Physik

Physiker erzeugen ersten Zeit-Quasikristall

Angeregter Diamant wird zu einem Quasikristall in der Zeit statt im Raum

angeregter Diamant
Durch Mikrowellenbestrahlung und Gitterfehlstellen wird ein Diamant zum schwingenden Zeit-Quasikristall. © Washington University in St. Louis/ Chong Zu Lab

Geordnet, aber nicht gleichmäßig: Physiker haben erstmals einen Diamanten zum Zeit-Quasikristall gemacht. Seine Gitterfehlstellen schwingen in der für Quasikristalle typischen Ordnung – aber in der Zeit statt im Raum. Dadurch entstehen sich überlagernde Vibrationen im Diamanten, deren komplexes Muster musikalischen Akkorden ähnelt. Der neue Zeit-Quasikristall erweitert damit die Palette der Zeitkristall-Phänomene – und könnte vielleicht sogar nützlich sein.

Normale Kristalle sind durch die regelmäßige, symmetrische Gitterstruktur ihrer Grundbausteine gekennzeichnet. Doch es gibt Materialien, bei denen eine solche Ordnung nicht räumlich, sondern zeitlich auftritt – sie zeigen eine regelmäßige Zustandsveränderung in der Zeit. Solche Zeitkristalle „ticken“, indem beispielsweise die Spins ihrer Atome in einem festen Takt umklappen. Dieses Schwingen beginnt typischerweise, nachdem die Zeitkristalle durch Strahlenpulse angeregt wurden.

Zeitkristall
Zeitkristalle bilden ihr geordnetes Muster in periodisch wiederkehrenden Intervallen. © Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme

Diamantgitter mit Fehlstellen

Jetzt ist es Physikern gelungen, ein weiteres Kristallphänomen in die zeitliche Dimension zu übertragen: Quasikristalle. In solchen Festkörpern sind die Atome zwar geordnet, bilden aber kein regelmäßiges Kristallgitter aus immergleichen Grundeinheiten. Stattdessen wechseln sich Bereiche verschiedener Symmetrie ab – ähnlich wie die Fünfecke und Sechsecke eines klassischen Fußballs. Das Team um Guanghui He von der Washington University in St. Louis wollte wissen, ob sich diese Form der Ordnung auch in Form eines Zeitkristalls realisieren lässt.

Die Basis des Experiments bildete ein wenige Millimeter kleiner Diamantkristall. Durch Beschuss mit Stickstoffatomen schlugen die Physiker Kohlenstoffatome aus dem Diamantgitter heraus und erzeugten stattdessen sogenannte NV-Fehlstellen – Stickstoff-Fremdatome mit einem benachbarten „Loch“ im Diamantgitter. Aus früheren Studien ist bekannt, dass sich die Spins solcher Fehlstellen gezielt manipulieren lassen. Sie eigenen sich daher als Quantenbits oder auch als Quantensensor.

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Vibration in geordneten Rhythmen

Um aus einem solchen Diamanten einen Zeit-Quasikristall zu machen, regten die Physiker die NV-Fehlstellen durch Bestrahlung an: „Wir haben Mikrowellenpulse verwendet, um die rhythmischen Schwingungen in Gang zu bringen“, erklärt Koautor Bingtian Ye von der Harvard University. Tatsächlich enthüllten Analysen, dass die Spins der Diamant-Fehlstellen dadurch zu vibrieren begannen.

Anders als bei normalen Zeitkristallen ähnelten die Schwingungen im Diamanten aber nicht dem regelmäßigen Ticken einer Uhr. Stattdessen vibrierten die Spins im Kristallgitter in einem geordneten, sehr präzisen Rhythmus, der aber gleichmäßig war. Durch die Überlagerung verschiedener Schwingungsmuster traten zudem subharmonische Peaks in den Frequenzmessungen auf. Zusammen ergab dies ein komplexes, aber hochgeordnetes Muster – einen zeitlichen Quasikristall.

Erster Quasikristall in der Zeit

„Unseres Wissens nach sind wir die erste Gruppe, die einen echten Zeit-Quasikristall erzeugt hat“, sagt He. „Das ist ein ganz neuer Zustand der Materie.“ Nach Ansicht der Physiker erweitern solche Quantensysteme das Spektrum der Zeitkristalle und eröffnen gleichzeitig neue Möglichkeiten, um das Phänomen von Symmetriebrüchen in Zeit und Raum zu erforschen.

Langfristig gesehen könnten Zeit-Quasikristalle aber auch nützlich sein: „Solche Plattformen zu erkunden, könnte den Weg für praktische Anwendungen ebenen“, schreiben He und sein Team. Die schwingenden Quasikristalle könnte beispielsweise als Quantensensoren fungieren oder auch als Quantenspeicher. „Noch sind wir von solchen Anwendungen weit entfernt, aber den Zeit-Quasikristall zu erschaffen, war dafür ein wichtiger erster Schritt“, sagt Hes Kollege Chong Zu. (Physical Review X, 2025; doi: 10.1103/PhysRevX.15.011055)

Quelle: Washington University in St. Louis

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