Im Fernrohr ist der Kleinplanet Steins ein unscheinbares Lichtpünktchen. Bei näherem Hinsehen entpuppt er sich aber als eine Art Schutthalde mit diamantähnlicher Form und großen Kratern auf der Oberfläche. Dies haben Max-Planck-Forscher jetzt mithilfe des Kamerasystems OSIRIS an Bord der europäischen Raumsonde Rosetta enthüllt. Sie berichten über ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Science“.
Die neuen Bilder, die während eines Vorbeifluges der Sonde gewonnen wurden, zeigen, dass der Asteroid Steins kein großer Gesteinsbrocken ist, sondern vielmehr eine Ansammlung vieler kleiner, einzelner Trümmer darstellt. Das würde auch seine konische, diamantähnliche Form erklären, die offenbar durch YORP verursacht wurde.
Ungewöhnlicher YORP-Effekt
Diese Abkürzung steht für den Yarkovsky-O’Keefe-Radzievskii-Paddack-Effekt und beschreibt die Wirkung der Sonnenstrahlung auf einen kleinen Himmelskörper, etwa einen Planetoiden. Die Sonne heizt dessen Oberfläche auf; wird die Wärme als Strahlung wieder abgegeben, entsteht ein geringes Drehmoment. Dadurch kann sich die Rotationsgeschwindigkeit verlangsamen oder beschleunigen, die räumliche Lage der Rotationsachse verändern – und schließlich auch die Gestalt des Planetoiden, so die Forscher.
„Die detaillierte Analyse unserer Bilder weist darauf hin, dass der YORP-Effekt auch bei Asteroiden im Hauptgürtel eine entscheidende Rolle spielen kann. Dies war bisher nicht klar“, sagt Horst Uwe Keller vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung unter dessen Leitung die OSIRIS-Kamera entwickelt und gebaut wurde.
Vorbeiflug mit nur 800 Kilometer Abstand
Die europäische Raumsonde Rosetta flog am 5. September 2008 in einem Abstand von nur 800 Kilometern am Asteroiden (2867) Steins vorbei. Die Geschwindigkeit bei diesem flüchtigen Rendezvous betrug 30.000 Kilometer pro Stunde. Steins ist ein etwa 5,3 Kilometer großes Objekt im Asteroidengürtel zwischen den Bahnen von Mars und Jupiter, wo sich mehr als 400.000 solcher Himmelskörper tummeln.
Er gehört zu den seltenen E-Typ Asteroiden, deren Oberflächen aus dem Mineral Enstatit bestehen und die ein relativ hohes Rückstrahlvermögen – Albedo – besitzen, das heißt, relativ hell sind.
Rosetta-Ziel: Komet 67P/Churyumov-Gerasimenko
Rosetta wurde an Bord einer Ariane 5-Rakete im Jahr 2004 gestartet und wird ihr eigentliches Ziel, den Kometen 67P/Churyumov-Gerasimenko, erst 2014 erreichen. Die Raumsonde soll in eine Umlaufbahn um den Kometen einschwenken und ein Landegerät namens Philae erstmals in der Geschichte der Weltraumforschung auf einem Kometenkern absetzen. Rosettas verschlungene Bahn führt unter anderem durch den Asteroidengürtel.
An dem außergewöhnlichen Projekt arbeiten Wissenschaftler aus 14 europäischen Nationen sowie Forscher aus Kanada, USA und Australien, darunter die drei Max-Planck-Institute für Sonnensystemforschung (Katlenburg-Lindau), Chemie (Mainz) und extraterrestrische Physik (Garching). An Bord von Rosetta und Philae befinden sich elf beziehungsweise neun wissenschaftliche Instrumente zur Untersuchung des Zielkometen.
(Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, 08.01.2010 – DLO)