Verdrehtes Licht: Physiker haben einen bisher nur theoretisch vorhergesagten Effekt in einem optischen Möbiusband nachgewiesen – einem in sich verdrehten Ring aus Licht. Durch Resonanzeffekte entsteht demnach in einem solchen Möbiusband eine zusätzliche Wellenphase, die sogenannte Berry-Phase, begleitet von einer elliptischen Polarisation des Lichts. Wie das Team herausfand, lassen sich diese Eigenheiten gezielt beeinflussen, was den Effekt für die Quantenoptik nutzbar machen könnte.
Ein Möbiusband entsteht beispielsweise, wenn man die Enden eines Papierstreifens um 180 Grad gegeneinander verdreht und wieder miteinander verbindet. Auf den ersten Blick sieht dieses Band ganz normal aus, doch es besitzt nur eine Oberfläche und eine Kante, die Innenseite geht in die Außenseite über. Diese besondere topologische Eigenschaft macht das Möbiusband zu einem mathematisch und künstlerisch spannenden Objekt, aber auch praktisch anwendbar, beispielsweise als Antriebsriemen, um beide Seiten des Riemens gleichmäßig abzunutzen.
Möbiusband aus Licht
Möbiusbänder lassen sich aber auch aus Licht erzeugen, unter anderem durch spezielle, ringförmige Wellenleiter, deren Umfang genau einem Vielfachen der Lichtwellenlänge entspricht. Es kommt dann zu einer Resonanz, durch die die Phasen und die Polarisationsrichtung des Lichts so verschoben und gedreht werden, dass sie ein Möbiusband bilden. Der Strahl muss dabei zwei volle Umrundungen vollführen, bevor er wieder seine Anfangskonfiguration erreicht.
Doch das ist nicht alles: Typisch für ein photonisches Möbiusband ist auch, dass die optischen Resonanzen des Lichtstrahls bei einer ungeraden Vielfachen der halben Wellenlänge entstehen – also bei einer gebrochenen Zahl statt einer ganzen. Praktisch bedeutet dies, dass das Licht in diesem Wellenleiter eine zusätzliche Phase erhält, die rein topologischen Ursprungs ist. Diese sogenannte Berry-Phase wurde schon 2013 vorausgesagt, aber noch nicht experimentell bewiesen.
„Überzählige“ Phase im Ring
Genau dies ist nun Physikern um Jiawei Wang vom Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung (IFW) und der TU Dresden gelungen. Für ihr Experiment nutzten sie mehrere transparente Wellenleiterringe mit wenigen Mikrometer Durchmesser. Einige davon erzeugten Möbiusringe aus Licht, andere waren normale ringförmige Wellenleiter, die die Polarisation des Lichts zwar drehten, aber keinen Möbiuseffekt hervorriefen.
Es zeigte sich: Bei einem bestimmten Verhältnis von Dicke und Breite des Möbius-Wellenleiterrings entsteht tatsächlich ein Möbiusband aus Licht, das die überzählige Berry-Phase aufweist. Dies war an einer ungeraden Zahl der sogenannten Antiknoten im Lichtring erkennbar: Beim Möbiusband waren es 115, beim normalen Lichtring 116. „Wir haben damit in unserem Experiment eine Berry-Phase in einem optischen Möbius-Wellenleiter beobachtet“, so die Forschenden. Anders als zuvor angenommen, treten diese Resonanzen nicht nur bei ungeraden Vielfachen der halben Wellenlänge auf, sondern ganz allgemein bei nicht-ganzzahligen Vielfachen.
Elliptische Polarisation und kontrollierbare Phase
Außerdem beobachteten Wang und sein Team, dass die Polarisation bei einem solchen Licht-Möbiusband von einer linearen in eine elliptische Form überging. Der Grad der Ellipsität in der Polarisation und die Abweichung der Resonanzeffekte im Vergleich zum normalen Ring ließen sich durch die Breite des Wellenleiterrings beeinflussen.
Das aber bedeutet: Die Physiker haben nicht nur eine Berry-Phase in einem Möbiusring nachgewiesen, sie haben auch herausgefunden, dass sie sich gezielt kontrollieren und beeinflussen lässt. „Die Berry-Phase kann im Bereich von π bis 0 frei eingestellt werden, indem man den Querschnitt des Möbius-Wellenleiters verändert“, konstatieren die Forschenden. „Diese programmierbare optische ‚Möbiosität‘ eröffnete neue Möglichkeiten, die Licht-Topologie zu manipulieren.“
Praktische Anwendungen in der Quantenoptik
Anwendungen für solche verdrehten Lichtbänder gibt es unter anderem in der Quantenoptik, in der die Resonanzeffekte der Möbiusbänder als Bits und Quantenbits für die optische Datenverarbeitung dienen können. Auch als Bestandteile von logischen Quantengattern in der Quantenberechnung und -simulation könnten sie genutzt werden. Hinzu kommt: Weil die Wellenleiterringe nur wenige Mikrometer Durchmesser haben, lassen sie sich gut in Mikrochips integrieren, wie die Physiker erklären. (Nature Photonics, 2022; doi: 10.1038/s41566-022-01107-7)
Quelle: Technische Universität Chemnitz