Physik

„Weiße Flecken“ im Polarlicht enträtselt

Spektralanalysen enthüllen möglichen Ursprung der weißlichen Aurora-Begleiterscheinungen

Aurora und weiße Flecken
Neben den typische grünlichen und rötlichen Polarlicht zeigen diese 360°-Himmelsaufnahmen auch weißliches Leuchten. Doch wie entstehen diese weißen Lichtflecken? © University of Calgary

Mysteriöser Lichteffekt: Manche Polarlichter werden von seltsam weißlichen Lichtflecken begleitet. Worum es sich handelt und wie diese Flecken entstehen, könnten Forscher nun erstmals aufgeklärt haben. Demnach kommen solche Zonen breitbandigen Leuchtens in unterschiedlichsten Formen vor, sind aber fast immer mit starken Auroren assoziiert. Dennoch sind die weißen Flecken selbst keine Polarlichter: Sie entstehen wahrscheinlich durch eine von der Aurora ausgelöste chemische Reaktion von Stickstoffdioxid, wie das Team berichtet.

Die meist grünlichen oder rötlichen Polarlichter entstehen durch die komplexe Wechselwirkung des Sonnenwinds mit der oberen Erdatmosphäre. Dadurch werden Sauerstoff- und Stickstoffmoleküle der Luft energetisch angeregt und geben diese Energie anschließend als Licht ab – eine Aurora entsteht. Typisch für sie ist eine relativ enge spektrale Bandbreite, durch die das Polarlicht farbig erscheint.

weiße Polarlichtflecken
Formenvielfalt der weißen Aurora-Lichtflecken. © Spanswick et al./ Nature Communications, CC-by-nc-nd 4.0

Rätsel um weiße Lichtflecken

Es gibt jedoch eine Leuchterscheinung, die zwar mit Auroren gemeinsam auftritt, aber anders aussieht: „Man sieht die normale grüne Aurora, im Hintergrund vielleicht noch ein wenig rötliches Polarlicht – und dann erscheint plötzlich diese strukturierte, fast einem Fleck ähnelnde weißliche oder gräuliche Emission“, erklärt Erstautorin Emma Spanswick von der University of Calgary das Phänomen. Die weißliche Farbe dieses Leuchtens deutet darauf hin, dass es aus Licht nahezu aller Wellenlängen besteht – es ist eine sogenannte Kontinuum-Emission.

Doch was ist das? Und wie entstehen diese „weißen Flecken“? Bisher ließ sich dies nur schwer feststellen, weil es schlicht an geeigneten Daten fehlte. Das Problem: Gängige Sensoren für die Polarlichtforschung zeichnen das atmosphärische Leuchten in engen Spektralbereichen auf. Das verrät dann zwar gut, welche Energien die von den Luftmolekülen emittierten Photonen haben, kann aber eine breitbandige Strahlung nur schlecht einfangen.

Formenvielfalt über hunderte Kilometer hinweg

Mehr Aufschluss geben nun erstmals Aufnahmen von zwei speziell für die Aurora-Beobachtung konzipierte Breitbandkameras, die an zwei Seen in Kanada stationiert sind. Diese „Transition Region Explorer“ (TREx-RGB) getauften Spektrografen bilden das komplette Lichtspektrum zwischen 400 und 800 Nanometer Wellenlänge ab und erstellen jede Nacht Aufnahmen des gesamten Himmels über ihnen. Für ihre Studie haben Spanswick und ihr Team speziell den Spektralbereich untersucht, in dem weder Auroren noch Airglow vorkommt.

Die Analysen enthüllten: Die grau-weißen Lichtflecken können sich über Dutzende bis hunderte Kilometer erstrecken und verschiedenste Formen haben – von langgestreckten Fäden und Bögen bis zu kompakteren Flecken. Die Flecken erscheinen zudem fast immer in unmittelbarer Nähe von starken Polarlichtern oder leuchten direkt an den Stellen, an denen es vorher eine typisch grüne Aurora gab, wie die Forschenden berichten.

Lichtflecken und ihr Spektrum
Weiße Lichtflecken über Kanada und ihr Spektrum, aufgezeichnet im Abstand weniger Minuten. © Spanswick et al./ Nature Communications, CC-by-nc-nd 4.0

Ähnlichkeiten mit STEVE-Phänomen

Interessant auch: Das relativ kontinuierliche Spektrum dieser breitbandigen Lichtflecken ähnelt dem eines anderen, ebenfalls lange rätselhaften Phänomen: „Es gibt Ähnlichkeiten zwischen den Flecken und dem STEVE-Phänomen„, berichtet Spanswick. Diese langen Bögen aus violett-weißlichem Licht decken ebenfalls fast das gesamte Lichtspektrum ab – und auch sie sind physikalisch weder Aurora noch Airglow. Neuesten Theorien zufolge entsteht STEVE durch eine chemische Reaktion, die von aufgeheizten Elektronen ausgelöst wird.

Allerdings: Die weißen Flecken unterscheiden sich in ihrer Form deutlich von STEVE: „Anders als bei ihm gibt es bei den Flecken keine bevorzugte Ausrichtung an der geografischen Länge oder Breite“, berichten Spanswick und ihr Team. Stattdessen scheinen die Lichtflecken in jeder beliebigen Form und Ausrichtung vorzukommen. Dennoch vermuten die Forschenden, dass ein ähnlicher Auslöser dahintersteckt: „Ähnlich wie STEVE sind die von uns untersuchten Aurora-assoziierten Kontinuum-Emissionen keine klassische Aurora, sondern wahrscheinlich eher eine Chemolumineszenz“, erklären sie.

Kombination aus Chemolumineszenz und Aurora-Anregung

Als Ursache der rätselhaften weißen Lichtflecken vermuten Spanswick und ihr Team chemische Reaktionen von Stickstoffdioxid, die Energie in Form von Photonen abgeben. Diese Chemolumineszenz füllt dann die Lücken im Spektrum, die bei Polarlichtern und Airglow freibleiben. Anders als bei STEVE tritt dieses weißliche Leuchtphänomen aber nur dann auf, wenn starke Polarlichter präsent sind, die die nötige Energie liefern.

„Unsere Ergebnisse demonstrieren damit, dass sich auch im großräumigen, mesoskaligen Bereich Kopplungen zwischen Auroraprozessen, dem ionosphärischen Plasma und der neutralen Atmosphäre entwickeln können“, schreiben die Forschenden. „Diese gekoppelten Prozesse sind damit komplexer als zuvor dokumentiert.“ Spanswick und ihre Kollegen hoffen nun, dass weitere Beobachtungen noch genaueren Aufschluss über die physikalischen Mechanismen hinter dem Phänomen der weißen Lichtflecken geben werden. (Nature Communications, 2025; doi: 10.1038/s41467-024-55081-5)

Quelle: University of Calgary

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