Verbindung zwischen Nase und Auge: Gerüche können unsere Farbwahrnehmung verändern, wie ein Experiment mit verschiedenen Düften enthüllt. Wenn wir beispielsweise Kaffee- oder Zitronenduft riechen, halten wir einen eher bräunlichen oder gelblichen Farbton für neutrales Grau. Das echte Grau erscheint uns dagegen als zu kühl und bläulich. Forschende vermuten, dass dahinter unbewusste Assoziationen stecken, durch die wir bestimmte Gerüche mit typischen Farben verknüpfen. Das verzerrt unsere Farbwahrnehmung und macht uns gewissermaßen zu „Farbenriechern“.
Über unsere fünf Sinne nehmen wir konstant unserer Umwelt wahr. Um diese Informationsflut zu verarbeiten, kombiniert unser Gehirn manchmal die Signale von zwei oder mehr Sinnesorganen und bildet daraus Erfahrungswerte. Bestimme Gerüche können dadurch in unserem Kopf mit Texturen, Tönen und Farben verbunden sein. Durch die Kombination von Sinnen assoziieren wir beispielsweise höhere Temperaturen mit wärmeren Farben, tiefere Töne mit niedrigeren Positionen und Farben mit dem Geschmack einzelner Lebensmittel, zum Beispiel bei Orangen.
Wenn Sinne miteinander verknüpft sind
Menschen, in deren Gehirn solche Verknüpfungen der Sinne besonders ausgeprägt sind, nennt man Synästheten. Wie intensiv die Synästhesie-Phänomene des „Farbenhörens“, „Geräuscheschmeckens“ und Co auftreten, hängt Studien zufolge zumindest zum Teil von unseren Genen und der Struktur unseres Gehirns ab. Warum Sinneseindrücke nur bei bestimmten Menschen so stark verknüpft sind, ist bisher aber erst in Teilen geklärt.
Frühere Studien legen jedoch auch nahe, dass Farben bei allen Menschen eng mit Geruchseindrücken verknüpft sind. „Wir haben gezeigt, dass der Geruch von Karamell häufig mit Dunkelbraun und Gelb assoziiert wird, genau wie Kaffee mit Dunkelbraun und Rot, Kirsche mit Rosa, Rot und Lila, Zitrone mit Gelb, Grün und Rosa sowie Pfefferminze mit Grün und Blau“, berichtet etwa Ryan Ward von der Liverpool John Moores University über eine Studie aus dem Jahr 2021. Aber wie zuverlässig und wie stark verknüpft unser Gehirn diese Gerüche mit Farben?
Kombinationen von Düften und Farben getestet
Das hat das Forschungsteam um Ward nun in einer neuen Studie genauer untersucht. Die Wissenschaftler setzten 24 Testpersonen mit intaktem Geruchs- und Farbsinn in einen reizleeren Raum und sprühten über einen Ultraschalldiffusor fünf Minuten lang einen von sechs Düften in den Raum: Karamell, Kaffee, Kirsche, Zitrone, Pfefferminze und geruchloses Wasser als Kontrolle.
Anschließend zeigten die Forschenden den Probanden auf einem Bildschirm zufällig ausgewählte farbige Quadrate. Mittels zwei Schiebereglern für Farbskalen sollten die Probanden die angezeigte Farbe jeweils in neutrales farbloses Grau verändern. Schließlich sollten sie aus einer Liste von 26 Optionen den präsentierten Duft identifizieren. Diesen Vorgang wiederholten die Wissenschaftler für jeden der Düfte vier Mal und präsentierten den Probanden dabei jeweils unterschiedliche Farben. Vor und zwischen den Versuchen reinigten sie die Raumluft vier Minuten lang mit einem Luftreiniger.
Gerüche verändern die Wahrnehmung von Grautönen
Das Ergebnis: Bei vier von fünf Düften tendierten die Versuchsteilnehmer dazu, einen oder beide Schieberegler auf eine Position abweichend vom neutralen Grau einzustellen – hin zu wärmeren Farben. Wenn ihnen zum Beispiel der Duft von Karamell präsentiert wurde, empfanden sie fälschlicherweise eine eher gelbbraune Farbe als vermeintlich neutrales Grau. Ebenso empfanden sie eine mit Rotbraun angereicherte Farbe fälschlicherweise als Grau, wenn sie den Geruch von Kaffee rochen. Auch bei Kirsch- und Zitronenduft entsprach die gewählte Farbe nicht Grau, sondern Rotbraun beziehungsweise Gelbgrün.
Die getesteten Gerüche verzerrten somit die Farbwahrnehmung der Teilnehmer auf vorhersehbare Weise. Eine Ausnahme bildete der Geruch von Pfefferminze: Hier entsprach die Auswahl der Teilnehmer ebenfalls nicht dem Grau, aber auch nicht dem erwarteten Blaugrün, sondern eher einem Braunrot. Ein tatsächlich neutrales Grau stellten die Testpersonen nur dann ein, wenn ihnen der neutrale Duft von Wasser präsentiert wurde.
Trifft das auch auf andere Gerüche zu?
Damit belegt die Studie, dass Gerüche auch unsere Wahrnehmung von Farben beeinflussen können. Die unbewussten, durch unsere Erfahrungen geknüpften Assoziationen bestimmter Düfte mit Seheindrücken verfälschen dabei die Farbwahrnehmung. „Diese Kompensation legt nahe, dass modalübergreifende Assoziationen von Sinneseindrücken stark genug sind, um zu beeinflussen, wie wir Informationen mit verschiedenen Sinnen wahrnehmen“, erklärt Ward. Die Studie zeige das für Assoziationen zwischen Gerüchen und Farben.
Wie weitreichend solche Assoziationen sind, muss jedoch noch genauer erforscht werden: Ist der gezeigte Effekt beispielsweise bei weniger häufig vorkommenden oder zuvor unbekannten Gerüchen noch vorhanden? Sind andere Gerüche, etwa von nicht essbaren Dingen, mit kälteren Farben assoziiert? Und welche Rolle spielen mit Gerüchen verbundene Emotionen und sprachliche Assoziationen? Diesen Fragen will Wards Team in weiteren Untersuchungen nachgehen. (Frontiers in Psychology, 2023; doi: 10.3389/fpsyg.2023.1175703)
Quelle: Frontiers in Psychology