Physik

Paradox: Auch Licht wirft einen Schatten

Laserexperiment enthüllt erstmals überraschenden physikalischen Effekt

Schatten eines Lasers
Der feine dunkle Strich auf dem blau angestrahlten Kristallblock ist der von einem Laserstrahl erzeugte Schatten bisher galt so etwas als unmöglich. © Abrahao, Morin, Pagé, Safari, Boyd, Lundeen

Verkehrte Welt: Ein Laserexperiment enthüllt erstmals, dass auch Licht einen Schatten werfen kann – bisher galt ein solcher Effekt als unmöglich. Die deutlich erkennbare dunkle Schattenspur entsteht durch einen grünen Laserstrahl, in dessen Pfad das blaue Licht eines zweiten Lasers absorbiert wird, wie die Physiker berichten. Verblüffend auch: Hält man ein Objekt in den Schatten, folgt dieser dessen Konturen genauso wie ein normaler Schatten. Doch was steckt dahinter?

Licht ist ein ganz besonderes Phänomen, denn es ist eine Strahlung, besteht aber gleichzeitig aus Teilchen. Diese sind masselos, tragen keine Ladung und wechselwirken zwar mit Materie, nicht aber untereinander. Denn als Trägerteilchen der elektromagnetischen Kraft können Photonen zur selben Zeit am selben Ort sein. Kreuzen sich zwei Lichtstrahlen, passiert daher unter normalen Bedingungen nichts: Sie lenken sich nicht ab, blockieren sich nicht und bremsen sich nicht aus.

Laserstrahl erzeugt dunkle Schattenspur

Umso erstaunlicher ist ein Phänomen, das nun Physiker um Raphael Abrahao vom Brookhaven National Laboratory in den USA beobachtet haben. In ihrem Experiment haben sie zwei Laserstrahlen so kombiniert, dass einer einen Schatten im Strahl des anderen hinterlässt. „Der Laserstrahl verhält sich dabei wie ein Objekt: Wenn er von einer zweiten Lichtquelle angestrahlt wird, wirft er einen Schatten auf eine Oberfläche“, berichten die Forscher.

Der „Lichtschatten“ erscheint im Experiment als deutlich sichtbare dunkle Linie auf der Oberfläche eines angestrahlten Kristalls. „Dieser Laserschatten erfüllt dabei sechs eindeutige Kriterien, die normale Schatten von anderen, oberflächlich ähnlich aussehenden Phänomenen unterscheiden“, erklären Abrahao und seine Kollegen. So ist der Schatten beispielsweise beweglich: Halten die Forscher einen dünnen runden Stab in den Schatten, wölbt sich der Schatten sich an dieser Stelle entsprechend der Rundung des Stabes.

„Dieser aller Intuition widersprechende optische Effekt legt nahe, dass wir unsere Vorstellung vom Wesen eines Schattens revidieren müssen – unter den richtigen Umständen kann selbst ein Laserstrahl eine Schatten werfen“, konstatieren die Physiker.

Aufbau des Experiments
Der Aufbau des Versuchs. Benötigt werden nur zwei Laser und ein Rubinkristall. © Abrahao, Morin, Pagé, Safari, Boyd, Lundeen

Nötig sind nur zwei Laser und ein Rubin

Erstaunlich auch: Für diesen paradoxen Schatteneffekt sind keine exotischen Materialien oder aufwendige Apparaturen nötig. Das Experiment besteht nur aus zwei Lasern und einem Rubinkristall. Als Beleuchtung dient ein breiter, blauer Laserstrahl von 450 Nanometer Wellenlänge, der auf den würfelförmigen Rubinkristall gerichtet ist. Quer dazu strahlt ein dünner, intensiv grüner Laser mit 532 Nanometer Wellenlänge durch den Kristall. Das resultierende Licht hinter dem Kristall wird auf ein Blatt Papier projiziert und parallel von einer Kamera aufgenommen.

Als Resultat erscheint auf dem Paper beziehungsweise im Kamerabild eine klar erkennbare Schattenspur. Ihre Form, Breite und Position entspricht exakt der Bahn des grünen Laserstahls durch den Rubinkristall. Weitere Tests ergaben, dass die Lichtabsorption des Schattens mit der Intensität des grünen Lasers zunimmt. Ist dieser optimal eingestellt, schluckt der Schatten etwa 22 Prozent des einstrahlten Lichts – ähnlich viel wie der Schatten eines Baums an einem sonnigen Tag, wie das Team erklärt.

Welche Physik steckt dahinter?

Doch was steckt physikalisch hinter diesem Laserschatten? Wie die Physiker erklären, kommt er durch einen nichtlinearen optischen Effekt im Rubinkristall zustande. Die Energie des grünen Laserstrahls regt die Elektronen im Kristallgitter an und bringt sie vom Grundzustand in ein höheres Energieniveau. Wenn dann das blaue Licht auf den Kristall trifft, interagiert dieses mit Polartonen – Quasiteilchen, die durch diese Anregung im Atomgitter entstehen.

„Streng genommen ist es daher nicht das masselose Licht, das diesen Schatten erzeugt, sondern sein materielles Gegenstück, das Polariton“, schreiben Abrahao und seine Kollegen. Anders als andere ‚Quasiteilchen‘ sind diese Polaritonen aber keine Materieteilchen, sondern ähneln eher Photonen, denen die Kopplung an das angeregte Kristallgitter eine virtuelle Masse verleiht. Dies ermöglicht es den Polaritonen, mit dem einfallenden blauen Licht zu wechselwirken.

Lichtschatten könnte nützlich sein

„Diese Entdeckung erweitert unser Verständnis der Interaktion von Licht und Materie“, sagt Abrahao. „Gleichzeitig eröffnet sie die Möglichkeit, Licht auf ganz neue Art zu nutzen.“ So könnte der Schatteneffekt beispielsweise in optischen Schaltern hilfreich sein, aber auch in Technologien, in denen eine besonders präzise Kontrolle der Lichtübertragung nötig ist, wie bei der Lithografie und bestimmten Hochleistungslasern.

Im nächsten Schritt wollen die Physiker erkunden, mit welche anderen kristallinen Materialien und Laserwellenlängen sich der Schatteneffekt noch erzeugen lässt. (Optica, 2024; doi: 10.1364/OPTICA.534596)

Quelle: Optica

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