Magnetische Mini-Wirbel: Physiker haben erstmals magnetische Skyrmionen und entgegengesetzt drehende Antiskyrmionen bei der Auslöschung beobachtet. Die mikroskopisch kleinen Magnetwirbel entstehen beim Anlegen eines externen Magnetfelds in bestimmten Feststoffen – im Experiment war dies eine Eisen-Germanium-Legierung. In diesem Material erzeugte das Team erstmals Paare von Skyrmionen und Antiskyrmionen und beobachtete dann ihre Annihilation, wie sie in „Nature Physics“ berichten.
Die vor gut zehn Jahren erstmals experimentell nachgewiesenen Skyrmionen sind winzige magnetische Wirbel, die in bestimmten Materialien als Reaktion auf äußere Magnetfelder auftreten. Dabei richten sich die Spins benachbarter Atome so aus, dass sie Knoten oder Wirbel bilden – eine Art magnetische Mini-Tornados. Diese zu den Solitonen gehörenden Phänomene sind ähnlich wie echte Teilchen besonders beständig und gelte daher als mögliche Kandidaten für künftige Magnetspeicher.
Schon länger ist bekannt, dass Skyrmionen auch eine Art Antiteilchen besitzen – Wirbelstrukturen, deren magnetische Momente in entgegengesetzter Richtung gedreht sind. Theoretisch müssten sich beide Varianten beim Zusammentreffen gegenseitig auslöschen – ähnlich wie ein Teilchenpaar aus Materie und Antimaterie. Bisher war es aber nie gelungen, solche gegensätzlichen Paare im selben Material zu erzeugen und sie bei dieser Annihilation zu beobachten.
Eisen-Germanium-Legierung im Magnet-Elektronenmikroskop
Genau dies haben nun Physiker um Fengshan Zheng und Nikolai Kiselev vom Forschungszentrum Jülich geschafft. Sie haben erstmals Paare von Skyrmionen und Antiskyrmionen in einer Materialprobe erzeugt und ihre Auslöschung nachgewiesen. Für ihr Experiment hatten die Forscher zunächst durch ein spezielles Verfahren 70 Nanometer dünne Plättchen aus einer hochreinen Eisen-Germanium-Legierung (FeGe) herausgeschnitten.
Dieses Plättchen wurde dann bis auf etwa minus 178 Grad heruntergekühlt und in einem sogenannten Lorentz-Transmissions-Elektronenmikroskop platziert. Bei diesem wandert ein beschleunigter Elektronenstrahl durch die Probe und wechselwirkt mit deren Magnetfeldverteilung. Eine ladungsgekoppelte Kamera nimmt eine Projektion dieser Magnetfelder im Material mit einer räumlichen Auflösung im Nanometerbereich auf.
Magnetwirbel in zwei Varianten
Als die Physiker ihre Eisen-Germanium-Probe unter diesen Bedingungen untersuchten, zeigten sich kreisförmige Areale mit deutlich abweichendem Kontrast in den Aufnahmen – Skyrmionen. Diese Magnetwirbel schienen jedoch in zwei verschiedenen Varianten vorhanden zu sein: „In dem überfokussierten Regime erscheint ein normales Skyrmion als heller, kreisförmiger Fleck, während ein Antiskyrmion als länglicher dunkler Fleck mit hellem Kontrast nur auf einer Seite abgebildet wird“, berichtet das Team.
„Um jedoch zu beweisen, dass der Kontrast in den Bildern bestimmten magnetischen Konfigurationen entspricht, wie eben Skyrmionen und Antiskyrmionen, mussten wir Computersimulationen mit den experimentellen Bildern vergleichen“, erklärt Kiselev. Die ergänzendem Modellsimulationen bestätigten, dass sich Paare von Skyrmionen und Antiskyrmionen genau in dieser Form zeigen müssten.
Annihilation beobachtet
Damit ist es den Physikern gelungen, erstmals solche Paare entgegengesetzter Skyrmionen im selben Material zu erzeugen. „Um ehrlich zu sein, war die Entdeckung von Antiskyrmionen in einer Eisen-Germanium-Legierung eine Überraschung für uns“, sagt Kiselev. Wie von der Theorie vorhergesagt konnten die Forscher dann auch beobachten, wie sich Skyrmionen und Antiskyrmionen gegenseitig auslöschten. Bei einer solchen Annihilation wird Energie in Form magnetischer Spinwellen frei.
„Wir glauben, dass wir in der Lage sein werden, zu beweisen, dass Skyrmionen und Antiskyrmionen auch in anderen magnetischen Kristallen beobachtet werden können“, sagt Kiselev. „Insbesondere sind wir auf der Suche nach Materialien, in denen Skyrmionen und Antiskyrmionen bei Raumtemperatur existieren können, was für Anwendungen vorteilhaft wäre.“
Interessant für künftige Datenspeicher
Wichtig ist die experimentelle Beobachtung solcher Skyrmion-Antiskyrmion-Paare und ihres Verhaltens unter anderem deshalb, weil diese magnetischen Mini-Wirbel als vielversprechende Kandidaten für neuartige magnetische Datenspeicher oder Computerchips gelten. „Es gibt mehrere Ideen zur Nutzung magnetischer Solitonen als bewegliche Datenbits in Datenspeichern. Darüber hinaus gibt es Vorschläge für den Einsatz von Skyrmionen in der neuromorphen und stochastischen Datenverarbeitung“, erklärt Kiselev.
„Um solche Konzepte zu realisieren, müssen wir zunächst noch mehr über die grundlegenden Eigenschaften von Skyrmionen und Antiskyrmionen wissen“, so der Physiker weiter. „Ich kann es kaum erwarten, zu sehen, wohin uns unsere Arbeit an magnetischen Solitonen in ein paar Jahren führen wird.“ (Nature Physics, 2022; doi: 10.1038/s41567-022-01638-4)
Quelle: Forschungszentrum Jülich