Faktor Mensch: Das Online-Lernen funktioniert besser, wenn ein menschlicher oder zumindest menschenähnlicher Moderator den Lernstoff vermittelt, wie nun ein Experiment bestätigt. Demnach sind Lernerfolg und Aufmerksamkeit größer, wenn neben Bildern, Animationen und anderen fachlichen Informationen eine Person auf dem Bildschirm zu sehen ist. Dies erhöht die Aktivität und Synchronisation von für das Lernen wichtigen Hirnarealen und führt zu besseren Testergebnissen.
Digitalisierung und E-Learning spielen in Schule, Studium und Unternehmen eine immer größere Rolle. Online-Tutorials, Erklärvideos oder Lernspiele stehen hoch im Kurs. Doch welche Formen des Online-Lernens sind besonders erfolgversprechend? Immerhin zeigen Studien auch, dass digitales Teamwork die Kreativität eher mindert als stärkt. Zudem erinnern wir uns besser an Notizen, die wir nicht digital, sondern per Hand schreiben.
Motivierend oder ablenkend?
Jetzt haben Forschende einen weiteren wichtigen Faktor identifiziert: die Präsenz eines menschlichen oder zumindest menschenähnlichen Vermittlers im Video oder Tutorial. „Einer Theorie nach sind menschliche Gesichter, Gesichtsausdrücke und Stimmen für Lernende entscheidend, weil sie sozio-emotionale Reaktionen hervorrufen und die Aufmerksamkeit stärken“, erklären Chanyuan Gu vom Hongkong Polytechnic Institute und seine Kollegen. Doch es gibt auch einige Studien, nach denen die Präsenz eines Instrukteurs sogar eher ablenkend wirkt.
Um mehr Klarheit zu schaffen, haben Gu und sein Team die Wirkung eines menschlichen oder menschenähnlichen, animierten Wissensvermittlers beim Online-Lernen näher untersucht. Dafür analysierten sie die Hirnaktivität und Augenbewegungen von 81 College-Studenten, während diese Fachinhalte über verschiedene Lehrvideos vermittelt bekamen. Wie gut das Gelernte jeweils hängenblieb, überprüften die Forschenden mithilfe von Tests.
Größerer Lernerfolg bei menschlichem Instrukteur
Es zeigte sich: „Die Studierenden lernten besser, wenn es einen Online-Instrukteur gab“, berichtet das Team. Die Testpersonen schnitten sowohl beim Verständnis des vermittelten Fachinhalts als auch bei Tests der Transferleistung signifikant besser ab. Ähnliches galt auch für die Lerndurchgänge, in denen eine animierte, menschenähnliche Figur Anleitungen gab und die Inhalte erklärte. Die Lernerfolge sind demnach besser, wenn wir einen Gegenüber als Bezugsperson haben.
Dieser positive Effekt zeigte sich auch in der Hirnaktivität: „Die Präsenz eines Anleitenden – sowohl in menschlicher als auch in animierter Form – rief eine stärker synchronisierte Aktivität in den Hirnregionen hervor, die mit kognitiver und sozio-emotionaler Verarbeitung verknüpft sind“, berichten Gu und seine Kollegen. Auch die Augenbewegungen waren bei den Anleiter-basierten Videos stärker synchronisiert.
Soziale Präsenz stärkt Aufmerksamkeit und Motivation
Diese Ergebnisse legen nahe, dass ein Gegenüber auch beim Online-Lernen ein wichtiger Faktor ist, so das Team. Denn wenn ein Mensch oder eine menschähnliche Figur durch das Lernvideo oder Tutorial führt, ruft dies sozio-emotionale Reaktionen hervor, die unsere Aufmerksamkeit vertiefen und die Verarbeitung des Gelernten verbessern. Obwohl die Lernenden dann weniger oft auf die fachlichen Darstellungen schauen und eher das Gesicht des Vermittlers fixieren, bleibt dadurch mehr vom Lernstoff hängen als ohne Gegenüber.
„Die soziale Präsenz eines Instrukteurs hat sowohl motivierende wie ablenkende Effekte“, berichten die Forschenden. Aber insgesamt gesehen erhöht eine auf dem Bildschirm sichtbare Person oder Figur den Lernerfolg durch Videos und Online-Tutorials. Einer Theorie nach hängt dies damit zusammen, dass schon unsere Vorfahren es gewohnt waren, von Artgenossen zu lernen – unser Gehirn ist auf diese Art der „Face-to-Face“-Wissensvermittlung ausgerichtet.
Nach Ansicht von Gu und seinen Kollegen sind dies wichtige Erkenntnisse für das Lernen im digitalen Zeitalter. „Dies hat wesentliche Bedeutung für das heutige Bildungswesen, wo das Lernen per Online-Videos immer wichtiger wird“, so die Forschenden. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2024; doi: 0.1073/pnas.2309054121)
Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences