Psychologie

Wie Alltagsstress unsere Stimme verändert

Belastung zeigt sich an subtilen Veränderungen von Tonhöhe, Lautstärke und Tempo

Stimme
Unsere Stimme kann verraten, wie sehr wir unter Stress stehen – sogar dann, wenn wir uns subjektiv der Belastung nicht bewusst sind. © libre de droit/ Getty images

Höher, schneller, lauter: Wenn wir im Stress sind, wirkt sich dies auch auf unsere Stimme und Sprechweise aus, wie eine Studie enthüllt. Demnach sprechen gestresste Menschen unbewusst höher, schneller und etwas lauter als sonst. Diese Unterschiede sind zwar so subtil, dass sie unseren Ohren oft nicht auffallen, durch akustische Analysen lassen sie sich aber nachweisen. Interessant auch: Diese Veränderungen treten selbst dann auf, wenn wir uns subjektiv nicht sonderlich gestresst fühlen.

Zeitdruck, Konflikte, Probleme: Immer mehr Menschen sind in Beruf und Familie erhöhtem Stress ausgesetzt. Wie stark wir unter diese Belastungen leiden, ist zwar verschieden – nicht jeder empfindet Stress gleich stark. Dennoch zeigen Studien, dass ein anhaltende Stressbelastung der Gesundheit und Psyche schadet. Die Folgen reichen von Schlafstörungen, Depressionen und Burnout bis zu Immuneffekten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und sogar Krebs.

Das Problem: Die Stressbelastung eines Menschen objektiv zu ermitteln, ist schwierig. Meist wird dafür der Spiegel des Stresshormons Cortisol bestimmt, was die Analyse einer Blut- oder Speichelprobe erfordert und daher aufwendig ist.

Stimme als Stressanzeiger?

Doch es geht auch einfacher: Dier Alltagsstress eines Menschen verrät sich auch an seiner Stimme und Sprechweise, wie nun Markus Langer von der Universität des Saarlandes und sein Team herausgefunden haben. Anstoß für ihre Studie waren frühere Studien, die bereits Stimmveränderungen in extremen Belastungssituationen nachgewiesen hatten. „Es gab Auswertungen der Stimmen von Piloten, kurz vor einem Flugzeugabsturz. Deren Stimmen haben Stressanzeichen gezeigt, was vielleicht nicht weiter überraschend ist“, erklärt Langer.

Um herauszufinden, ob auch normaler Alltagstress solche Veränderungen hervorruft, bat das Team 111 berufstätige Testpersonen, eine Woche lang täglich über ihren Arbeitsalltag und mögliche Stressfaktoren zu berichten. Auch nach dem subjektiven Stressniveau wurden die Teilnehmenden befragt. Jede Testperson schickte zudem abends eine Sprachnachricht, die die Forscher dann einer akustischen Analyse unterzogen. Dafür wurden die physikalischen Parameter über die Woche gemittelt und dann gemessen, wie stark die einzelnen Tageswerte davon abweichen und in welcher Form.

Lauter, schneller und höher

Das Ergebnis: Hatten die Testpersonen einen stressigen Tag voller Termine, Konflikte oder schwieriger Aufgaben, zeigten sich an ihrer Stimme subtile, aber signifikante Veränderungen gegenüber der Sprechweise an weniger stressigen Tagen. „Zum einen stieg die Intensität der Stimme, das heißt, die Menschen haben etwas lauter gesprochen“, berichtet Langer. „Darüber hinaus war die Stimme höher und sie haben schneller gesprochen als üblich.“

Das Ausmaß dieser stressbedingten Veränderungen ist allerdings gering: Wenn beispielsweise eine Testperson im Mittel mit 60 Dezibel sprach, stieg die Lautstärke bei erhöhter Stressbelastung nur um eine Einheit auf 61 Dezibel. „Diese kleinen Veränderungen sind oft für menschliche Ohren gar nicht auffällig, aber im Computer sind die Unterschiede signifikant messbar“, erklärt Langer.

Objektiver Stressanzeiger

Wichtig auch: Diese stimmliche Reaktion auf Stress tritt selbst dann auf, wenn ein Mensch subjektiv kein Gespür für die Belastung hat. Selbst wenn die Testpersonen angaben, sich nicht stärker gestresst zu fühlen als sonst, machte sich ein anstrengender Tag mit hoher Belastung an ihrer Stimme bemerkbar. „Das ist eine wichtige Erkenntnis, denn fragt man die Leute, ob sie gestresst sind, sagen viele ‚Ach, nein, das geht schon‘, obwohl es schon längst an der Zeit wäre, etwas zu ändern“, sagt Langer.

Nach Ansicht der Forscher könnte die Stimmanalyse demnach dazu beitragen, die objektive Stressbelastung eines Menschen auf relativ einfache Weise zu ermitteln. Einige simple Sprachaufnahmen mit dem Handy oder Rechner könnten genügend Daten liefern, um beispielsweise mithilfe automatisierter Auswertesoftware das Stressniveau zu messen. „Die Stimme könnte dann als einfach zu messendes Frühwarnzeichen für stressbedingte Gesundheitsfolgen dienen“, erklären Langer und sein Team. (Psychological Science, 2022; doi: 10.1177/09567976211068110)

Quelle: Universität des Saarlandes

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