Überraschend fortgeschritten: Schon vor rund 3.500 Jahren produzierten die Ägypter einen wichtigen Grundstoff für ihre Kosmetika mittels chemischer Synthese. Und auch die antiken Griechen synthetisierten ein begehrtes Weißpigment selbst, statt es nur aus Mineralen zu gewinnen. Das enthüllt die erste Radiokarbon-Datierung von Bleikarbonaten in solchen Kosmetikresten. Bisher galten solche mineralischen Verbindungen als nicht geeignet für die C-14-Datierung – ein Irrtum, wie die Forscher nun belegen.
Make-up und Kosmetik sind keine Erfindung der Neuzeit – im Gegenteil. Archäologische Funde belegen, dass schon die alten Ägypter vor mehreren tausend Jahren Parfum, Hautcremes und Augenschminke herstellten und nutzten. So pflegte Pharaonin Hatschepsut ihre Haut mit einer – leider krebserregenden – Hautlotion, wie Cremereste in einem rund 3.500 Jahre alten Flakon belegen. Die hochrangigen Ägypterinnen betonten ihre Augen zudem mit einem bleihaltigen schwarzen Lidstrich.
Doch wann Ägypter und andere Kulturen damit begannen, Kosmetika herzustellen, ist bisher nur in Teilen bekannt. Einer der Gründe dafür: Die sonst in der Archäologie so praktische Methode der Radiokarbon-Datierung wird typischerweise nur bei organischen Verbindungen eingesetzt. Bei mineralischen Substanzen hielt man sie für nicht anwendbar. Lucile Beck von der Universität Paris-Saclay und ihren Kollegen ist es nun jedoch gelungen, auch Bleikarbonate mit der Radiokarbonmethode zu datieren.
Bleikarbonat als Puderbestandteil
Das Spannende daran: Zwei Bleikarbonate wurden von Ägyptern, Griechen und Römern besonders häufig als Rohmaterial für Makeup und andere Kosmetika genutzt. Das Mineral Cerussit oder Weißbleierz (Pb[CO3]) kommt in der Natur häufig vor. Unter anderem deshalb war es bis ins 19. Jahrhundert hinein der Hauptbestandteil von Bleiweiß, dem wichtigsten Weißpigment.
Das Bleikarbonat Phosgenit (Pb2[Cl2|CO3]) ist dagegen ein sehr selten vorkommendes Mineral. Analysen belegen aber, dass dieses weiße Puder in ägyptischer Kosmetik ebenfalls sehr häufig verwendet wurde. „Um größere Mengen dieses Puders zu bekommen, musste das Phosgenit produziert werden“, erklären die Forscher. Doch wann die Ägypter das Rezept und Verfahren dafür entwickelten, war unklar.
Für ihre Studie hatten die Wissenschaftler fünf Proben antiker und ägyptischer Kosmetik aus dem Louvre-Museum der Datierung unterzogen. Eines der Puder bestand aus Cerussit und stammte aus einem antiken griechischen Grab. Vier vorwiegend aus Phosgenit bestehende Puder wurden in einem Holzkasten gefunden, der die Kartuschen des Pharaos Amenophis III. und seiner Frau Teje trug. Beide lebten vor knapp 3.400 Jahren.
Griechen produzierten Cerussit
Und tatsächlich: Es gelang den Forschern, das Alter der Kosmetik-Proben mittels Radiokarbon-Datierung zu bestimmen. „Unseres Wissens nach ist dies das erste Mal, dass Bleikarbonate absolut datiert werden konnten“, so Beck und ihre Kollegen. Demnach stammt das griechische Puder aus der Zeit von 353 bis 57 vor Christus – was gut mit früheren Schätzungen zum Alter des Grabes übereinstimmt.
Das Überraschende jedoch: Das im Puder enthaltene Cerussit stammte nicht aus dem eigentlich reichlich vorhandenen Erz, sondern war chemisch erzeugt. „Um die starke Nachfrage nach weißer Kosmetik zu befriedigen, stellten die alten Griechen das Cerussit offenbar auch künstlich her“, sagen die Forscher. Tatsächlich sind von antiken Gelehrten wie Theophrastus sogar Rezepte dafür überliefert.
Phosgenit-Synthese schon vor 3.500 Jahren
Bei den ägyptischen Kosmetika gab es ebenfalls eine Überraschung. Zwar entsprach das Alter der Puder den Erwartungen: Sie stammten aus der Zeit zwischen 1763 und 1216 vor Christus und könnten damit durchaus in der Regierungszeit von Amenophis III. und Teje hergestellt worden sein. Gleichzeitig belegten die Analysen des Phosgenits aber, dass dieser Pudergrundstoff keines natürlichen Ursprungs war. Er war chemisch produziert.
„Damit bestätigen wir, dass schon die Ägypter das Phosgenit chemisch synthetisieren konnten – und dass diese Synthese zwischen 1760 und 1200 vor Christus etabliert wurde“, berichten Beck und ihre Kollegen. „Unsere Ergebnisse unterstreichen die Expertise der alten Ägypter und Griechen bei der chemischen Synthese von Kosmetika.“
Zudem aber belegt die Studie, dass eine Radiokarbon-Datierung bei Bleikarbonaten funktioniert. Dies könnte in der Archäologie wertvolle zusätzliche Informationen liefern. Aber auch für die Kunstgeschichte könnte diese Methode von Nutzen sein: „Es liefert uns ein neues Werkzeug, um Gemälde mittels Datierung ihres weißen Bleipigments zu authentifizieren“, so Beck und ihre Kollegen. (Communications Chemistry, 2018; doi: 10.1038/s42004-018-0034-y)
(Nature, 29.06.2018 – NPO)