Exotischer Effekt: Gängiger Theorie nach dürften Paare aus zwei Omega-Baryonen – Teilchen aus je drei schweren Quarks – nur schwach aneinander gebunden sein. Doch Simulationen legen nun nahe, dass dies für eines dieser exotischen Doppelteilchen nicht gilt: Baryonen-Paare mit je drei Bottom-Quarks besitzen eine weit höhere Bindungsenergie als erwartet. Das wirft ein neues Licht auf die Wirkung der starken Kernkraft in solchen Kombi-Teilchen und auch auf die Natur der exotischen Hexaquarks.
Alle Atomkerne bestehen aus Baryonen –Teilchen aus je drei Quarks, wie beispielsweise die Kernbausteine Proton und Neutron. Die Wechselwirkungen solcher Baryonen zu verstehen, ist daher von fundamentaler Bedeutung für die Teilchenphysik, das Verständnis der starken Kernkraft, aber auch die Kosmologie. Die einfachste Möglichkeit, diese Interaktionen zu erforschen, bieten Dibaryonen – Paare aus jeweils zwei solcher Quark-Dreierkombinationen.
Wechselwirkungen der Baryonen auf der Spur
Das Problem jedoch: Das einzige stabile Dibaryon ist das Deuteron – der Kern des schweren Wasserstoff-Isotops Deuterium mit einem Proton und einem Neutron. „Basierend auf der Theorie der starken Kernkraft müsste es in der Natur aber noch mehr Dibaryonen geben, vor allem solche aus schweren Quarks und Strange-Quarks“, erklären Nilmani Mathur vom Tata Institut für Grundlagenforschung in Mumbai und seine Kollegen.
Weil diese schweren Dibaryonen aber nur Sekundenbruchteile lang existieren, lassen sie sich bisher nicht experimentell untersuchen. Physiker versuchen ihren Merkmalen daher über Simulationen im Rahmen der sogenannten Gittereichtheorien auf die Spur zu kommen. Dabei wird auf Basis der Quantenchromodynamik in Supercomputern nachvollzogen, wie die Baryonen auf Quantenfeldebene miteinander interagieren.
Doppelpack von je drei Bottom-Quarks
Als besonders gut geeignet für solche Grundlagen-Tests gelten dabei sogenannte Omega-Dibaryonen – Paare aus zwei Baryonen mit jeweils drei gleichen schweren Quarks – Bottom- oder Strange-Quarks. Erste theoretische Modelle legen nahe, dass solche Paare sich gegenseitig abstoßen müssten und daher nur sehr schwach gebunden oder sogar gar nicht gebunden existieren können.
„Allerdings gab es auch einige Gitterstudien zu schweren Tetraquarks und Dibaryonen, nach denen solche Systeme durchaus stark gebunden sein können“, erklären Mathur und seine Kollegen. Für ihre Studie haben die Physiker daher die erste Gittereich-Simulation mit Omega-Baryonen aus jeweils drei Bottom-Quarks (D6b) durchgeführt. Es ist die erste Untersuchung dieser Art an einem Dibaryon mit sechs gleichen, schweren Quarks.
Stärkere Bindung als erwartet
Das Ergebnis: „Wir finden für das D6b klare Belege für einen stark gebundenen Zustand mit einer Bindungsenergie von rund 81 Megaelektronenvolt“, berichten die Forscher. Das Dibaryon aus den zwei schweren Bottom-Tripeln ist damit sogar 40-Mal stärker gebunden als die beiden Baryonen im Deuteron. Damit legen die Ergebnisse nahe, dass Dibaryonen entgegen der Erwartungen doch stark gebunden sein können.
„Aus dieser und anderen Studien ergibt sich ein interessantes Muster, nach dem die Präsenz von einem oder mehr Bottom-Quarks die Bindung in solchen Systemen verstärkt“, schreiben Matur und seine Kollegen. Denn Interaktionen von Baryonen aus Strange- oder Charm-Quarks fallen den Modellen zufolge deutlich schwächer aus. „Das Omega-Dibaryon mit sechs Bottom-Quarks könnte sogar das am stärksten gebundene schwere Dibaryon im gesamten Universum sein“, konstatieren die Physiker.
Einblick auch in exotische Hexaquarks
Diese Ergebnisse könnten auch Einblick in die Natur der in Teilchenbeschleunigern nachgewiesenen Hexaquarks liefern – Teilchen aus sechs Quarks. Bei diesen Hexaquarks ist bisher unklar, ob es sich um fest miteinander verbundene Dibaryonen handelt oder um noch exotischere Gebilde aus sechs Quarks in einem Teilchen. Entsprechend spannend und wichtig wäre es, schwere Dibaryonen in der Realität zu beobachten und nachzuweisen.
„Unsere Ergebnisse für dieses schwere Dibaryon liefern nun zusätzliche Motivation, nach solchen Teilchen zu suchen“, so die Forscher. „Auch wenn die direkte Identifizierung des D6b noch einiges dauern wird, wäre der Nachweis der doppelten Bottom-Baryonen ein wichtiger Schritt, um die Lücken in der Kaskade der hadronischen Reaktionen zu schließen.“ (Physical Review Letters, 2023; doi: 10.1103/PhysRevLett.130.111901)
Quelle: Tata Institute of Fundamental Research