Mit einer Kombination aus Licht und Ultraschall können Münchener Forscher jetzt fluoreszierende Proteine mehrere Zentimeter tief in lebendem Gewebe sichtbar machen. Bisher scheiterten auch moderne Techniken an der starken Lichtstreuung jenseits von einem Millimeter Gewebedicke.
In der Fachzeitschrift „Nature Photonics“ beschreiben die die Forscher nun aber, wie sie „Licht hören“ und damit feststellen können, welche Gene in Geweben von Fliegenlarven und Fischen aktiv sind. Zukünftig könnte die Technologie die Untersuchung von Tumoren oder Herzkranzgefäßen im Menschen erleichtern.
Ein Millimeter: mehr ging nicht
Dass Gewebe lichtdurchlässig ist, weiß jedes Kind – denn wer hätte sich nicht einmal im Dunkeln mit der Taschenlampe in den Mund geleuchtet und sich vor dem roten Glimmen der Wangen gegruselt. Seit der Erfindung des Mikroskops nutzen Wissenschaftler Licht, um in Dünnschnitten von Gewebe festzustellen, ob es krankhaft verändert ist oder um die Funktionen von Zellen zu untersuchen.
Die Grenze für solche Untersuchungen liegt allerdings bei einem halben bis einem Millimeter Gewebedicke – in dickeren Schichten wird das heraustretende Licht so diffus, dass sich keine Details mehr erkennen lassen.
Grenze durchbrochen
Wissenschaftler um Professor Vasilis Ntziachristos von der Technischen Universität München und dem Helmholtz Zentrum München haben diese Grenze jetzt durchbrochen und dreidimensionale Bilder eines sechs Millimeter dicken, erwachsenen Zebrafischs erzeugt.
Dazu machen sie Licht hörbar: Sie bestrahlen den Fisch von verschiedenen Seiten mit Laserblitzen, die im Inneren des Fischkörpers auf Fluoreszenzfarbstoffe treffen – die Farbmoleküle wurden dem Fisch gentechnisch angezüchtet. Wenn die Fluoreszenzfarbstoffe unter den Laserbitzen aufleuchten, erwärmt sich ihre Umgebung, die sich ein wenig ausdehnt. Weil dies extrem schnell geschieht, entsteht eine Druckwelle. Ein kurzer Laserimpuls erzeugt so eine Art Ultraschall-Echo, das die Forscher mit einem Ultraschall-Mikrophon einfangen.
„Multi-spektralen opto-akustischen Tomographie“
Der eigentliche Trick allerdings sind speziell entwickelte mathematische Formeln. Mit denen rechnet ein angeschlossener Computer das Schallwellenmuster, das durch Schuppen, Muskeln, Rippen, Gräten und Einweide des Fischs in unterschiedlicher Weise verzerrt wird, in ein dreidimensionales Bild um.
Das Ergebnis der so genannten „Multi-spektralen opto-akustischen Tomographie“, kurz MSOT, ist ein Bild mit einer beachtlichen Auflösung von 40 Mikrometern (vier Hunderstel Millimeter). Und: Der für Untersuchung betäubte Fisch erholt sich nach der Prozedur wieder vollständig.
Neue Dimensionen für die Forschung
Daniel Razansky, Laborleiter am Institut für Biologische Bildgebung, ist begeistert: „Das eröffnet der Forschung eine neue Dimension: Erstmals können Biologen die Entwicklung von Organen, Zellfunktionen und Aktivitäten von Genen durch mehrere Millimeter Gewebe hindurch verfolgen.“
Bislang war es nötig, Tiere in verschiedenen Entwicklungsstadien zu töten und Gewebe-Dünnschnitte miteinander zu vergleichen, um Entwicklungen von Organen oder das Fortschreiten von Krankheiten verfolgen zu können. Die riesige Vielfalt bereits erhältlicher Fluorochromfarbstoffe – unter ihnen das 2008 mit dem Nobelpreis ausgezeichnete Green Fluorescent Protein und zahlreiche, für den klinischen Gebrauch zugelassene Farbstoffe – wird die Untersuchung von biologischer Prozesse in einer Vielzahl lebender Organismen möglich machen – vom Fisch bis hin zu Maus und Mensch.
MSOT mit enormem Potenzial
Auch die pharmazeutische Forschung könnte so deutlich beschleunigt werden, wenn die molekularen Effekte neuer Krebswirkstoffe über längere Zeit in einem Tier verfolgt würden.
Bio-Ingenieur Ntziachristos ist überzeugt: „MSOT bietet ein enormes Potenzial für die biomedizinische Forschung, die Entwicklung von Medikamenten und die medizinische Versorgung. Weil MSOT die Bildgebung in Gewebetiefen von mehreren Millimetern bis Zentimetern erlaubt, kann diese Technologie sich zum Standard für viele Arten der Bildgebung molekularer Prozesse in Geweben entwickeln.“
(idw – Technische Universität München, 03.07.2009 – DLO)