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Physik

Physiker erzeugen schwersten Antimaterie-Kern

Erster Nachweis von Antihyperwasserstoff-4 im US-Teilchenbeschleuniger RHIC

Antihyperwasserstoff-4
Physiker am RHIC-Teilchenbeschleuniger in den USA haben den schwersten jemals nachgewiesenen Antimaterie-Atomkern erzeugt – Antihyperwasserstoff-4. © Institute of Modern Physics (IMP)

Antimaterie-Rekord: Physiker haben erstmals Antihyperwasserstoff-4 erzeugt und nachgewiesen – den schwersten bisher bekannten Antimaterie-Atomkern. Dieser Kern besteht aus einem Antiproton, zwei Antineutronen und einem exotischen Anti-Hyperon. Sein Nachweis im US-Teilchenbeschleuniger RHIC bietet neue Chancen, nach der noch ungeklärten Ursache für die Asymmetrie von Materie und Antimaterie zu suchen. Bei der Zerfallszeit des Antihyperwasserstoff-4 wurde das Team aber noch nicht fündig, wie es in „Nature“ berichtet.

Obwohl beim Urknall gleiche Mengen Materie und Antimaterie entstanden, dominiert im heutigen Universum die Materie – aber warum? Eine Möglichkeit wären subtile Unterschiede in den Merkmalen von Teilchen und ihren Antiteilchen – eine Asymmetrie. Doch bisher suchen Physiker vergeblich nach einer solchen Symmetrieverletzung. Weder bei einfachen Antiteilchen wie dem Positron oder Anti-Proton noch bei Anti-Atomen wie dem Antiwasserstoff oder Antihelium zeigten sich signifikante Unterschiede zur normalen Materie.

Allerdings ist die Auswahl an Antimaterie-Versuchsobjekten begrenzt: Seit dem ersten Nachweis des Positrons im Jahr 1932 haben Physiker erst neun verschiedene Antimaterie-Atombausteine und -Atomkerne entdeckt – und keiner davon war schwerer als Antihelium-4, ein Atomkern aus zwei Anti-Protonen und zwei Anti-Neutronen.

STAR-Detektor amn RHIC
Ansicht des STAR-Detektors am RHIC-Teilchenbeschleuniger (links) und Beispiel-Teilchenspuren nach einer Goldkern-Kollision. © Joe Rubino, Jen Abramowitz/ Brookhaven National Laboratory

Drei normale Kernbausteine und ein schwerer Exot

Jetzt ist ein zehntes Antiteilchen dazu gekommen – der bisher schwerste Antimaterie-Kern. Dieser sogenannte Antihyperwasserstoff-4 besteht aus zwei Antineutronen, einem Antiproton und als viertem Kernbaustein einem Anti-Hyperon. Letzteres ist die Antimaterie-Entsprechung des exotischen Hyperons, einem Kernbaustein, bei dem eines der drei in allen Materiebausteinen vorhandenen Up- und Down-Quarks durch ein schwereres Strange-Quark ersetzt ist.

Das Anti-Hyperon ist durch das exotische Strange-Antiquark schwerer als normale Antiprotonen und Antineutronen, aber gleichzeitig auch noch instabiler und kurzlebiger, was seinen Nachweis besonders schwierig macht. Um diesen schweren Antimaterie-Kern aufzuspüren, mussten Physiker der STAR-Kollaboration die Daten von mehr als sechs Milliarden Kollisionen schwerer Atomkerne auswerten. Diese wurden im US-Beschleunigerring des Relativistic Heavy Ion Collider (RHIC) am Brookhaven National Laboratory (BNL) mit 99,96 Prozent der Lichtgeschwindigkeit aufeinander geschossen.

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Stecknadel im Heuhaufen

„Es purer Zufall, dass bei diesen RHIC-Kollisionen die vier Bausteine dieses Antihyperwasserstoffs manchmal nah genug beieinander entstehen, um sich zu diesem Antimateriekern zu verbinden“, erklärt STAR-Sprecher Lijuan Ruan vom BNL. Entsprechend selten kommt dies vor. Erschwerend kommt hinzu, dass der Antihyperwasserstoff-4 schon nach wenigen Zentimetern Flug zerfällt – er teilt sich in einen Antihelium-4-Kern und ein positiv geladenes Pion. Das Problem jedoch: Bei den Atomkernkollisionen im RHIC entstehen Pionen auch durch andere Zerfälle.

„Das Entscheidende ist es daher, die Pionen zu finden, deren Flugbahn sich mit denen der Antihelium-4-Kerne kreuzt und die bestimmte Merkmale aufweisen“, erklärt Ruan. Durch aufwendige, computergestützte Analysen müssen daher alle Flugbahnen der im STAR-Detektor eingefangenen Pionen rekonstruiert und mit denen der Antihelium-Teilchen abgeglichen werden. Von Milliarden Kollisionen blieben am Schluss nur wenige Kandidaten übrig: „Wir haben das Signal von 24 Hyperwasserstoff-4- und 16 Antihyperwasserstoff-4-Kernen identifiziert“, berichten die Physiker.

Antihyperwasserstoff-4 im Vergleichstest

Damit haben die Physiker der STAR-Kollaboration jetzt die zehnte und schwerste Sorte von Antimaterie-Atomkernen nachgewiesen – den Antihyperwasserstoff-4. Ihnen steht nun ein weiteres Antiteilchen zur Verfügung, um nach dem Grund für die Asymmetrie von Materie und Antimaterie zu suchen. „Wenn wir die Symmetrieverletzung finden wollen, ist der Nachweis weiterer Antimaterie-Teilchen der erste Schritt“, erklärt Hao Qiu von der STAR-Kollaboration. „Das ist auch die Logik hinter unserer Studie.“

Einen ersten Vergleichstest haben die Physiker mit den Antihyperwasserstoff bereits durchgeführt: Sie haben die Lebensdauer von Hyperwasserstoff-4 und Antihyperwasserstoff-4 verglichen. Das Ergebnis: Die Materieversion zerfällt im Schnitt nach rund 188 Pikosekunden, die Antimaterieversion nach 170 Pikosekunden. Die Fehlerspanne umfasst jedoch bei beiden über 30 Pikosekunden – und ist daher größer als die Unterschiede.

(Noch) keine signifikanten Unterschiede

Das Team kommt deshalb zu dem Schluss, dass sich die Zerfallszeit der beiden exotischen Atomkerne nicht signifikant unterscheiden kann: „Innerhalb der Unsicherheiten entsprechen die Werte einem Unterschied von Null“, so die Physiker. Bei einem anderen, weit einfacheren und leichteren Teilchen, dem D0-Meson, wurden im Jahr 2019 jedoch signifikante Unterschiede in der Zerfallszeit entdeckt. Allerdings reicht ein solcher Nachweis bei nur einem Teilchen nicht aus, um darin die Ursache für die Asymmetrie von Materie und Antimaterie zu sehen.

Die Physiker der STAR-Kollaboration sehen daher in ihrem Resultat eher eine Bestätigung dafür, dass sich Materie und Antimaterie in der Lebensdauer nicht fundamental unterscheiden. Dies bestätige theoretische Modelle, sei aber auch „ein großer Fortschritt in der experimentellen Erforschung der Antimaterie.“ Im nächsten Schritt planen sie nun, auch die Masse von Hyperwasserstoff-4 und Antihyperwasserstoff-4 zu vergleichen.

(Nature, 2024 doi: 10.1038/s41586-024-07823-0)

Quelle: DOE/ Brookhaven National Laboratory

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