugten sie 42 anorganische Salzlösungen, ließen kleine Tropfen davon auf flachen Glasoberflächen trocknen und machten insgesamt 7.500 Fotos von den so produzierten weißen Salzflecken vor schwarzem Hintergrund.

Dann ordneten die Chemiker mit einer Software jedem Foto 16 Parameter zu – darunter Eigenschafen wie Fläche, Dichte und Konsistenz – und übersetzten diese Parameter der verschiedenen Tropfenbilder in Zahlen, die die Salzmuster binär codieren. Damit trainierten sie dann eine Künstliche Intelligenz (KI), so dass diese aus den Fotos von ring-, nadel- oder blätterförmig angeordneten Kristallen auf die Zusammensetzung des Salzes schließen kann. Anschließend testeten sie die KI mit weiteren Bildern von Tropfenmustern, die nicht Teil des Trainingsdatensatzes waren.

Mikroskopaufnahme einer getrockneten Natriumsulfit-Lösung
Eine Mikroskopaufnahme einer getrockneten Natriumsulfit-Lösung (Na2SO3). © Courtesy of Oliver Steinbock

Künstliche Intelligenz erkennt Salzmuster

Das Ergebnis: In rund 90 Prozent der Fälle erkannte die KI das entsprechende Salz richtig. Selbst Salze wie Natriumchlorid (Kochsalz) und Kaliumchlorid (Meersalz), die ähnliche chemische Eigenschaften und entsprechend auch ähnliche Tropfenmuster aufweisen, erkannte die KI zuverlässig. „Wir waren überrascht, wie gut das funktioniert hat“, sagt Seniorautor Oliver Steinbock von der Florida State University.

Die kristallinen Rückstände wirken demnach wie „chemische Fingerabdrücke von verschiedenen Salzen“, so Steinbock. „Zwar gibt es Musterunterschiede von Probe zu Probe, aber alle Beispiele von einem Salz unterscheiden sich so weit von anderen Salzsorten, dass wir sagen können, um welche Art von Salz es sich handelt.“

Allerdings funktionierte die Methode bislang nur bei reinen Salzen zuverlässig, wie das Team berichtet. Salzmischungen aus zwei Komponenten erkannte die auf Einzelwerte trainierte KI hingegen nicht, weil sich deren Tropfenmuster deutlich von den Mustern der jeweiligen Einzelkomponenten unterschied.

Salz auf fremden Planeten und im Blut analysieren

Die neu entwickelte Analyse-Technik könnte künftig für verschiedene Zwecke genutzt werden. Beispielsweise könnte eine Raumsonde auf fremden Planeten wie dem Mars Fotos von Salzkristallen machen und diese mit der KI-Datenbank auswerten lassen. Das wäre deutlich einfacher, als den Rover vor Ort chemische Analysen durchführen zu lassen.

Aber auch für mobile Drogenschnelltests oder kostengünstige Blutanalysen in abgelegenen Regionen auf der Erde könnte die Mustererkennung künftig hilfreich sein, wenn dafür ein Smartphone mit Kamera ausreicht. Dafür reichen theoretisch schon kleinste Probenmengen. Denn um aus den Salzrückständen eines Tropfens auf das Salz zu schließen, seien lediglich einige Milligramm nötig, wie die Chemiker berichten.

Größere Datenmengen sollen die KI-Analyse optimieren

Batista und seine Kollegen wollen nun ihre KI mit einem deutlich größeren Datensatz trainieren, um noch zuverlässigere Ergebnisse zu erhalten. Dabei soll die KI auch lernen, Salzmischungen zu erkennen. Die Hunderttausenden dafür benötigten Salztropfen soll dabei ein Roboter automatisiert erzeugen und fotografieren. Denn im Gegensatz zu einem Menschen ermüdet ein Roboter bei dieser Tätigkeit nicht. „Der Computer wird mit immer mehr Bildern sogar immer besser“, sagt Steinbock. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2024; doi: 10.1073/pnas.2405963121)

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)

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