Physik

Physiker machen „Quantenfunken“ sichtbar

Lichteffekt erlaubt erste direkte Beobachtung tunnelnder Elektronen

Tunnelstrom mit Lichtemission
Wenn Elektronen zwischen dem vordersten Atom einer Metallspitze und einer Probe hin- und hertunneln, erzeugt dies eine charakteristische Licht-Emission – einen Quantenfunken. Ihn haben Physiker jetzt erstmals nachgewiesen. © Brad Baxley

Funkensprung im Atommaßstab: Physiker haben erstmals beobachtet, wie ein winziger Lichtfunke von einem Atom zum anderen überspringt – in weniger als einer Billionstel Sekunde. Damit ist es ihnen erstmals gelungen, eine Quantenversion des Funkenexperiments von Heinrich Hertz nachzuweisen – und Elektronen beim Tunneln einzufangen. Dies eröffnet neue Möglichkeiten, in bisher nicht auflösbare Maßstäbe der Mikroskopie und Atombeobachtung vorzudringen, wie das Team in „Nature“ berichtet.

Vor fast 150 Jahren beobachtete Heinrich Hertz, wie ein Funke zwischen zwei geladenen Metallkugeln übersprang und dabei einen zweiten Funken zwischen zwei nicht verbundenen, ein Stück entfernten Metallkugeln auslöste – offenbar gab es eine drahtlose Übertragung von elektromagnetischen Wellen. Dies revolutionierte die Kommunikationstechnik und lieferte die Basis für Radio und Funk.

Hertzsches Experiment
Das Experiment von Heinrich Hertz: Ein in einem elektrischen Stromkreis zwischen zwei Metallkugeln erzeugter Funke erzeugt elektromagnetische Wellen, die zwei entfernte Metallkugeln ebenfalls zum Funken bringen. © DMGualtieri/ CC-by-sa 3.0

Einen ganz ähnlichen Prozess gibt es auch im atomaren Maßstab: Auch dort können Interaktionen von Elektronen eine Art Funken zwischen zwei Atomen überspringen lassen – so die Theorie. Doch einen solchen extrem kurzen und kleinen Quantenfunken zu beobachten, ist alles andere als leicht. „Die Hertzsche Emission von einer Handvoll Elektronen pro Schwingungszyklus des Lichts nachzuweisen, klang zunächst wie Mission Impossible“, sagt Erstautor Tom Siday von der Universität Regensburg.

Mit atomfeiner Spitze und Terahertz-Pulsen

Um dies zu schaffen, benötigt man eine Methode, die sowohl räumlich wie zeitlich eine extrem hohe Auflösung hat. Dafür entwickelten die Physiker um Siday ein spezielles Mikroskop, das die präzise Ortsauflösung eines Rastersondenmikroskops mit einer rein optischen Signalmessung kombiniert. „Elektronik ist phänomenal empfindlich, aber zu langsam, um den lichtwellengetriebenen Quantenfunken direkt zu verfolgen. Deshalb muss man die Schwingungen des emittierten Lichts direkt beobachten“, erklärt Seniorautor Rupert Huber von der Universität Regensburg.

Konkret besteht das NOTE – Near-Field Optical Tunnelling Emission – getaufte Verfahren aus einer atomar feinen Metallspitze, ähnlich wie bei einem Rastertunnelmikroskop. Diese wird dicht an die Atome an der Oberfläche der Probe herangeführt. Dann wird der nur wenige Atombreiten große Spalt dazwischen mit ultrakurzen Pulsen von Terahertzstrahlung beschossen. „Die optische Interaktion zischen Spitze und Probe verrät sich in der Amplitude, Wellenlänge und Phase des weggestreuten Lichts“, erklärt das Team.

Nichtklassisches Signal bei überlappenden Orbitalen

Als die Physiker die Mikroskopspitze so dicht an die Probe heranbrachten, dass sich die Elektronenorbitale der Atome auf beiden Seiten zu überlappen begannen, zeigte sich etwas Ungewöhnliches. „Dann erscheint ein nichtklassisches Signal“, berichten Siday und Huber. „Dieses stammt von einem Emissionsprozess, der durch die zwischen Spitze und Probe tunnelnden Elektronen verursacht wird.“

Anders ausgedrückt: Ihre quantenphysikalische Wellennatur erlaubt es den Elektronen, ihre Aufenthaltswahrscheinlichkeit von der Spitze zum Probenatom und umgekehrt zu verlagern. In unsere Welt übertragen wäre dies, als würde eine Person gleichzeitig auf beiden Seiten einer Tür stehen. Dieses Tunneln wiederum bewirkt eine optische Reaktion – den nichtklassischen „Quantenfunken“.

„Quantenfunke“ macht das Tunneln sichtbar

Das Tunneln der Elektronen verändert das oszillierende elektrische Feld der eingestrahlten Terahertzstrahlung – es erzeugt damit eine Art Quantenversion des Hertzschen Funkens. „Die Geburtsstunde von NOTE schlug, als wir zeigen konnten, dass die ein- und auslaufenden Lichtwellen um ein Viertel der Oszillationsperiode zeitlich verschoben waren – in unserem Experiment nur ein Viertel einer Billionstel Sekunde“, erklärt Sidays Kollege Johannes Hayes.

Dank dieser Entdeckung kann man Materiewellen auf atomaren Längenskalen in Zeitlupe fließen sehen, wie die Physiker erklären. Damit eröffne NOTE völlig neue Einblicke in die Quantenbewegung von Elektronen – quasi einen Kommunikationskanal zum Nanokosmos. Denn erstmals wird es mit diesem Verfahren möglich, Vorgänge auf Längenskalen einzelner Atome und auf Zeitskalen von weniger als einer Billionstel Sekunde direkt optisch zu beobachten.

Weitreichende Bedeutung

„Dieser experimentelle Ansatz repräsentiert einen signifikanten Fortschritt in der Beobachtung ultraschneller Dynamiken auf atomarer Ebene und dürfte weitreichende Bedeutung haben“, kommentiert der nicht an der Studie beteiligte Physiker Shunsuke Sato von der Universität Tsukuba. NOTE könnte mehrere offene Fragen in der Grundlagenforschung klären, aber auch nützlich für die Datenverarbeitung und Datenspeicherung der Zukunft werden. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-07355-7)

Quelle: Universität Regensburg

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