Beständige Statusabfrage: Damit unser Körper seine Funktionen optimal regulieren kann, verarbeiten bestimmte Neuronen in unserem Gehirn ständig Lebenssignale aus unserem Körper – beispielsweise unseren Atemrhythmus oder den Herzschlag. Unter anderem kommuniziert unser Gehirn kontinuierlich mit Herz und Lunge. Verantwortlich dafür sind spezialisierte Gehirnzellen im Thalamus und Subthalamus, wie Forschende nun herausgefunden haben.
Unser Gehirn erhält kontinuierlich Informationen aus anderen Körperteilen, vor allem von Organen wie dem Darm, dem Herzen und der Lunge. Diese Signale nehmen wir nur selten bewusst wahr. Sie beeinflussen jedoch unter anderem, wie unser Gehirn Sinneseindrücke und Emotionen verarbeitet.
„Jeder Herzschlag und jeder Atemzug erzeugen einen reichhaltigen, eingehenden Strom sensorischer Informationen für das menschliche Gehirn“, erklärt Vibhor Krishna von der University of North Carolina in Chapel Hill. Wie das Gehirn diese Informationen in andere neurologische Prozesse integriert, war bislang jedoch unklar. Unbekannt ist auch, ob Gehirn, Herz oder Lunge Schaden nehmen, wenn dieser Informationsfluss abreißt.
Messung der Hirnströme während Hirn-Operation
Neurowissenschaftler und Neurochirurgen um Krishna und Erstautorin Emanuela De Falco von der École Polytechnique Fédérale de Lausanne haben sich den Informationsfluss zwischen Gehirn, Herz und Lunge nun genauer angeschaut. Dafür zeichneten sie mit Mikroelektroden die Hirnströme von 23 Epilepsie-Patienten auf, deren Gehirn während einer Operation tiefenstimuliert wurde. Für die Patienten stellt dies eine gängige Behandlung ihrer neurologischen Störungen dar.
Den Forschenden ermöglichte diese Technik, während der OP die Aktivität einzelner Neuronen im Gehirn der Patienten zu analysieren. Dabei betrachteten die Neurowissenschaftler insbesondere Neuronen in drei Hirnregionen: in den beiden Thalamuskernen Nucleus ventralis intermedius und Nucleus ventralis caudalis sowie im Nucleus subthalamicus. Diese Hirnareale verarbeiten Impulse und sind für die Körperwahrnehmung zuständig. Als Kontrolle untersuchten sie auch Neuronen im Cortex.
Thalamus verarbeitet Herzschlag und Co
Die Auswertung der Hirnströme ergab, dass bestimmte Gehirnzellen im Thalamus und Subthalamus tatsächlich direkt auf die Signale aus dem Herzen und der Lunge reagieren und sie verarbeiten. Etwa 70 Prozent der dort untersuchten Neuronen reagierten auf ein solches Signal – entweder den Herzschlag, die Intervalldauer zwischen den einzelnen Herzschlägen oder die Atmung. Jede dritte dieser Nervenzellen verarbeitete sogar mehrere dieser Körpersignale. Die Neuronen im Cortex reagierten hingegen nicht oder kaum auf die Informationen von Herz und Lunge.
Die aktiven Nervenzellen reagierten sehr unterschiedlich auf die eingehenden Signale aus dem Körper, wie das Team berichtet. Einige zeigten beispielsweise eine sehr schnelle Reaktion, bei anderen war die Aktivität eher verzögert. Auch die Signalintensität schwankte. Die Neurowissenschaftler schließen daraus, dass es spezialisierte Nervenzellen im Thalamus und Subthalamus gibt, die die Lebenszeichen aus Herz und Lunge verarbeiten.
Erkenntnisse für viele Krankheiten hilfreich
„Das Gehirn hält durch direkte neurologische und hormonelle Regulierung die Homöostase im gesamten Körper aufrecht. Diese Studie zeigt, dass die eingehenden Informationen aus dem Herzen und der Lunge neben anderen Regionen auch in den Hirnregionen Thalamus und Subthalamus verarbeitet werden, sodass unser Gehirn seine Rolle bei der Regulierung von Körperfunktionen effektiv übernehmen kann“, erklärt Nelson Oyesiku von der University of North Carolina, der selbst nicht an der Studie beteiligt war.
Die Ergebnisse verbessern insgesamt das Verständnis, wie einzelne Hirnregionen die Signale von inneren Organen verarbeiten. Dies kann künftig auch helfen, Krankheiten besser zu verstehen, wie die Forschenden erklären. „Wir glauben, dass unsere Arbeit für mehrere medizinische Fachgebiete von Bedeutung sein wird, darunter die Kardiologie, Pulmonologie, Neurologie, Psychiatrie und die psychologische Forschung,” sagt Krishna. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2024; doi: 10.1073/pnas.2316365121)
Quelle: University of North Carolina Health Care