Gekühlter Schall: Physikern ist es gelungen, Schallwellen in Glasfasern Energie zu rauben und sie bis auf minus 199 Grad abzukühlen – allein durch die Interaktion mit Licht. Möglich wurde dieser Kühleffekt durch die optimierte Kopplung der akustischen Wellen an optische Laserpulse. Dabei überträgt der Schall seine Energie an das Licht und kühlt ab. Dies beseitigt einen großen Teil des akustischen Störrauschens und stärkt die Lasersignale. Das könnte der Quantenkommunikation, aber auch der quantenphysikalischen Grundlagenforschung zugutekommen.
Schall breitet sich normalerweise als Dichtewelle in Luft, Wasser oder anderen Medien aus. Der dabei erzeugte Druck transportiert nicht nur akustische Signale an unser Ohr, er kann auch Objekte zum Schweben bringen und Lichtstrahlen ablenken. Doch im Mikrokosmos lässt sich die Schallausbreitung, beispielsweise in einem Kristall, auch quantenphysikalisch beschreiben. Dabei bilden die akustischen Wellen Quasiteilchen, sogenannte Phononen.
Das Spannende daran: Diese akustischen Phononen können mit elektromagnetischer Strahlung interagieren – beispielsweise in einer Glasfaser oder einem photonischen Kristall. Das kann dazu führen, dass beispielsweise Lasersignale der optischen Kommunikation verstärkt und verbessert werden, kann sie aber auch stören und schwächen.
Wie Licht und Schall Energie austauschen
Entscheidend dafür ist die sogenannte Brillouin-Streuung. Bei dieser Wechselwirkung treten Resonanzeffekte zwischen Schall und Licht auf, durch die akustische Phononen und Lichtwellen Energie austauschen. In der ersten Variante, der sogenannten Stokes-Streuung, gibt das Licht Energie an die akustischen Schwingungen ab und wird so langwelliger und schwächer. Bei der Anti-Stokes-Streuung geschieht das Gegenteil: Das Licht gewinnt Energie von den Phononen hinzu und wird verstärkt, die akustischen Schwingungen werden dadurch kühler und schwächer.
Für die Quantenkommunikation und auch viele quantenphysikalische Experimente wäre es daher günstig, wenn man den akustischen Phononen in den Lichtleitern möglichst viel Energie entziehen könnte – idealerweise bis auf ihren Grundzustand, das niedrigste mögliche Energieniveau. „Doch gerade für kontinuierliche Systeme wie Wellenleiter ist es eine große Herausforderung, hohe Brillouin-Kühlungsraten zu erzielen“, erklären Laura Blázquez Martínez vom Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts und ihre Kollegen. Das Problem: Stokes- und Anti-Stokes-Streuung heben sich meist gegenseitig auf.
Abkühlung der Phononen um 219 Kelvin
Doch jetzt ist es Blázquez Martínez und ihren Kollegen gelungen, diese Hürde zu überwinden. Basis des Versuchs bildete eine rund einen Meter lange Glasfaser aus Germanium-Arsen-Selenid, die auf spezielle Weise geformt war: Ihr lichtleitender Kern ist an den Enden zwölf Mikrometer dick, verengt sich in den mittleren 50 Zentimetern aber auf nur drei Mikrometer. Im Experiment werden infrarote Laserpulse durch diese Faser geleitet, gleichzeitig wird das Glas akustischen Schwingungen von 7,38 Gigahertz ausgesetzt.
Es zeigte sich: Obwohl das Experiment bei Raumtemperatur stattfand und keine Kühlungsmethoden anwendet wurden, sank die Energie der akustischen Phononen drastisch ab – sie wurden gekühlt. Der durch den Versuchsaufbau stimulierte Brillouin-Effekt führte dazu, dass die Schallwelle einen Großteil ihrer Energie an die Laserpulse abgab. Gleichzeitig verringerte sich die Zahl der Phononen in der Messstrecke auf nur noch ein Viertel.
„Die akustischen Phononen werden dadurch um 219 Kelvin abgekühlt und erreichen eine effektive Modentemperatur von 74 Kelvin“, berichtet das Team. Das sei zehnfach stärker als bisher dokumentiert. Die Temperatur der Schallwelle in der Glasfaser sank demnach bis auf etwa minus 199 Grad.
Störrauschen nahe am Minimum
Damit ist es den Physikern gelungen, die Lichtkühlung des Schalls in einer Glasfaser nahe an das erreichbare Optimum heranzubringen. Ihre Methode manipuliert die Brillouin-Streuung so, dass deren Gleichgewicht von Stokes- und Anti-Stokes-Effekt extrem in eine Richtung verschoben ist. Als Folge gewinnen die Laserpulse Energie hinzu, während das akustische Störrauschen im Wellenleiter auf ein Minimum absinkt. Das Resultat kommt dem Ziel, den Quantengrundzustand des Schalls in Wellenleitern zu erreichen, ein großes Stück näher.
Praktische Bedeutung hat dies vor allem für die optische Kommunikation mittels Glasfaser und vor allem die Quantenkommunikation. Denn letztere ist besonders anfällig für Störeffekte wie sie bei Raumtemperatur durch thermisches Störrauschen auftreten. „Wir sind begeistert von den neuen Erkenntnissen – nicht nur aus Sicht der Grundlagenforschung, sondern auch wegen der Anwendungen, die dies in Quantenkommunikationssystemen und zukünftigen Quantentechnologien haben könnte“, sagt Seniorautorin Birgit Stiller vom MPI für die Physik des Lichts. ( Physical Review Letters, 2024, doi: 10.1103/PhysRevLett.132.023603)
Quelle: Max-Planck-Institut für die Physik des Lichts