Eine Expedition in den unwegsamen Osten Sibiriens hat es nun bestätigt: Der bisher einzige bekannte natürliche Quasikristall stammt aus dem Weltall. Ein Asteroid brachte diese ungewöhnliche Metallverbindung vor 15.000 Jahren auf die Erde. Ein internationales Forscherteam hat den Einschlagsort dieses Asteroiden jetzt entdeckt und dort weitere Proben von Quasikristallen gefunden. In diesen Kristallen sind die Atome in einer ungewöhnlichen Symmetrie angeordnet, dies verleiht ihnen besondere Eigenschaften. Da diese Atomanordnung nur unter extremen Bedingungen entsteht, war bisher unklar, ob und wie die Natur solche Materialien bilden kann.
Die Untersuchungen in Sibirien bestätigten nun, dass die Quasikristalle nicht auf der Erde entstanden sein können. Stattdessen sei dieser Kristalltyp bereits in der Frühzeit des Sonnensystems, vor rund 4,5 Milliarden Jahren, im Inneren des Asteroiden geformt worden, berichten die Wissenschaftler im Fachmagazin „Reports of Progress in Physics“.
Künstlich hergestellte Quasikristalle stecken heute in zahlreichen Materialien, von der Antihaft-Beschichtung von Pfannen über Katalysatoren bis hin zu hochfestem Stahl. In diesen Metallverbindungen bilden die Atome nicht, wie sonst üblich, ein Gitter mit immer gleichen Abständen. Stattdessen sind sie wie in einem Fußball oder einem komplexen Fliesenmosaik angeordnet: In einem regelmäßigen Muster wechseln sich Gruppen von Bindungen mit unterschiedlicher Symmetrie ab – ähnlich wie die fünfeckigen und sechseckigen Lederstücke bei einem Fußball. Dass solche Quasikristalle überhaupt existieren können, hatte erst im Jahr 1982 der israelische Chemiker Daniel Shechtman entdeckt. Er erhielt dafür 2011 den Nobelpreis für Chemie.
Nur eine einzige Probe weltweit
Seit Jahrzehnten suchen Forscher nach Hinweisen darauf, ob diese ungewöhnlichen Kristalle auch in der Natur entstehen können. Gefunden wurde aber zunächst nur eine einzige Probe eines natürlich entstandenen Quasikristalls, wie Paul Steinhardt von der Princeton University und sein Kollege Luca Bindi von der Universität Florenz berichten. Dem nur einen Millimeter kleinen, unauffällig bräunlich-grau gefärbten Bröckchen sieht man seine ungewöhnliche Natur nicht an. Aber in ihm finden sich ein paar Körner mit der besonderen Kristallstruktur. Diese Probe sei über undurchsichtige Wege aus Russland in das Naturkundemuseum von Florenz gelangt, sagen die Forscher.
2010 ergaben chemische Analysen erste Hinweise darauf, dass der Icosahedrit getaufte Quasikristall von einem Meteoriten stammen könnte. „Das war für uns die Motivation, nach dem Ursprungsort zu suchen“, erklärt Steinhardt. Zusammen mit acht weiteren Forschern reisten Steinhardt und Bindi in den extremen Osten der sibirischen Tschuktschen-Halbinsel. Dort benötigten sie noch einmal vier Tage, um über Tundra und schneebedeckte Hänge der Koryak-Berge bis in das Flusstal zu gelangen, in dem ein russischer Erzschürfer 1979 das Icosahedrit entdeckt haben sollte.
Inzwischen hat das Expeditionsteam mehr als 1,5 Tonnen Sediment per Hand durchgesiebt und untersucht. Dabei habe man weitere Proben des Icosahedrits entdeckt. Das liefere nun endlich weiteres Material für Analysen. „Erste geologische Untersuchungen haben bereits ergeben, dass diese Quasikristalle nicht vor Ort entstanden sein können, denn es hat die dafür nötigen Extrembedingungen dort nicht gegeben“, schreiben die Forscher in ihrem vorläufigen Bericht. Man habe aber Meteoritenreste gefunden, die am Ende der letzten Eiszeit vor rund 15.000 Jahren auf die Erde gelangt seien. „Noch sind aber alle unsere Erkenntnisse nur die Spitze eines Eisbergs“, erklärt Steinhardt. Denn man beginne erst damit, die Quasikristalle und ihre Geschichte zu verstehen. (doi:10.1088/0034-4885/75/9/092601)
(Reports of Progress in Physics, 13.08.2012 – NPO)