Psychologie

Verrät unser Psycho-Typ das Demenzrisiko?

Psychologische Charaktermerkmale können die Hirngesundheit im Alter beeinflussen

Alte Frau lacht
Die Kombination unserer Charaktereigenschaften beeinflusst das Demenzrisiko. © SolStock/ iStock

Risikofaktor Charakter: Kann auch unsere Persönlichkeit beeinflussen, ob wir im Alter Demenz entwickeln oder nicht? Möglicherweise schon. Denn Mediziner haben drei psychologische Profile identifiziert, anhand derer sich das individuelle Demenzrisiko vorhersagen lässt. Entscheidend sind demnach bestimmte Charaktereigenschaften, die auch die geistige Entwicklung beeinflussen, darunter zum Beispiel Zielstrebigkeit, Stressresistenz und die Offenheit für neue Erfahrungen.

In Deutschland sind derzeit rund zwei Millionen Menschen an einer Demenz erkrankt. Prognosen gehen davon aus, dass sich die Häufigkeit dieser Erkrankung in den nächsten 20 Jahren weltweit verdoppeln wird. Doch wie lässt sich das eigene Risiko, im Alter an Demenz zu erkranken, verringern? Zu den bekannten Risikofaktoren zählen zum Beispiel Rauchen, Übergewicht und soziale Isolation. Lebt man gesund und gesellig, wird eine Demenz somit unwahrscheinlicher.

Doch auch bestimmte Charaktereigenschaften können den geistigen Abbau im Alter begünstigen, wie jüngere Studien zeigen. So werden beispielsweise wiederholte negative Gedanken und erhöhtes Stressempfinden mit einem höheren Demenzrisiko in Verbindung gebracht. Die ausgeprägte Fähigkeit zur Selbstreflexion und das Gefühl, einen Sinn im Leben zu haben, wirken hingegen schützend gegen den geistigen Verfall – so jedenfalls die Annahme.

Welcher Charakter hält im Alter fit?

Aber: „Bislang wurden psychologische Risiko- und Schutzfaktoren fast ausschließlich unabhängig voneinander untersucht“, betonen Forschende um David Bartrés-Faz von der Universität Barcelona. Sie haben beide Faktorengruppen daher nun erstmals zusammenfassend untersucht. Damit erhofften sie sich zum Beispiel eine Antwort auf die Frage, ob hohe Werte psychologischer Risikofaktoren oder niedrige Werte psychologischer Schutzfaktoren stärker mit altersbedingten Gehirnveränderungen verbunden sind.

Um das herauszufinden, analysierte das Team Daten von über 1.000 kognitiv nicht beeinträchtigten Menschen aus zwei Kohorten. Die eine wies ein Durchschnittsalter von 51,4 Jahren auf, die andere war durchschnittlich 71,1 Jahre alt. Von den Teilnehmern erfassten Bartrés-Faz und seine Kollegen zunächst neun psychologische Merkmale: die Tendenz zum Grübeln und Sorgenmachen, die Ausprägung der Persönlichkeitsmerkmale Neurotizismus, Extraversion, Verträglichkeit, Offenheit und Gewissenhaftigkeit sowie das Maß an Selbstreflexion und empfundenem Sinn im Leben.

Diese Angaben verglichen die Forschenden anschließend mit dem individuellen Risiko der Teilnehmer, später an Demenz zu erkranken – unter anderem gemessen an ihren kognitiven Fähigkeiten und der Dicke ihrer grauen Substanz in demenzrelevanten Hirnregionen. Eine geringe Dicke wird dabei mit einem erhöhten Demenzrisiko in Verbindung gebracht.

Drei psychologische Profile identifiziert

Das Ergebnis: Insgesamt konnte das Team auf Basis dieser Daten drei psychologische Profile ermitteln, die jeweils den Einfluss bestimmter Charaktereigenschaften auf das eigene Demenzrisiko widerspiegeln. Die Teilnehmer ließen sich aufgrund ihrer Persönlichkeit jeweils in eines der drei Profile einordnen.

