Überraschung in der Liebe: Anders als erwartet legen Männer offenbar größeren Wert auf feste romantische Beziehungen als Frauen, wie eine Metaanalyse nun ergeben hat. Demnach sind Männer im Vergleich zu Frauen deutlich unglücklichere Singles, profitieren sowohl emotional als auch gesundheitlich stärker von Beziehungen und sind außerdem diejenigen, die Beziehungen seltener beenden sowie stärker unter einer Trennung leiden. Aber warum ist das so?
Filme und andere Medien vermitteln häufig das Bild, dass romantische Beziehungen für Frauen eine deutlich größere Rolle spielen als für Männer. So erwartet man Artikel über Liebesbeziehungen zum Beispiel eher in Frauen- als in Männermagazinen. Und auch sonst werden Single-Frauen häufig für ihre Beziehungslosigkeit bemitleidet und davor gewarnt, allein zu enden, während Männern eher ein erfüllendes, gar aufregendes Single-Leben zugestanden wird. Doch lassen sich diese Geschlechterunterscheide tatsächlich beobachten?
Männer sehnen sich stärker nach einer Beziehung
Um das herauszufinden, haben Forschende um Iris Wahring von der Humboldt-Universität zu Berlin nun eine groß angelegte Metaanalyse durchgeführt. Dafür kombinierten sie die Ergebnisse von mehr als 50 wissenschaftlichen Studien, die Geschlechterunterschiede in heterosexuellen Beziehungen untersucht haben – zum Beispiel in Form von anonymen Befragungen von Männern und Frauen.
Dabei zeigte sich überraschend, dass es in Wirklichkeit nicht die Frauen sind, für die romantische Beziehungen eine essenzielle Rolle im Leben spielen, sondern die Männer. „Männer sind offenbar tendenziell stärker darauf fokussiert, feste Beziehungen einzugehen“, berichtet Wahring. So gaben in einer aktuellen US-Studie beispielsweise 61 Prozent der alleinstehenden Männer, aber nur 38 Prozent der alleinstehenden Frauen an, dass sie gerade auf der Suche nach einer romantischen Beziehung sind.
Mehr Vorteile durch eine Beziehung
Aber warum ist das so? Wie die Metaanalyse ergeben hat, bieten Liebesbeziehungen Männern offenbar mehr Vorteile als Frauen. „Beziehungen wirken sich bei Männern positiver auf Wohlbefinden und Gesundheit aus als bei Frauen. Selbst die Lebenserwartung von Männern hängt stärker davon ab, ob sie in einer festen Beziehung leben, als das bei Frauen der Fall ist“, so Wahring.
Zum Beispiel brauchen Männer feste Beziehungen statistisch betrachtet stärker, um ihre emotionalen Bedürfnisse zu erfüllen. In einer britischen Studie gaben etwa vier Fünftel der Männer, aber nur rund die Hälfte der Frauen an, dass ihr Partner gleichzeitig auch ihre engste Bezugsperson ist. Das liegt wahrscheinlich daran, dass Frauen typischerweise mehr emotionale Unterstützung von ihrem sozialen Umfeld erhalten als Männer. Frauen können mit ihren Freundinnen und Familienmitgliedern daher besser über Probleme sprechen und Unterstützung erhalten, wie Wahring und ihre Kollegen vermuten.
Psychische und körperliche Gesundheit profitieren
Die Diskrepanz zwischen den Geschlechtern in Bezug auf den Stellenwert einer Beziehung könnte bereits in der Kindheit entstehen. Während es bei Frauen von klein auf als normal erachtet wird, Emotionen zu teilen und sich verletzlich zu zeigen, ist dies bei Männern häufig noch verpönt. Ohne feste Partnerin fehlt es Männern daher häufig an Personen, denen sie sich emotional öffnen können.
Das hat auch Folgen für die psychische Gesundheit. Das Alleinleben verdoppelt einer britischen Studie zufolge bei Männern das Suizidrisiko im Vergleich zum Zusammenleben mit einer Partnerin und sorgt außerdem vermehrt für depressive Symptome, Stress und Einsamkeit. Auch die körperliche Gesundheit leidet bei lange alleinlebenden oder schon häufig getrennten Männern. Zum Beispiel weisen sie oft erhöhte Entzündungsmarker im Blut auf, Frauen dagegen nicht.
Trennungsschmerz wiegt bei Männern schwerer
Dass Männer im Schnitt so viel stärker von romantischen Beziehungen profitieren, führt auch dazu, dass sie seltener Trennungen beziehungsweise Scheidungen initiieren als Frauen. Wie Wahring und ihr Team herausgefunden haben, leiten Frauen rund 70 Prozent der Scheidungen ein, Männer dagegen nur 15 Prozent. Die verbleibenden 15 Prozent entfallen auf Scheidungen, für die sich beide Partner gleichermaßen entschieden haben.
Nach einer Trennung leiden Männer außerdem meist stärker als Frauen, wie die Metaanalyse enthüllt. Bis sie sich von einem Beziehungsbruch erholen, dauert es bei ihnen häufiger als bei Frauen ein komplettes Jahr oder länger. Nach einer Scheidung berichten 40 Prozent der Männer, aber nur 20 Prozent der Frauen in diesem ersten Trennungsjahr von häufigen Gefühlen der Einsamkeit, wie eine der analysierten Studien ermittelt hat.
Darüber hinaus neigen Männer offenbar dazu, ihre Ex-Partnerin nach einer Trennung weiterhin positiv zu sehen. Dass sie nach dem Beziehungs-Aus über sich hinauswachsen oder sich selbst und ihre Bedürfnisse besser kennenlernen, tritt bei Männern allerdings seltener ein als bei Frauen.
Mehr Forschung nötig
Durch die Arbeit von Wahring und ihrem Team ist nun erstmals ein Modell entstanden, das Geschlechtsunterschiede in verschiedene Phasen von Beziehungen berücksichtigt. Doch wie allgemeingültig es sich auf Beziehungen anwenden lässt, ist noch unklar, denn die neue Metaanalyse beruht ausschließlich auf Befunden zu heterosexuellen Beziehungen, die außerdem zumeist in westlichen Industrieländern gewonnen wurden.
„Welche geschlechtsspezfischen Unterschiede es bei Männern und Frauen in homosexuellen Beziehungen oder in anderen Kulturen gibt, diese Fragen müssen zukünftige Studien beantworten“, betont Seniorautor Paul Van Lange von der Freien Universität Amsterdam. (Behavioral and Brain Sciences, 2024; doi: 10.1017/S0140525X24001365)
Quelle: Humboldt-Universität zu Berlin