So landet zum Beispiel das lustige Gespräch mit der besten Freundin in der einen Schachtel und der spannende Kinofilm, den wir uns direkt im Anschluss mit ihr anschauen, in einer zweiten Box. Ein Faktor, der die Aufteilung in verschiedene Häppchen beeinflusst, ist der äußere Kontext, also zum Beispiel das buchstäbliche Durchschreiten einer Tür – in diesem Fall vielleicht der Eingangstür zum Kino. Solche räumlichen Wechsel helfen uns dabei, „Trennstriche“ zwischen Erinnerungen zu setzen.
Psychologen vermuten aber schon länger, dass auch der innere Kontext, also die Emotionen, die wir während eines Ereignisses empfinden, die Trennstriche zwischen einzelnen Episoden beeinflussen können.
Emotionale Bildgeschichten
Um die Rolle der Emotionen zu überprüfen, haben Clewett und weitere Forscher rund 70 Versuchsteilnehmer zu einem besonderen Gedächtnistest gebeten. Dabei bekamen die Probanden eine Reihe von verschiedenen Bildern auf einem Computerbildschirm gezeigt, zum Beispiel das einer Wassermelonenscheibe, einer Brieftasche oder eines Fußballs. Sie sollten sich dann jeweils eine kleine Geschichte ausdenken, die die verschiedenen Bilder miteinander verband.
Der Clou: Während die Teilnehmer die Bilder betrachteten, hörten sie speziell für das Experiment komponierte Musik, die besonders freudige, ängstliche, traurige oder ruhige Gefühle bei ihnen auslöste. Einen Tag später sollten die Probanden die Reihenfolge der Bilder, die sie gesehen hatten, nochmal wiedergeben. Indem die Forschenden nun kombinierten, was sich die Versuchspersonen gemerkt hatten und welche Musik jeweils während der Bilderserien gelaufen war, konnten sie darauf schließen, wie die Gefühle der Personen ihre Gedächtnisbildung beeinflusst hatten.
Gefühlswechsel schaffen Trennstriche
Das Ergebnis: Wie die Forschenden beobachten konnten, waren es vor allem die Wechsel zwischen den verschiedenen Emotionen, die sich auf die Gedächtnisbildung auswirkten. Immer dann, wenn sich die Gefühle der Probanden wandelten, formte sich in ihrem Kopf auch ein Trennstrich, der verschiedene Erinnerungsepisoden voneinander abgrenzte. So konnten sie zum Beispiel all jene Bilder in eine Episode packen, die sie während trauriger Musik gesehen hatten. Wechselte die Melodie dann zu fröhlicher Musik, begann im Gehirn der Teilnehmer auch eine neue Episode.
Wie gut sich die Probanden die Bilder-Reihenfolgen merken konnten, hing aber auch von der Richtung des Gefühlswechsels ab. Tatsächlich konnten sich die Teilnehmer immer dann besser und zusammenhängender erinnern, wenn sich ihre Gefühle von neutral zu positiv gewandelt hatten. Ein Wandel von neutralen zu negativen Gefühlen hingegen beeinträchtigte die Merkfähigkeit und sorgte dafür, dass die Teilnehmer einen größeren mentalen Abstand zwischen den verschiedenen Bildern schufen.
Musik gegen das Trauma
Demnach sorgen zwar sowohl positive als auch negative Emotionen dafür, dass sich Erlebnisse in unser Gedächtnis einbrennen, doch ihre Speicherform variiert. Diese Unterschiede werden vor allem bei psychischen Problemen wie der posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) deutlich. Indem bei ihr traumatische Erinnerungen nie „ordentlich“ und zusammenhängend in einer Kiste verstaut wurden, lässt sich auch das Öffnen dieser Kiste, also das gezielte Abrufen der Erinnerungen, nicht immer steuern, wie Clewlett erklärt.
„Das ist der Grund, warum gewöhnliche Ereignisse wie Feuerwerkskörper Flashbacks von traumatischen Erfahrungen auslösen können, zum Beispiel das Überleben eines Bombenangriffs oder einer Schießerei“, sagt der Forscher. Aber das ließe sich womöglich ändern: „Wir glauben, dass wir positive Emotionen einsetzen können, möglicherweise mit Hilfe von Musik, um Menschen mit PTBS dabei zu helfen, die ursprüngliche Erinnerung in eine Kiste zu packen und wieder zu integrieren, sodass die negativen Emotionen nicht in den Alltag überschwappen.“ (Nature Communications, 2023; doi: 10.1038/s41467-023-42241-2)
Quelle: University of California – Los Angeles
22. November 2023
- Anna Manz