Profil eins ist durch ein geringes Maß an schützenden psychologischen Merkmalen gekennzeichnet. Menschen dieses Typs erweisen sich zum Beispiel als wenig zielstrebig und offen für neue Erfahrungen. Diese Eigenschaften gingen in der Analyse mit der schlechtesten kognitiven Leistungsfähigkeit und mit der schnellsten Ausdünnung der grauen Substanz einher. Auch ist in Profil eins eine geringere Bereitschaft zu einer gesunden Lebensweise zu beobachten als in den anderen Profilen, wie Bartrés-Faz und seine Kollegen berichten. Zusammengenommen deutet das daraufhin, dass Angehörige des ersten Profils das höchste Demenzrisiko aufweisen.

Gehirnscans
Die gemessenen Kortikalisdicken im Vergleich © Bartrés-Faz et al./ Nature Mental Health/CC-by 4.0

Stressanfälligkeit erhöht Demenzrisiko

Ähnlich schlecht stand es um Teilnehmer mit Profil zwei. Dieses hebt sich durch ein hohes Maß an riskanten psychologischen Merkmalen von den anderen beiden Persönlichkeitsprofilen ab. Menschen mit diesem Profil neigen unter anderem stark zu Stress, Kummer, negativen Gedanken und Grübeln und sind insgesamt neurotischer als die anderen Gruppen, wie die Forschenden erklären.

Das wirkt sich auch auf die psychische Gesundheit aus: „Unsere Ergebnisse zeigten, dass Personen mit Profil zwei in beiden Kohorten die stärksten Symptome von Depression, Angst und Einsamkeit sowie die schlechteste Schlafqualität im Vergleich zu den anderen Profilen aufwiesen“, berichten Bartrés-Faz und sein Team. Auch bei Profil zwei besteht demnach ein erhöhtes Demenzrisiko – allerdings nicht ganz so hoch wie bei Profil eins.

„Ausgewogene“ Personen haben am wenigsten zu befürchten

Das niedrigste Demenzrisiko haben hingegen Angehörige des „ausgewogenen“ Profils drei. Betroffene zeichnen sich sowohl durch mittlere Schutz- als auch mittlere Risikofaktoren aus. Sie sind also zum Beispiel weder stark stressanfällig noch verweigern sie sich in hohem Maße neuen Erfahrungen. In der Studie führte dies dazu, dass Personen in Profil drei eine bessere kognitive und psychische Gesundheit aufwiesen als Teilnehmer aus den anderen beiden Profilen.

„Diese Assoziationen wurden in allen untersuchten Altersgruppen beobachtet, was die Bedeutung eines ausgewogenen Spektrums psychologischer Aspekte als bestimmende Größe der psychischen und kognitiven Gesundheit im Erwachsenenalter und im höheren Alter unterstreicht“, erklärt Bartrés-Faz.

Weg für individuelle Prävention geebnet

Für die Demenzprävention der Zukunft bedeuten diese Erkenntnisse, dass die Vorbeugung gegen den geistigen Abbau im Alter wahrscheinlich dann besonders effektiv ist, wenn sie zu den persönlichen Charakterzügen passt. „So könnten beispielsweise Menschen mit Merkmalen, die nur geringe psychologische Schutzfaktoren aufweisen, stärker von Psychotherapien profitieren, die günstige Verhaltensweisen und Lebensziele aufzeigen und fördern, wie etwa die Akzeptanz- und Commitment-Therapie“, erklärt Bartrés-Faz.

Solche Therapien könnten Personen aus Profil zwei beispielweise dabei helfen, zielstrebiger und offener für Neues zu werden und damit ihr Demenzrisiko deutlich zu verringern. Bevor es soweit ist, müssen die Ergebnisse allerdings erst noch in Studien mit größeren Stichproben bestätigt werden, wie das Team betont. (Nature Mental Health, 2025; doi: 10.1038/s44220-024-00361-8)

Quelle: University of Barcelona

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