Materialforschung

Atome in der Lichtfalle

Forscher konstruieren Quantensimulator für komplexe elektronische Materialien

Künstlerische Darstellung eines fermionischen Mott-Isolators. Aufgrund der dominanten abstoßenden Wechselwirkung ist jeder Gitterplatz mit genau einem Atom besetzt. Die Farben Rot und Grün symbolisieren verschiedene Spinzustände. © Universität Mainz

Erstmals ist es Wissenschaftlern gelungen, ein wichtiges Problem der Materialforschung erfolgreich mit Atomen zu simulieren: In einem künstlichen, aus Laserlicht erzeugten Kristall wurden Atome eingefangen. In solchen Kristallen verhalten sich die Atome ähnlich wie Elektronen in Metallen. Die Forscher berichten über ihre Ergebnisse in der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftsmagazins „Science“.

Die Entwicklung neuer komplexer Materialien mit maßgeschneiderten Eigenschaften stellt eine der größten Herausforderungen in der modernen Quantenphysik dar. Bereits 1982 formulierte der amerikanische Nobelpreisträger Richard P. Feynman daher die Idee, die Eigenschaften komplexer Systeme mit Hilfe von Quantensimulatoren zu untersuchen, das heißt die Materialien mit anderen, künstlichen aber genau kontrollierbaren Quantensystemen zu simulieren.

Atome in einem künstlichen Lichtkristall

Nun haben Wissenschaftler um Professor Immanuel Bloch vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik (MPQ) beziehungsweise der Universität Mainz zusammen mit Kollegen aus Jülich und Köln ein neues Verfahren entwickelt, um das Verhalten der Elektronen in einem Festkörperkristall mit Hilfe von ultrakalten Atomen zu simulieren.

Die Atome sind dabei in einem künstlichen Lichtkristall, einem so genannten optischen Gitter, gefangen, das durch die Überlagerung mehrerer Laserstrahlen gebildet wird. Den Forschern gelang es, in einem solchen System eines der spektakulärsten elektronischen Phänomene zu simulieren: Ein Metall kann schlagartig seine Leitfähigkeit verlieren, wenn die Wechselwirkung zwischen den Elektronen zu stark wird.

Der resultierende so genannte Mott-Isolator ist eines der wichtigsten Beispiele eines stark wechselwirkenden Systems in der Festkörperphysik. Die Forscher vermuten, dass dieses Phänomen in engem Zusammenhang zur Hochtemperatursupraleitung steht, die technisch interessant und vielversprechend, aber bisher noch schlecht verstanden ist. Zusätzlich bildet dieses System einen idealen Ausgangspunkt für die Untersuchung des magnetischen Verhaltens modernen Festkörpermaterialien.

Verhalten von Elektronen in Festkörpern simuliert

„Fermionische Atome in einem optischen Gitter eignen sich nahezu perfekt dafür, das Verhalten von Elektronen in Festkörpern zu simulieren, da sie ein flexibles und sehr gut kontrollierbares Modell-System darstellen“, erklärt Ulrich Schneider von der Universität Mainz. Die ablaufenden Prozesse in einem komplexen Material und in Hochtemperatursupraleitern direkt zu untersuchen, erweist sich im Vergleich dazu als äußerst schwierig, da in einem Festkörper unvermeidbare Störstellen und eine Vielzahl von miteinander konkurrierenden Wechselwirkungen auftreten.

„In einem realen Festkörper ist es sehr schwierig die Auswirkungen bestimmter Wechselwirkungen zu isolieren und festzustellen, ob die Abstoßung zwischen den Elektronen allein die Hochtemperatursupraleitung erklären könnte“, erläutert Bloch.

Mikrofallen aus Licht

Im Experiment werden nun Kalium-Atome zuerst auf Temperaturen nahe dem absoluten Nullpunkt abgekühlt und anschließend in ein optisches Gitter geladen, das durch die Überlagerung von mehreren Laserstrahlen gebildet wird. Dabei ordnen sich die Atome in den Knoten der stehenden Laserwelle an und das Lichtfeld wirkt auf die Teilchen wie ein regelmäßiger Kristall aus einigen hunderttausend einzelnen Mikrofallen aus Licht.

Im Simulator übernehmen die Atome die Rolle der Elektronen in einem echten Festkörperkristall, während das Kristallgitter, das in einem Festkörper aus den Atomrümpfen besteht, durch die überlagerten Laserstrahlen gebildet wird.

Existenz des Mott-Isolators direkt nachgewiesen

Die Versuchsanordnung in Mainz ermöglichte es den Physikern die Dichte der Atome und die Stärke der abstoßenden Wechselwirkung im optischen Gitter unabhängig voneinander einzustellen. Dadurch war es möglich, gezielt zwischen metallischen und isolierenden Zuständen hin- und herzuschalten. Insbesondere gelang es, die Existenz des Mott-Isolators in diesem System direkt nachweisen: „Im Gegensatz zu metallischen Zuständen ändert sich die Dichte des Mott-Isolators bei steigendem Druck nicht, da die abstoßenden Kräfte zwischen den Atomen dafür sorgen, dass sich auf jedem Gitterplatz jeweils nur genau ein Atom befindet“, betont Bloch.

Die Beobachtung des fermionischen Mott-Isolators in einem optischen Gitter eröffnet nach Angaben der Forscher neue Möglichkeiten, stark korrelierte Zustände und die damit zusammenhängenden Phänomene zu simulieren und zu untersuchen. Dafür spricht auch die ausgezeichnete Übereinstimmung der Messdaten mit den theoretischen Berechnungen, die in Köln und Jülich mit Hilfe des Jülicher Supercomputers JUGENE auf der Basis moderner Festkörpertheorie durchgeführt wurden.

(idw – Max-Planck-Institut für Quantenoptik/Universität Mainz/Universität Köln, 08.12.2008 – DLO)

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