Wie im Film: Psychologen haben untersucht, was in unserem Gehirn passiert, wenn wir mit widersprüchlichen Emotionen hadern – und Überraschendes entdeckt. Vermeintlich „gemischte Gefühle“ wie die bittersüße Nostalgie werden demnach nicht einfach durch die Kombination zweier Emotionen hervorgerufen, sondern durch ein eigenständiges Aktivitätsmuster unseres Gehirns. Gemischte Gefühle sind demnach eine Kategorie für sich – ähnlich wie sie auch die Charaktere im neuen Pixarfilm „Alles steht Kopf 2“ verkörpern.
Unsere Gefühle spiegeln sich in unserer Hirnaktivität wider. Je nach Gemütszustand sind dort unterschiedliche Areale aktiv. Dies veranschaulicht vereinfacht auch der Animationsfilm „Alles steht Kopf (Inside Out)“, in dem diese Gefühle als eigenständige Akteure im Gehirn der Protagonistin dargestellt werden. Im aktuellen zweiten Teil des Kinohits gesellen sich weitere Gefühle zum Cast: Zweifel, Neid, Langeweile, Scham und die bittersüße Nostalgie.
Diese komplexen Emotionen werden – im Gegensatz zu den „eindeutigen“ Empfindungen wie Freude und Trauer – auch als „gemischte Gefühle“ bezeichnet. Weil sie sich nicht einfach auf einer Skala von positiv bis negativ einordnen lassen, sind die „gemischten Gefühle“ aber bislang kaum erforscht. Experten waren sich daher bisher uneinig, ob diese ebenfalls durch einzigartige Aktivitätsmuster im Gehirn entstehen oder durch den raschen Wechsel zwischen den beiden Mustern von positiven und negativen Emotionen.
Blick ins emotionale Gehirn
Dieser Frage ist nun ein Team um Anthony Vaccaro von der University of Southern California in Los Angeles nachgegangen. Die Psychologen verwendeten in ihrem Experiment einen ergreifenden animierten Kurzfilm, um bei 27 Testpersonen verschiedene Emotionen auszulösen. Der Film „One Small Step“ enthält Szenen, die gleichzeitig sowohl fröhlich als auch traurig sind. Dies sollte helfen, gezielt die gemischten Gefühle zu erzeugen. „Im Labor lassen sich diese Gefühle nur schwer realistisch hervorrufen”, erklärt Seniorautor Jonas Kaplan.
Im ersten Durchlauf untersuchten die Psychologen mittels funktioneller Magnetresonanztomografie (fMRT), was im Gehirn der Probanden passiert, während sie den Film schauen. In einem zweiten Durchlauf sahen die Testpersonen den Film erneut und berichteten dabei, wann sie positive, negative oder gemischte Gefühle empfinden. Anschließend verglichen Vaccaro und seine Kollegen diese Eigenangaben mit den Gehirnscans.
„Gemischte Gefühle“ sind neurologisch nicht gemischt
Bei der Auswertung zeigte sich, dass die Gehirne der Testpersonen tatsächlich charakteristische und einzigartige Aktivitätsmuster aufwiesen, während sie komplexe, ambivalente Gefühle wie Bittersüße erlebten. Besonders aktiv waren dabei die Hirnareale der Amygdala und der Nucleus accumbens, wie die Psychologen feststellten. Diese sind unter anderem dafür zuständig, dass wir auf negative und positive Emotionen reagieren. Zudem beeinflussen sie, wir uns an emotionale Erlebnisse erinnern.
Diese Aktivitätsmuster blieben zudem während der Aufnahmen stabil, betont das Team. Das deute darauf hin, dass es tatsächlich ein eigenständiges Gefühl und keine simple Summe zweier Gefühle ist. „Man pendelt nicht zwischen negativ und positiv. Es ist ein sehr einzigartiges, gemischtes Gefühl über einen langen Zeitraum“, so Vaccaro. Bei rein positiven oder negativen Gefühlen zeigten sich im Gehirn der Probanden hingegen ganz andere, aus früheren Studien bereits bekannte Aktivitätsmuster.
Interessanterweise verrieten die MRT-Scans auch, wann sich die Gefühlslage einer Person jeweils änderte. Denn dann veränderte sich die Aktivität in bestimmten Hirnarealen wie der Inselrinde (Cortex insularis), so das Team. Wofür diese Gehirnregion zuständig ist, ist bislang nicht vollständig geklärt. Man weiß aber, dass die Inselrinde mit der Amygdala und anderen Hirnarealen verknüpft und unter anderem an der emotionalen Bewertung von Schmerzen beteiligt ist.
Ambivalente Gefühle muss man aushalten können
Die Studie beendet damit die lange Debatte darüber, was gemischte Gefühle neurologisch betrachtet sind. Die Erkenntnis, dass ambivalente Gefühle ein Phänomen für sich sind, könnte zudem künftig helfen, unsere Emotionen besser zu verstehen. „Es ist eine gewisse Raffinesse erforderlich, um mit gemischten Gefühlen umzugehen und sich gleichzeitig positiv und negativ zu fühlen“, sagt Kaplan.
„Es lohnt sich, die Vorteile zu erforschen, die sich daraus ergeben, dass man gleichzeitig Positives und Negatives in sich selbst akzeptieren kann.“ Die Psychologen wollen in Folgestudien auch untersuchen, wie sich die Gefühlslage in Gruppen verändert, etwa wenn wir einen Film wie „Alles steht Kopf“ zusammen mit anderen Personen im Kino schauen. (Cerebral Cortex, 2024; doi: 10.1093/cercor/bhae122)
Quelle: University of Southern California