Physik

Auch Sand kann Blasen bilden

Physiker weisen erstmals eine Rayleigh-Taylor-Instabilität bei einem körnigen Material nach

Blase aus Sand
Dieses Phänomen kannte man bisher nur aus Flüssigkeiten: Eine Säule aus leichterem Sand (blau) wächst in die Höhe und schnürt dann eine Blase ab. © Alex Penn/ETH Zurich

Überraschender Effekt: Physiker haben im Sand ein Phänomen beobachtet, das sonst nur bei nicht mischbaren Flüssigkeiten auftritt – beispielsweise in einer Lava-Lampe. Demnach können auch in körnigen Materialien Blasen und Säulen leichteren Materials entstehen und aufsteigen, ohne sich mit dem Rest zu vermischen. Dies ist das erste Mal, dass solche Rayleigh-Taylor-Instabilitäten bei einem granulären Material beobachtet worden sind, wie die Forscher berichten.

Für Gemische aus Öl und Wasser oder anderen Flüssigkeiten unterschiedlicher Dichte ist dieses Phänomen typisch: Stülpt man ein Gefäß mit diesem Gemisch um oder setzt es auf andere Art einer Beschleunigung aus, bilden sich charakteristische Formen an der Grenzschicht aus. Säulen der leichteren Flüssigkeit entstehen, aus denen sich Blasen abschnüren und aufsteigen. In den sogenannten Lavalampen sorgt gefärbtes Öl dabei für besondere Farbeffekte.

Leichter und schwerer Sand

Doch bisher galt diese Rayleigh-Taylor-Instabilität als typisch nur für Flüssigkeiten. Bei körnigem Material wie Sand wurde sie dagegen noch nicht beobachtet – obwohl Sand sich in vielen Situationen durchaus flüssigkeitsähnlich verhalten kann. Beispiele sind Sandströme an Dünen oder Phänomene wie Treibsand. „Obwohl man in den letzten Jahrzehnten für viele andere Fluid-Instabilitäten Analoga in granulären Strömungen gefunden hat, hat sich die Rayleigh-Taylor-Instabilität bisher einem direkten Vergleich entzogen“, erklären Christopher McLaren von der ETH Zürich und sein Team.

Jetzt jedoch haben die Forscher dieses charakteristische Phänomen erstmals auch bei Sand nachgewiesen. Für ihr Experiment brachten sie eine geschichtete Mischung aus unterschiedlich gefärbtem leichterem und schwererem Sand in Bewegung, indem sie von unten Gas hindurchleiteten. Parallel dazu simulierten sie sdas Geschehen zusätzlich in einem physikalischen Modell.

Wie Ölblasen in einer Lavalampe

Das überraschende Ergebnis: In dem Sand bildeten sich die säulenartigen Vorwölbungen und aufsteigenden Blasen, wie sie für die Rayleigh-Taylor-Instabilität in Flüssigkeiten typisch sind. Obwohl sich Sandkörner verschiedener Masse eigentlich durchaus mischen können, blieben die leichteren Sandkörner dabei in diesen Blasen zusammengeballt – wie bei Ölblasen in Wasser.

„Wir haben damit erstmals eine granuläre Entsprechung für eine der letzten noch fehlenden fluidmechanischen Instabilitäten gefunden“, sagt Koautor Christopher Boyce von der Columbia University in New York. Nähere Analysen ergaben, dass dieser „Lavalampen-Effekt“ beim Sand unter anderem durch die unterschiedliche Durchlässigkeit der Körner für das Gas zustande kommt.

„Eine transformative Entdeckung“

„Unserer Meinung nach ist dies eine transformative Entdeckung“, sagt Boyce. Denn das Wissen um diese Instabilität auch bei körnigen Materialien könne einige geologische Formationen und Prozesse erklären – beispielsweise in Minerallagerstätten. „Diese Instabilitäten könnte uns dabei helfen zu erstehen, wie sich geologische Strukturen im Laufe der Erdgeschichte gebildet haben und vorhersagen, wie sich andere Strukturen in Zukunft noch entwickeln“, so der Forscher.

Aber auch in Technik und Industrie könnte die neuen Erkenntnisse hilfreich sein. Denn überall dort, wo pulvrige Substanzen verarbeitet und gemischt werden, könnten diese Instabilitäten auftreten und das Verhalten des Materials beeinflussen. Das gelte für die Herstellung von Arzneimitteln in der Pharmazie ebenso wie für die Bauindustrie oder die Energietechnik. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2019; doi: 10.1073/pnas.1820820116)

Quelle: Columbia University

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