Psychologie

Was bringen Headsets gegen Depressionen?

Selbstanwendung von Hirnstimulation für zu Hause untersucht

Headset gegen Depressionen
Was bringen hirnstimulierende Headsets für den Heimgebrauch wirklich? © LMU Klinikum

Geheimwaffe gegen Depressionen? Hirnstimulierende Headsets für den Heimgebrauch sollen depressive Symptome lindern. Doch was bringen sie wirklich? Ein Forschungsteam hat nun die Wirkung einer solchen transkraniellen Gleichstromstimulation für zu Hause untersucht. Die Ergebnisse waren zwar positiv, doch eine uneingeschränkte Empfehlung bleibt vorerst aus.

Hierzulande sind rund 9,5 Millionen Menschen an einer ärztlich diagnostizierten Depression erkrankt. Das entspricht etwa 12,5 Prozent der Bevölkerung ab zehn Jahren. Zu den Standardbehandlungen gehören bisher Psychotherapien und die Einnahme von Antidepressiva, doch einigen Betroffenen könnte zusätzlich auch eine nicht-invasive Hirnstimulation helfen.

Magnetfelder gegen Depressionen

Für den Fall, dass Gesprächstherapie und Medikamente die depressiven Symptome nicht ausreichend lindern, empfehlen die offiziellen medizinischen Leitlinien aktuell die repetitive transkranielle Magnetstimulation (rTMS). Dabei wird eine stromführende Spule am Kopf des Patienten über dem Stirnhirn aufgelegt und erzeugt für eine kurze Zeit ein starkes, pulsierendes Magnetfeld im sogenannten dorsolateralen präfrontalen Cortex.

Bei Menschen mit Depressionen weisen die Nervenzellen in diesem Hirnareal häufig eine veränderte Aktivität auf. Die Magnetfeldtherapie soll dabei helfen, die Gehirnfunktionen bei depressiven Menschen wieder zu normalisieren und so zum Beispiel Antrieb und Konzentration zu steigern. Doch es gibt einen großen Haken: Die Behandlung muss über Wochen hinweg fast täglich durchgeführt werden – und das geht aktuell nur in speziellen Kliniken.

Wie wirksam sind Headsets für den Heimgebrauch?

Deutlich bequemer mutet da eine andere Möglichkeit zur Hirnstimulation an. Die sogenannte transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) wird zwar ebenfalls in vereinzelten Spezialkliniken angeboten, lässt sich aber auch von zu Hause aus durchführen. Dafür braucht es lediglich ein spezielles, mit Elektroden versehenes Stirnband. Dieses Headset stimuliert dann den präfrontalen Cortex für je 20 bis 30 Minuten mit schwachem Strom von zwei Milliampere und soll dadurch ähnlich wirken wie die Magnetfeldtherapie.

Wie gut dieses Set für den Heimgebrauch bereits funktioniert, haben nun Forschende um Rachel Woodham von der University of East London untersucht. Dafür ließen sie 174 als depressiv diagnostizierte Testpersonen das Headset eines schwedischen Start-up-Unternehmens über zehn Wochen hinweg verwenden und regelmäßig über den Stand ihrer depressiven Symptome berichten. In den ersten drei Wochen bestand die Therapie aus fünf Sitzungen pro Woche, danach aus drei.

Einige Studienteilnehmer nahmen parallel dazu schon länger Antidepressiva ein oder befanden sich in psychotherapeutischer Behandlung. Personen, bei denen Standardbehandlungen keine Besserung gezeigt hatten, wurden aus der Studie ausgeschlossen, um Verfälschungen der Ergebnisse zu vermeiden.

Hype oder Heilung?

Das Ergebnis: Nach Ablauf der zehn Wochen hatte sich der Schweregrad der Depression bei 58 Prozent der Behandelten tatsächlich um mindestens die Hälfte verringert, 45 Prozent waren sogar gänzlich depressionsfrei. In der Placebo-Kontrollgruppe, bei der das Headset nur zu Beginn der Sitzungen einen einzelnen Stromimpuls abgegeben hatte, verbesserten sich die Symptome bei 38 Prozent der Gruppenmitglieder, 22 Prozent waren depressionsfrei.

Die Behandlung mit dem Gleichstrom-Stirnband wirkte demnach etwas stärker als das Placebo. „Die häusliche tDCS könnte eine potenzielle Erstbehandlung für schwere Depressionen sein, da sie sich als wirksam, akzeptabel und sicher erwiesen hat“, schlussfolgert das Team. Zudem erwies sich die Behandlung als nebenwirkungsarm. Doch noch wird die transkranielle Gleichstromstimulation nicht in den offiziellen medizinischen Leitlinien empfohlen. Aus gutem Grund, findet Frank Padberg von der Psychiatrischen Universitätsklinik München, der nicht an der Studie beteiligt war:

Nur eine bedingte Empfehlung

„Die Ergebnisse sind wichtig, aber noch nicht sicher wegweisend. In der aktuellen Studie zur Selbstanwendung mittels eines Headsets war der Unterschied zwischen der tDCS und der Placebo-Behandlung eher gering.“ Zwar sei die nebenwirkungsarme Anwendung von zu Hause aus positiv hervorzuheben, doch noch müsste besser verstanden werden, was die Stimulation auf der Ebene der neuronalen Netzwerke im Gehirn tatsächlich bewirkt und welche Wege es gibt, die Behandlung zu personalisieren.

Padberg betont allerdings auch: „Ich bin sicher, dass die tDCS oder vergleichbare Verfahren eines Tages fester Bestandteil der klinischen Behandlung von Depressionen sein werden. Es ist aber noch zu früh, um Patienten die Heimanwendung mittels eines tDCS-Headsets zu empfehlen. Ein gesundheitliches Risiko sehe ich nicht unbedingt, aber ich halte es für problematisch, den Betroffenen, die das Headset in der EU einfach online kaufen können, damit schon jetzt einen wirksamen Therapieansatz zu versprechen.“ (Nature Medicine, 2024; doi: 10.1038/s41591-024-03305-y

Quelle: Deutsche Gesellschaft für Klinische Neurophysiologie und Funktionelle Bildgebung, Nature Medicine

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