Exotische Partikel: Physikern ist der erste Nachweis einer neuen Form von Quantenteilchen gelungen. Diese fraktionalen Excitonen tragen gebrochenzahlige Elementarladungen und passen in ihrem Verhalten in keine der beiden Hauptklassen der Elementarteilchen – sie verhalten sich wie eine Mischform aus Bosonen und Fermionen, wie die Forschenden in „Nature“ berichtet. Entdeckt haben sie diese neue Klasse von Quantenteilchen durch Experimente mit doppellagigem Graphen.
Excitonen entstehen, wenn ein Halbleitermaterial durch Energiezufuhr angeregt wird und Elektronen ihre Position wechseln. Dabei verbinden sich jeweils ein Elektron und eine positiv geladene Leerstelle zu einem Quasiteilchen, das sich durch das Material bewegen kann – einem Exciton. Typisch für sie ist eine ganzzahlige Elementarladung, die Fähigkeit zur Bildung eines Bose-Einstein-Kondensats und ein entweder gleicher oder entgegengesetzter Spin von Elektron und Loch. Letztere gelten als „dunkle Excitonen„.
Gibt es fraktionale Excitonen?
Doch eine Form der Excitonen blieb bisher unentdeckt: die sogenannten fraktionalen Excitonen. Bei diesen paarigen Quasiteilchen tragen die beiden Einzelkomponenten anders als normal keine ganzzahlige Elementarladung, sondern nur einen Bruchteil davon. Modellen zufolge könnten diese exotischen Quasipartikel durch eine spezielle Form des Quanten-Hall-Effekts entstehen. Bei diesem erzeugen tiefe Temperaturen und starke Magnetfelder solche fraktionalen Excitonen in zweidimensionalen Halbleitermaterialien – so die Theorie.
„Doch trotz zahlreicher theoretischer Vorhersagen dieser fraktionalen Excitonen ist ihre experimentelle Beobachtung zuvor nicht gelungen“, erklären Naiyuan Zhang von der Brown University in Rhode Island und seine Kollegen. Sie haben daher erneut nach den exotischen Teilchen gesucht – mithilfe von Graphen.
Endlich nachgewiesen
Für ihr Experiment nutzten sie zwei Lagen dieses zweidimensionalen Kohlenstoffmaterials, die durch eine isolierende Schicht aus hexagonalem Bornitrid getrennt waren. Beide Schichten sind mit Elektroden verbunden und bilden jeweils eigene Stromkreise. Dieses „Graphen-Sandwich“ wurde dann heruntergekühlt und starken Magnetfeldern ausgesetzt. Diese Bedingungen erzeugten wie erhofft einen fraktionalen Quanten-Hall-Effekt – die Voraussetzung für die gesuchten fraktionalen Excitonen.
Und tatsächlich: Wie die Physiker feststellten, entstanden im doppellagigen Graphen neuartige Quasiteilchen, deren Verhalten und Merkmale zu den theoretisch postulierten fraktionalen Excitonen passten. „Wir zeigen damit, dass diese Excitonen im fraktionalen Quanten-Hall-Regime tatsächlich existieren“, schreiben Zhang und sein Team. Wie theoretisch vorhergesagt, weisen die Einzelkomponenten dieser neuartigen Quasiteilchen nur Bruchteile der normalen Elementarladung auf.
Überraschend nicht-bosonisches Verhalten
Interessanterweise konnten die Physiker aber gleich zwei verschiedene Sorten dieser neuartigen Quasiteilchen nachweisen. „Wir haben zwei neue Quantenzustände der Materie entdeckt“, schreiben sie. Die erste Klasse der fraktionalen Excitonen verhält sich wie Bosonen – Kraftteilchen, von denen mehrere im gleichen Zustand am selben Ort sein können. Im Grundzustand bilden diese fraktionalen Excitonen ähnlich wie ihre „normalen“ ganzzahligen Gegenparts ein Bose-Einstein-Kondensat, wie Zhang und sein Team beobachteten.
Deutlich ungewöhnlicher ist jedoch die zweite neuentdeckte Klasse von fraktionalen Excitonen: Diese Quasiteilchen verhalten sich nicht wie Bosonen, sondern weisen nicht-bosonische Merkmale auf, wie das Experiment enthüllte. „Dieses unerwartete Verhalten deutet darauf hin, dass diese Excitonen eine ganz neue Form von Teilchen mit einzigartigen Quanteneigenschaften darstellen könnten“, erklärt Zhang. „Das ist eine Herausforderung für das gängige Modell bosonischer Excitonen.“
„Ganz neuer Bereich der Quantenzustände“
Damit haben die Physiker nicht nur die zuvor nur theoretisch postulierten fraktionalen Excitonen nachgewiesen – sie haben auch aufgedeckt, dass diese Quasiteilchen unerwartete und neuartige Eigenheiten aufweisen können. „Dies ist das erste Mal, dass wir diese Art von Teilchen experimentell nachgewiesen haben. Damit haben wir einen ganz neuen Bereich der Quantenzustände der Materie erschlossen“, sagt Seniorautor Jia Li von der Brown University.
Nach Ansicht des Teams bietet ihre Entdeckung nun die Chance, diese neuen exotischen Zustände näher zu erforschen und so auch fundamentale physikalische Phänomene besser zu verstehen. „Wir haben gerade erst die Oberfläche dieser neuen Dimension der Quantenphänomene angekratzt“, sagt Li. „Jetzt müssen wir tiefer ergründen, was daraus folgt.“ (Nature, 2025; doi: 10.1038/s41586-024-08274-3)
Quelle: Brown University