Materialforschung

Supraleitendes Graphen wird schaltbar

Kurzer elektrischer Puls verändert elektrische Leitfähigkeit im "Wundermaterial"

GRaphen
Graphen wird zum Supraleiter, wenn man zwei Schichten in einem bestimmten Winkel gegeneinander verdreht. Jetzt haben Forscher einen Weg entdeckt, die Supraleitung im Material elektrisch zu schalten. © iLexx/ Getty images

Chance zu neuartiger Elektronik: Physiker haben supraleitendes Graphen elektrisch schaltbar gemacht. Kurze Spannungspulse reichen aus, um das Kohlenstoffmaterial zum Supraleiter, Leiter oder Nichtleiter zu machen. Möglich wird dies durch eine Kombination mit speziell gedrehten Bornitridschichten. Das schaltbare Graphen eröffnet nun ganz neue Anwendungsmöglichkeiten in der Elektronik, die Computer und andere Geräte energieeffizienter und schneller machen könnte, so das Team in „Nature Nanotchnology“.

Graphen gilt als wahrer Tausendsassa unter den Materialien. Denn die einlagige Schicht aus wabenartig miteinander verbundenen Kohlenstoffatomen ist ultraleicht und trotzdem härter als Stahl. Graphen besitzt zudem von Natur aus eine hohe elektrische Leitfähigkeit und zeigt sogar Formen der Selbstorganisation. Noch spannender jedoch: Wenn man zwei aufeinanderliegende Graphenlagen um 1,1 Grad gegeneinander verdreht, wird Graphen zum Supraleiter – das Material leitet nun Strom verlustfrei und ohne Widerstand.

Graphen-Sandwich
Aufbau des schaltbaren Graphen-„Sandwichs“: Zwei Graphenschichten im magischen Winkel (grau) sind von Bornitridschichten (blau, violett) eingerahmt, die ebenfals bestimmte Winkel aufweisen. © Jarillo-Herrero et al./ MIT

Sandwich aus Graphen und Bornitrid

Jetzt zeigt sich, dass supraleitendes Graphen sogar elektrisch schaltbar ist – eine für elektronische Bauteile essenzielle und vielseitig nutzbare Fähigkeit. Entdeckt haben dies Dahlia Klein vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) und ihre Kollegen durch Zufall. Eigentlich wollten die Physiker eine Methode optimieren, durch die Graphen quasi auf Knopfdruck ferromagnetisch werden kann: Wenn man zwei supraleitende Graphenlagen zwischen zwei Schichten von Bornitrid legt, dann ändern sich die Magneteigenschaften des Graphens.

„Wir wollten versuchen, einen noch stärkeren Graphen-Magneten zu erzeugen, indem wir die Schichten gegeneinander verdrehten“, berichtet Kleins Kollege Pablo Jarillo-Herrero. „Stattdessen haben wir etwas vollkommen anderes entdeckt.“ Dies passierte als das Team die obere Bornitrid-Lage an der oberen Graphenschicht ausrichtete, die untere Bornitridschicht aber um 30 Grad gegen die obere verdrehte.

Dann legten die Physiker eine leichte Spannung an einem Ende an, die Gate-Spannung, um die elektrische Leitfähigkeit des Graphens zu messen. Frühere Experimente hatten bereits gezeigt, dass sich der Supraleitungszustand des „Magischer-Winkel“-Graphens je nach angelegter Spannung verändert.

Unerwartete Reaktion

Das überraschende Ergebnis: Anders als erwartet behält das Graphen seinen einmal durch das elektrische Feld ausgelösten Zustand auch dann noch bei, wenn die Spannung wegfällt. Dadurch reicht ein kurzer Spanungspuls, um das Graphen zum Supraleiter zu machen und diesen Zustand beizubehalten. Durch einen weiteren kurzen Puls lässt sich der supraleitende Zustand wieder abschalten. Auch für das Umschalten zum Leiter oder Nichtleiter reicht ein kurzer Puls.

„Bei der großen Mehrheit der Materialien gilt: Wenn man das elektrische Feld abschaltet, dann verschwindet auch der von ihm ausgelöste elektrische Zustand“, erklärt Jarillo-Herrero. „Dies ist das erste Mal, dass ein supraleitendes Material erzeugt wurde, das abrupt elektrisch an und ausgeschaltet werden kann.“ Warum das Graphen ausgerechnet bei dieser speziellen Anordnung der einrahmenden Bornitridschichten schaltbar wird, ist allerdings noch unklar.

Ganz neue Anwendungsmöglichkeiten

Klar ist jedoch: „Diese Entdeckung könnte den Weg für eine neue Generation von graphenbasierter supraleitender Elektronik ebnen“, sagt Jarillo-Herrero. Denn erst die Schaltbarkeit ermöglicht es, das supraleitende Graphen in Schaltkreise und andere Elektronikbauteile zu integrieren – und so energieeffizientere und schnellere Elektronik zu produzieren. (Nature Nanotechnology, 2023; doi: 10.1038/s41565-022-01314-x)

Quelle: Massachusetts Institute of Technology

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