Verstärkung per Lidschlag: Durch regelmäßiges Blinzeln schützen wir nicht nur unsere Augen und kommunizieren mit unseren Mitmenschen. Der Lidschlag erfüllt noch eine weitere wichtige Funktion, wie Neurowissenschaftler herausgefunden haben. Obwohl unsere Augen beim Blinzeln kurzzeitig geschlossen sind, hilft es unserem Gehirn dabei, visuelle Informationen besser zu verarbeiten. Doch wie funktioniert das?
Um unsere Augen vor dem Austrocken zu schützen, blinzeln wir regelmäßig. Dabei verteilt sich Tränenflüssigkeit auf der Hornhaut der Augen und hält sie feucht. Aus früheren Studien ist zudem bekannt, dass wir über das Blinzeln auch nonverbal kommunizieren. Allerdings blinzeln wir deutlich häufiger, als zu diesen Zwecken nötig wäre.
Alle paar Sekunden schließen sich unsere Augenlider unwillkürlich für bis zu 0,3 Sekunden. Bis zu zehn Prozent unserer Zeit verbringen wir mit Blinzeln. Währenddessen macht unser Gehirn Pause. Dadurch entgehen uns vorübergehend Entwicklungen, die um uns herum passieren. Warum aber gehen wir das Risiko ein, dass wir beim Blinzeln eine Gefahr übersehen? Erfüllt der Augenaufschlag möglicherweise noch einen weiteren, bisher unbekannten Zweck?
Sehen wir durch Blinzeln schlechter?
Dieser Frage sind nun Bin Yang von der University of Rochester und seine Kollegen nachgegangen. Ausgangspunkt ihrer Studie war die Vermutung, dass der Lidschlag bei der Verarbeitung von visuellen Eindrücken eher hinderlich sein müsste. Denn während des Blinzelns fällt kurzzeitig kein Licht auf die Netzhaut im Auge und löst keine Nervensignale aus. Aber nehmen wir dadurch tatsächlich unsere Umwelt anders wahr?
Um das herauszufinden, führten die Forschenden Versuche mit zwölf Testpersonen durch. Sie zeigten ihnen auf einem Monitor 2,5 Sekunden lang verschiedene Gitterkonstrukte in Grautönen, die um 45 Grad geneigt waren. Die Probanden sollten dabei angeben, ob die Gitter mit oder entgegen dem Uhrzeigersinn verdreht wurden. Zugleich verfolgten Yang und seine Kollegen die Augenbewegungen und das Blinzeln der Probanden und verglichen diese mit Computermodellen und Spektralmessungen. Diese lieferten Hinweise darauf, wie viel Licht zwischen den Augenaufschlägen auf die Netzhaut fiel.
Augenaufschlag verstärkt visuelle Signale
In den Versuchen zeigte sich überraschend: Die Testpersonen erkannten die Bewegung der Gittermuster häufiger richtig, wenn sie während der Betrachtung der Gitter blinzelten. Ob sie dabei aus Reflex blinzelten oder weil sie dazu aufgefordert wurden, spielte keine Rolle, wie das Team berichtet. Auch ein „simuliertes“ Blinzeln, bei dem sich der Monitor kurzzeitig verdunkelte, hatte denselben Effekt wie echtes Blinzeln.
Entgegen der Annahme beeinträchtigt Blinzeln demnach nicht die visuelle Verarbeitung des Gesehenen. Stattdessen erfüllt der Augenaufschlag sogar eine hilfreiche Funktion in unserem Gehirn. Denn das Blinzeln reguliert die Helligkeit im Auge, sodass die Signale für visuelle Informationen verstärkt werden, wie Yang und seine Kollegen erklären. Anders ausgedrückt: Ohne Blinzeln würden die Nervenenden in den Augen schwächere Signale an unser Gehirn weiterleiten. Im Ergebnis erhöht Blinzeln den Kontrast der eingehenden Signale, sodass wir das Gesehene besser verarbeiten können.
„Indem es die Empfindlichkeit für niedrige räumliche Frequenzen erhöht, können wir durch das Blinzeln räumliche Muster – wie das Gitter im Test oder langsame Bewegungen – leichter erkennen“, berichtet das Team.
Blinzeln unterbricht Szenen, schärft sie dann aber
Bei Szenen, die sich vor unseren Augen abspielen, „kann Blinzeln effektiv die Empfindlichkeit für die grobe Struktur der visuellen Szene erhöhen“, so die Wissenschaftler. Demnach unterbricht das Blinzeln die Bilderfolge zwar, verstärkt aber anschließend die Szene, sodass wir sie besser wahrnehmen können. Die Studie belegt damit, dass Blinzeln unsere visuelle Wahrnehmung nicht stört, sondern empfindlicher macht. Wir sehen dadurch insgesamt besser, obwohl unsere Augen zwischendurch geschlossen sind.
Der Augenaufschlag ist demnach ähnlich wichtig für die effektive Verarbeitung des Gesehenen wie die Netzhaut und unwillkürliche Augenbewegungen bei geöffnetem Lid. Denn auch diese sorgen dafür, dass wir unsere Umgebung fokussiert und scharf sehen. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2024; doi: 10.1073/pnas.2310291121)
Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS)