Wissenschaftler haben Lichtechos als Zeitmaschine genutzt und so die Geheimnisse eines der einschneidendsten Ereignisse in der Geschichte der Astronomie gelüftet: einer Sternexplosion, die vor mehr als 400 Jahren von der Erde aus zu sehen war. Demnach handelt es sich bei der im 16. Jahrhundert vom dänischen Astronomen Tycho Brahe und dessen Zeitgenossen beobachteten Supernova um die thermonukleare Explosion eines weißen Zwergsterns.
Dieses Ergebnis führt zu einem genaueren Verständnis solcher kosmischen Katastrophen, die wesentlich zur Entstehung schwerer Elemente wie Eisen beitragen und als wichtige Entfernungsmarken im Universum dienen, so die Forscher im Wissenschaftsmagazin „Nature“.
Im Herbst des Jahres 1572 erschien ein neuer Stern am Himmel. Das Objekt leuchtete heller als alle anderen sichtbaren Sterne und verschwand schließlich wieder im April 1574 – nicht jedoch, ohne das Weltbild der damaligen Zeit nachhaltig zu verändern: Der dänische Astronom Tycho Brahe schloss durch präzise Positionsbestimmungen, dass der neue Stern deutlich weiter von der Erde entfernt sein müsse als der Mond. Dies stand in krassem Widerspruch zum damaligen Weltbild nach Aristoteles, wonach die translunare Welt – einschließlich der Sphäre der Fixsterne – als unveränderlich und ewig galt.
Interstellarer „Spiegel“
Tychos Supernova legte einen der Grundsteine für die umwälzenden Veränderungen des Weltbilds im ausklingenden Mittelalter, die von Tycho Brahe, Kepler, Galilei und anderen fortgesetzt wurden. Doch die Beobachter des 16. Jahrhunderts wussten nicht, mit welcher Art von Objekt sie es hier zu tun hatten.
Durch einen Beobachtungstrick mithilfe eines interstellaren „Spiegels“ konnte nun ein internationales Forscherteam unter Leitung von Oliver Krause am Max-Planck-Institut für Astronomie den von Tycho Brahe beobachteten Lichtausbruch nochmals detailliert untersuchen.
Supernova vor 11.000 Jahren
Als ein Stern vor mehr als 11.000 Jahren explodierte, sandte er sein helles Licht nach allen Richtungen aus. Dieses Licht passierte die Erde im Jahr 1572 und war danach zunächst auf ewig verloren.
Nun gelang eine „posthume“ Spektroskopie der längst verblassten Supernova, weil die Astronomen mit Teleskopen des Calar Alto Observatoriums mehrere kurzlebige Reflexe des damaligen Lichtblitzes an Staub- und Gaswolken in der weiteren Umgebung der Sternexplosion ausmachen konnten: Der Umweg einiger Lichtbündel über die Reflexion an diesen Wolken hatte aufgrund der endlichen Geschwindigkeit des Lichts zu derartigen Verzögerungen geführt, dass sie die Erde erst heute, nach 436 Jahren, erreichen.
Thermonukleare Explosion
So wurden die Forscher erneut Zeugen des damaligen Geschehens. Und sie analysierten das Licht der Supernova von 1572 mit modernen spektroskopischen Methoden des 21. Jahrhunderts. Dabei stellte sich heraus, dass das abgeworfene Material keinen Wasserstoff, jedoch Silizium und Eisen enthält, deren Linien im Spektrum der Supernova erscheinen.
Diese Beobachtung ermöglicht jetzt die sichere Klassifikation der Sternexplosion. Es handelte sich um eine Supernova vom Typ Ia. Dabei wird die Masse eines weißen Zwergsterns durch Material-Transfer von einem Begleitstern über eine kritische Grenze hinaus getrieben. Beim Überschreiten dieser Grenzmasse „kriegt“ der Zwergstern „zu viel“: Er kollabiert, und in der Folge zündet eine thermonukleare Explosion, die ihn vollständig zerstört. Gas und Staub entfernen sich mit vielen Tausend Kilometern pro Sekunde in alle Richtungen und geraten in heftige Wechselwirkung mit der interstellaren Materie der Umgebung. Das dabei entstehende hochgradig angeregte und deshalb hell leuchtende Gemisch aus stellarer und interstellarer Materie bildet den Supernova-Überrest.
Bisher unbekannte Details identifiziert
Das jetzt gewonnene Spektrum zeigt bisher unbekannte Details der Explosion. So besitzt ein Teil des abgeworfenen Materials eine deutlich höhere Raumgeschwindigkeit als der Rest, was auf eine nicht kugelsymmetrische Explosion hindeutet. Dieser Befund legt wichtige Randbedingung für Modellrechnungen der Explosion fest.
Aufgrund ihrer konstanten Leuchtkraft werden Supernovae vom Typ Ia als Entfernungsindikatoren im Universum eingesetzt. Mit ihrer Hilfe haben Wissenschaftler vor einiger Zeit auf die Existenz der Dunklen Energie geschlossen. Supernovae vom Typ Ia gelten auch als Hauptproduzenten schwerer Elemente.
Bald dreidimensionale Ansichten einer Supernova
Trotz der zentralen Rolle dieser Explosionen weist unser Wissen um sie weiterhin Lücken auf. Alle bisher direkt beobachteten Supernovae vom Typ Ia lagen in fernen Galaxien. Tychos Supernova gewinnt nun den Rang einer heute beobachteten Supernova in unserer eigenen Milchstraße.
Die aktuellen Befunde werfen neues Licht auf das umfangreiche, im Lauf der Jahrzehnte aus dem berühmten Überrest dieser Sternexplosion gewonnene Datenmaterial. Dies wird zu einem besseren Verständnis solcher Objekte beitragen. Zukünftige Beobachtungen weiterer Lichtechos sollten es auch ermöglichen, erstmals dreidimensionale Ansichten einer Supernova- Explosion zu rekonstruieren.
(idw – Max-Planck-Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften/Calar Alto Observatory-CAHA, 04.12.2008 – DLO)