Psychologie

Alleinsein macht müde

Wie sich soziale Isolation auf unser Energieniveau auswirkt

Allein
Soziale Isolation dämpft nicht nur die Stimmung, die kann auch müde und antriebslos machen. © Yaraslau Saulevich/ Getty images

Alleinsein als Energiefresser: Schon acht Stunden ohne soziale Kontakte können uns müde, erschöpft und antriebslos machen – ähnlich wie die gleiche Zeit ohne Essen, wie eine Studie enthüllt. Demnach zehrt das Alleinsein unserem subjektiven Empfinden nach verstärkt Energie. Problematisch ist dabei eine Art Gewöhnungseffekt: Weil uns die soziale Isolation müder und antriebsloser macht, sinkt auch unsere Motivation, aktiv Sozialkontakte zu initiieren – dies kann einen Teufelskreis der Einsamkeit auslösen.

Der Mensch ist wie die meisten Primaten ein soziales Wesen – entsprechend wichtig ist der Kontakt zu Mitmenschen. Einsamkeit und soziale Isolation beeinflussen nicht nur unsere Psyche, sie stören auch den Schlaf, erzeugen Stress und schwächen das Immunsystem. Studien zeigen zudem, dass soziale Isolation die Hirnaktivität verändert und auf Dauer das Demenzrisiko erhöhen könnte – selbst wenn man sich subjektiv betrachtet nicht einsam fühlt.

Müde, erschöpft und energielos

Ob sich die soziale Isolation auch auf unser subjektives Energieniveau und den Antrieb auswirken kann, haben nun Forschende um Ana Stijovic von der Universität Wien untersucht. Dafür verbrachten 30 Probandinnen jeweils acht Stunden ohne sozialen Kontakt oder ohne Essen im Labor, jede Testperson unterzog sich an verschiedenen Tagen beiden Bedingungen. Dabei wurden ihre physiologischen Stressreaktionen überwacht, außerdem protokollierten die Probandinnen zu verschiedenen Zeiten ihren subjektiven Zustand anhand eines standardisierten Fragebogens.

Das Ergebnis: „In der Laborstudie fanden wir auffallende Ähnlichkeiten zwischen sozialer Isolation und Nahrungsentzug. Beide Zustände führten zu verminderter Energie und erhöhter Müdigkeit“, berichten Stijovic und ihre Kollegen. „Das ist überraschend, wenn man bedenkt, dass wir durch Nahrungsentzug buchstäblich an Energie verlieren, während dies bei sozialer Isolation nicht der Fall ist.“ Aber subjektiv scheint das Alleinsein unserer Energiereserven anzuzapfen.

Gesellige Menschen stärker betroffen

Um die Ergebnisse der Laborstudie zu überprüfen, zogen die Forschenden zusätzlich die Ergebnisse einer Studie aus der Corona-Pandemie hinzu. Dabei hatten sie die Auswirkungen von häuslicher Isolation auf Stress und Verhalten bei 87 Testpersonen untersucht. Auch dabei wurden physiologische Parameter und subjektives Befinden mehrmals täglich gemessen. Um die Werte vergleichen zu können, werteten Stijovic und ihr Team jeweils die Daten eines normalen Tages und des ersten Tages in Isolation aus.

Die Auswertungen ergaben: Auch die häusliche Isolation kann zu erhöhter Müdigkeit, Erschöpfung und allgemeiner Antriebslosigkeit führen. „Die akute soziale Isolation war vor allem bei den sonst sozialeren Testpersonen mit einem niedrigeren subjektiven Energienivau verbunden“, berichtet das Team. Der Mangel an Kontakten führte auch am nächsten Tag noch zu stärkerer Müdigkeit, Erschöpfung und Energielosigkeit. Dies war auch bei alleinlebenden Menschen deutlich ausgeprägt.

Teufelskreis kann Alleinsein verstärken

Dabei scheint die Isolation einen negativen Teufelskreis auszulösen: Der Mangel an Kontakten macht müder und antriebsloser, das wiederum verringert die Motivation, aktiv soziale Kontakte zu initiieren. „Dieser in zwei Richtungen wirkende Zusammenhang zwischen sozialer Isolation und Energieniveau verursacht damit eine Feedbackschleife, die das Alleinsein noch verstärkt“, erklären die Forschenden. Bei Menschen, die längere Zeit kaum Kontakte haben, war dieser sich selbst verstärkende Effekt schon bekannt, die aktuelle Studie zeigt nun, dass er auch schon nach kurzer Isolation auftreten kann.

„Unsere Ergebnisse demonstrieren, dass Veränderungen der subjektiven Energie und das Gefühl der Erschöpfung auch schon nach einer relativ kurzen Phase der sozialen Isolation auftreten können“, konstatieren Stijovic und ihre Kollegen. Sie vermuten, dass diese Reaktion Teil einer homöostatischen Reaktion sein könnte: Der Körper schaltet auf Energiesparen, weil ihn das Alleinsein stresst. (Psychological Science, 2023; doi: 10.1177/09567976231156413)

Quelle: Universität Wien

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