Physik

Zeit-Quasikristall stabilisiert Quantenbits

Quasiperiodische Laserpulse bringen Qubits in einen neuartigen Quantenzustand

Quantencomputer
In dieser Kammer haben Physiker Quantenbits in den neuartigen Zustand einer zeitlich "geordneten Unordnung" gebracht. © Quantinuum

Geordnete Unordnung: Physiker haben Quantenbits in einen neuartigen, überraschend stabilen Materiezustand versetzt – durch eine Art zeitlichen Quasikristall. Dafür setzten sie die Qubits aus Ytterbium-Ionen quasiperiodischen Laserpulsen aus, deren Abstände der mathematischen Fibonacci-Reihe entsprechen. Diese bringt die Qubits in einen nie zuvor beobachteten Zustand zeitlicher Quasisymmetrie, der sie ungewöhnlich robust gegen Störungen macht, wie die Forschenden in „Nature“ berichten.

Quantencomputer gelten als die Rechner der Zukunft. Ihre meist aus Ionen oder Ladungsinseln in supraleitenden Materialien bestehenden Qubits können dank quantenphysikalischer Phänomene wie der Überlagerung und Verschränkung unzählige Lösungen auf einmal überprüfen – und sind gängigen Supercomputern in einigen Aufgaben schon überlegen. Doch es gibt ein Problem: Damit Quantencomputer rechnen können, müssen ihre Qubits einerseits gegen jeden äußeren Einfluss abgeschirmt werden, damit sie im Überlagerungszustand bleiben. Andererseits müssen sie miteinander interagieren, um Schaltkreise zu bilden.

„Selbst in perfekter Isolation von Umwelteinflüssen führt eine starke Kopplung zwischen Qubits unweigerlich zu residualen Kohärenzfehlern, die das Rechnen stören“, erklären Philipp Dumitrescu vom Flatiron Institute in New York und seine Kollegen. Die Kunst ist es daher, die richtige Balance zwischen einer zu engen Kopplung der Qubits und einer kompletten Isolation zu finden. Meist wird dies versucht, indem man gezielt ein gewisses Maß an Unordnung in die Qubit-Anordnung bringt.

Laserpulse im Fibonacci-Takt

Einen ganz neuen Ansatz haben nun jedoch Dumitrescu und sein Team entdeckt. Sie erzeugen die nötige geordnete Unordnung nicht räumlich, sondern zeitlich. Für ihr Experiment nutzten sie zehn in einer Ionenfalle gefangene Ytterbium-Ionen als Quantenbits. Typischerweise sind bei solchen in einer Reihe stehenden Qubits die endständigen am anfälligsten für eine Dekohärenz und damit das Herausfallen aus dem Überlagerungszustand. In einigen gängigen Ansätzen versucht man dieses Problem durch regelmäßige Laserpulse zu verringern.

Im Kontrast dazu setzten die Physiker in ihrem Experiment quasiperiodische Laserpulse ein. Dabei entsprachen die Abstände der einzelnen Pulse der mathematischen Fibonacci-Reihe, einer Zahlenfolge, bei der jede Zahl der Summe ihrer beiden Vorgänger bildet. Der Clou dabei: Diese Laserpulse sind damit die zeitliche Entsprechung eines Quasikristalls – einer Kristallstruktur, die zwar geordnet, aber nicht perfekt periodisch ist.

Neuartige dynamische Phase macht Qubits stabiler

Das Erstaunliche daran: Die quasiperiodischen Pulse versetzten die Quantenbits in einen neuartigen Zustand, in dem sie in ungewöhnlich robust gegenüber Störungen durch Umwelteinflüsse oder zu starke Kopplung zu ihren Nachbarn waren. Während die endständigen Qubits unter normalem Regime schon nach 1,5 Sekunden ihre Kohärenz verloren, blieben sie im neuen Zustand mehr als 5,5 Sekunden stabil, wie die Physiker berichten. Sie bezeichnen diesen neuartigen Zustand als dynamische, Symmetrie-geschützte topologische Phase.

„Diese Phase erzeugt Rand-Qubits, die dynamisch vor Kontrollfehlern, Kreuzeffekten und Störfeldern schützen“, erklären Dumitrescu und seine Kollegen. „Dieser Randschutz beruht allein auf den neu entstehenden dynamischen Symmetrien, die absolut stabil gegenüber generischen Störungen sind.“ Diese Erkenntnis legt nahe, dass Quantencomputer auch durch zeitliche Versionen der „geordneten Unordnung“ stabilisiert werden können.

„Unsere Arbeit ebnet den Weg zur Einführung komplexerer dynamischer topologischer Ordnungen, die eine gegen Fehler resilientere Manipulation von Quanteninformationen ermöglichen“, schreiben die Physiker. (Nature, 2022; doi: 10.1038/s41586-022-04853-4)

Quelle: Simons Foundation

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