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Neurowissenschaften

Sport oder Snack? Warum wir uns oft für den Snack entscheiden

Hirnbotenstoff Orexin beeinflusst Wahl zwischen Essen und Bewegung

Snack
Bei der Wahl zwischen Sport und einer süßen Versuchung gewinnt oft der Snack – aber warum? © Deagreez/ iStock

Sport oder Leckerbissen? Bei solchen Entscheidungen spielt ein spezieller Hirnbotenstoff eine entscheidende Rolle, wie Neurowissenschaftler entdeckt haben. Ihr Experiment mit Mäusen legt nahe, dass das erst vor 25 Jahren entdeckte Hormon Orexin auch uns Menschen dazu bringt, die leckere Versuchung der Bewegung vorzuziehen. Sollte sich das bestätigen, könnte diese Entdeckung künftig auch Menschen zu mehr Bewegung verhelfen, die sich nur schwer zum Sport motivieren können, wie das Team in „Nature Neuroscience“ berichtet.

Sport ist gesund, hält uns körperlich und geistig fit, hemmt den Appetit und beugt zahlreichen Erkrankungen vor. Obwohl diese Tatsache hinreichend bekannt ist und dafür nicht mal olympische Leistungen erforderlich sind, treiben viele Menschen zu wenig Sport. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO bewegen sich 80 Prozent der Jugendlichen und 27 Prozent der Erwachsenen zu wenig. Die Folge sind Übergewicht und Fettleibigkeit.

Selbst wenn die Motivation und Bewegungsfreude grundsätzlich vorhanden ist, gesellen sich zum inneren Schweinehund allgegenwärtige Versuchungen wie leckere Speisen, die unser Belohnungszentrum triggern. Doch was genau passiert in unserem Gehirn, wenn wir uns zwischen Sport oder Snacks entscheiden? Und warum gelingt manchen Menschen die Überwindung zur Bewegung und anderen nicht?

Maus im Laufrad
Orexin bringt Mäuse dazu, lieber im Laufrad zu trainieren, statt sich an der „Milchshakebar“ zu laben. © Roger Asbury / iStock

Laufrad oder Milchshake?

Das hat nun ein Forschungsteam um Alexander Tesmer von der ETH Zürich herausgefunden. Dafür untersuchten die Neurowissenschaftler an Mäusen, welcher Hirnbotenstoff und welche Nervenzellen diese Entscheidung vermitteln. Klar schien nur: Das für die allgemeine Motivation zuständige Dopamin kann nicht der Auslöser sein. „Unser Gehirn schüttet sowohl beim Essen als auch beim Sport Dopamin aus, was nicht erklärt, warum wir das eine dem anderen vorziehen“, sagt Seniorautor Denis Burdakov von der ETH Zürich.

Die Forschenden entwickelten deshalb ein Verhaltensexperiment für Mäuse, in dem die Tiere jeweils zwischen acht verschiedenen Optionen wählen konnten. Dazu gehörten ein Laufrad, auf dem sie sich bewegen konnten, und eine „Milchshake-Bar“, an der sie einen Erdbeer-Milchshake erhielten. „Mäuse mögen Milchshake aus dem gleichen Grund wie wir Menschen: Er enthält viel Zucker und Fett und schmeckt gut“, so Burdakov. Das Team beobachtete das Verhalten der Mäuse und zeichnete die Aktivität im Hypothalamus auf.

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Orexin gibt den Ausschlag

Die Analysen ergaben, dass nicht Dopamin, sondern ein anderer der über hundert aktiven Botenstoffe in unserem Gehirn die Entscheidung trifft: Die Wahl zwischen Bewegung und Essen trifft das Neuropeptid-Hormon Orexin, das von den sogenannten Orexin-Neuronen im Hypothalamus ausgeschüttet wird. Dieser Botenstoff wurde erst vor rund 25 Jahren entdeckt. Seine vielfältigen Funktionen klären Forschende nun nach und nach auf.

Bei dem Experiment verglichen die Forschenden normale Mäuse und solche, bei denen das Orexin-System medikamentös oder genetisch blockiert war. Die normalen Mäuse verbrachten dabei doppelt so viel Zeit auf dem Laufrad und halb so viel Zeit an der „Milchshake-Bar“ wie die Mäuse mit blockiertem Orexin-System, wie das Team berichtet. Ohne Orexin fiel die Wahl demnach eindeutig auf den Milchshake, und die Mäuse gaben die Bewegung auf, um zu fressen. Mit Orexin präferierten die Tiere hingegen das Laufen.

Interessanterweise unterschied sich das Verhalten der beiden Tiergruppen aber nicht, wenn die Wissenschaftler den Mäusen entweder nur das Laufrad oder nur den Milchshake anboten. Die Forschenden schließen daraus, dass die Hauptaufgabe des Orexin-Systems nicht darin besteht, zu kontrollieren, wie viel sich die Mäuse bewegen oder wie viel sie fressen. „Vielmehr scheint Orexin zentral zu sein bei der Entscheidung zwischen dem einen und dem anderen“, erklärt Burdakov.

Gleiches Prinzip beim Menschen vermutet

Tesmer und seine Kollegen gehen davon aus, dass Orexin auch beim Menschen für diese Entscheidung verantwortlich ist, weil die betreffenden Hirnfunktionen bei Maus und Mensch praktisch gleich ablaufen. Dennoch müssen Tests dies nun erst noch bestätigen. „Es wird nun darum gehen, unsere Ergebnisse auch bei Menschen zu überprüfen“, sagt Koautorin Daria Peleg-Raibstein von der ETH Zürich.

Dazu könnten in Folgestudien beispielsweise Narkolepsie-Patienten untersucht werden, deren Orexin-System genetisch bedingt nur eingeschränkt funktioniert. Das ist bei etwa einem von zweitausend Menschen der Fall. Eine weitere Möglichkeit wäre es, Menschen zu beobachten, deren Orexin-System durch ein für Schlafstörungen zugelassenes Medikament blockiert wird. Dabei könnte dann auch untersucht werden, wie die Orexin-Neuronen bei solchen Entscheidungen mit dem Rest des Gehirns wechselwirken.

Neuer Ansatz gegen Fettleibigkeit?

Sollte sich bestätigen, dass Orexin auch bei uns zwischen Sport und Snack entscheidet, könnte das vielen Menschen zu mehr Bewegung und einem gesünderen Leben verhelfen. „Wenn wir verstehen, wie das Gehirn zwischen Nahrungsaufnahme und körperlicher Aktivität vermittelt, können wir wirksamere Strategien entwickeln, um die weltweite Adipositas-Epidemie und damit verbundene Stoffwechselstörungen zu bekämpfen“, sagt Peleg-Raibstein. (Nature Neuroscience, 2024; doi: 10.1038/s41593-024-01696-2)

Quelle: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

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