Fahndung nach „Dunklen Bosonen“: Physiker beginnen eine neuartige Suche nach Axionen – den potenziellen Teilchen der Dunklen Materie. Ein jetzt gestartetes „Licht-durch-die-Wand“-Experiment am Deutschen Elektronensynchrotron (DESY) in Hamburg soll sie nachweisen. Mit starken Magnetfeldern bringt es Axionen zur Umwandlung in Photonen und zurück. Geschieht dies, müssten einige Photonen jenseits einer lichtundurchlässigen Wand auftauchen. Der ALPS-Detektor ist das empfindlichste Instrument dieser Art weltweit.
Als inzwischen vielversprechendste Kandidaten für die Teilchen der Dunklen Materie gelten Axionen – hypothetische Teilchen mit extrem geringer Masae, keinem Spin und einer geringen Wechselwirkung mit anderen Teilchen. Ähnlich wie das Higgs-Boson oder die Photonen gehören die Axionen zudem zu den Bosonen, den Trägerteilchen der Grundkräfte. Erste Indizien für die Existenz eines solchen „Dunklen Bosons“ könnten Anomalien in Teilchenbeschleunigern und bei Quantensprüngen geliefert haben. Ein Nachweis steht jedoch noch aus.
Vom Photon zum Axion und zurück
Jetzt nimmt ein neuartiger Detektor die Suche nach den Axionen auf. Das rund 250 Meter lange Experiment ALPS II (Any Light Particle Search) wurde von einer internationalen Forschungskollaboration am DESY in Hamburg aufgebaut und vor wenigen Tagen in Betrieb genommen. Das Experiment nutzt ein ähnliches Messprinzip wie die sogenannten Haloskope – Detektoren, die Axionen aufgrund ihrer Wechselwirkung mit elektromagnetischen Feldern aufspüren sollen.
Der Nachweis basiert auf der theoretisch postulierten Fähigkeit der Axionen, sich unter Einfluss starker Magnetfelder in Photonen umzuwandeln. Umgekehrt können auch Photonen unter solchen Bedingungen zu Axionen werden. Das wiederum bedeutet, dass diese Lichtteilchen dank ihrer Umwandlung in Axionen selbst lichtundurchlässige Wände durchqueren müssten – und genau dies soll das Experiment ALPS II für den Nachweis der Teilchen nutzen.
Durch die Wand
Konkret besteht das Experiment aus zwei 120 Meter langen Vakuumrohren, die von jeweils zwölf hintereinander liegenden supraleitenden Magneten umschlossen werden. Jeder dieser Magnete ist neun Meter lang und erzeugt ein Magnetfeld von 5,3 Tesla – mehr als das 100.000-Fache des Erdmagnetfelds. Ursprünglich waren diese Hochleistungsbauteile im Protonenring des HERA-Beschleunigers verbaut. Für das ALPS-Projekt wurden sie geradegebogen, angepasst und erfuhren so eine Art Upcycling.
Im ersten Vakuumrohr erzeugen Laser ein intensives Licht, dessen Photonen durch spezielle Spiegel hin und her reflektiert werden. Wenn sich nun in diesem optischen Resonator ein Photon in ein Axion umwandelt, kann es eine Barriere am Ende des Rohres passieren und in das zweite Vakuumrohr hinüberfliegen. Auch dieses ist ein optischer Resonator. Wenn sich nun das Axion unter dem Einfluss des dortigen Magnetfelds zurück in ein Lichtteilchen verwandelt, müsste ein hochsensibler Photodetektor dies registrieren.
„Einen Pasch mit 33 Würfeln“
Die Kombination von Magnetfeld und Resonator erhöht die Wahrscheinlichkeit für eine solche Rück-Umwandlung des Axions in ein Photon um das Zehntausendfache. Der Lichtdetektor von ALPS II ist zudem so empfindlich, dass er selbst ein einzelnes Lichtteilchen nachweisen kann. Auch die Präzision des Spiegelsystems für das Licht ist rekordverdächtig: Der Spiegelabstand darf relativ zur Wellenlänge des Laserlichts höchstens um den Bruchteil eines Atomdurchmessers variieren.
Das „Licht-durch-die-Wand“-Experiment ist damit der bisher sensibelste Axionen-Detektor dieser Art. „Das Ergebnis ist ein Experiment mit einem einzigartigen Entdeckungspotenzial für Axionen“, sagt DESY-Physiker Andreas Ringwald. Allerdings: „Die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Photon in ein Axion und wieder zurückverwandelt, ist trotz all unserer Techniktricks sehr klein – vergleichbar damit, dass man gleichzeitig mit 33 Würfel einen Pasch wirft“, sagt Projektleiter Axel Lindner vom DESY, Sprecher der ALPS-Kollaboration.
Erste Ergebnisse schon 2024 erwartet
Die Suche nach Axionen mit ALPS II beginnt nun zunächst in einem reduzierten Betriebsmodus, in dem die Suche nach Störlicht vereinfacht wird, das die Anwesenheit von Axionen vortäuschen könnte. In der zweiten Jahreshälfte 2023 soll das Experiment dann die volle Sensitivität erreichen. Für 2024 ist bereits eine Verbesserung des Spiegelsystems vorgesehen, außerdem kann später ein alternatives Lichtdetektorsystem installiert werden. Mit ersten Veröffentlichungen der Ergebnisse aus ALPS-Messungen rechnen die Forschenden für das Jahr 2024.
Selbst wenn wir mit ALPS keine leichten Teilchen finden sollten, werden wir mit dem Experiment die Ausschlussgrenzen für superleichte Teilchen um den Faktor 1.000 verschieben“, sagt Lindner. Auch für die Zeit nach der Axionensuche haben die Physiker schon Pläne. Sie wollen mit ALPS beispielsweise herausfinden, ob ein Magnetfeld die Ausbreitung des Lichts in Vakuum beeinflusst, wie von Euler und Heisenberg vorhergesagt. Auch zum Nachweis hochfrequenter Gravitationswellen könnte der experimentelle Aufbau weiterverwendet werden.
Quelle: Deutsches Elektronen-Synchrotron DESY