Aus dem Bioreaktor in den Tank: Mikroben könnten künftig eine wichtige Rolle als Lieferanten für biobasierte E-Fuels spielen, wie nun ein Forschungsteam demonstriert. Sie haben ein Bakterium so verändert, dass es die organische Grundlage für Hochleistungs-Kraftstoffe produziert. Die Mikroben produzieren einen aus Dreiecksringen zusammengesetzten Kohlenwasserstoff, der eine besonders hohe Energiedichte aufweist und sich sogar als Raketen-Treibstoff eignen könnte.
Spätestens seit Erfindung des Autos spielt die Umwandlung von Erdöl in nutzbare Kraftstoffe für die Menschheit eine große Rolle. Je nach Art und Struktur der gewonnen Kohlenwasserstoffe werden aus dem Erdöl Diesel, Benzin, Kerosin oder energiedichte Raketen-Treibstoffe erzeugt. Während wir Menschen solche Kraftstoffe erst seit rund 200 Jahren produzieren, gibt es Bakterien, die seit Milliarden von Jahren Energiemoleküle auf Kohlenstoffbasis herstellen.
Biologie statt Petrochemie
Ein Forscherteam um Pablo Cruz-Morales vom Lawrence Berkeley National Laboratory (LBNL) in Kalifornien hat sich diese Fähigkeit der Bakterien nun zu Nutze gemacht, um eine neue Art von Biotreibstoff herzustellen. „Die Frage, die dazu geführt hat, lautet: Welche interessanten Strukturen kann die Biologie erzeugen, die die Petrochemie nicht herstellen kann?“, sagt Koautor Eric Sundstrom vom LBNL. „Bei petrochemischen Kraftstoffen erhält man zudem eine Art Suppe verschiedener Moleküle und man hat keine große Kontrolle über diese chemischen Strukturen.“
Ziel der Forschungsarbeit war es daher nicht nur, schon bekannte Kraftstoffe auf biologischer Basis herzustellen, sondern womöglich neue Verbindungen mit besseren chemischen Eigenschaften zu finden. Der Fokus des Teams lag dabei auf Cyclopropan-Molekülen, die einen oder mehrere aus drei Atomen bestehende Kohlenstoffringe besitzen. Das Team durchforstete vorhandene Forschungsliteratur nach organischen Cyclopropan-Verbindungen, konnte jedoch nur zwei bekannte Beispiele finden.
Jawsamycin als Grundlage
Eine dieser Verbindungen, das sogenannte „Jawsamycin“, war aufgrund des Interesses an seinen pilzhemmenden Eigenschaften bereits ausgiebig untersucht und genetisch analysiert worden. Der Name leitet sich daher ab, dass das von Streptomyces-Bakterien hergestellte Molekül mit seinen fünf Cyclopropan-Ringen wie ein Kiefer – im Englischen „Jaw“ – mit spitzen Zähnen aussieht. Das Problem jedoch: Die Jawsamycin-produzierenden Bakterien sind in der Laborumgebung fast unmöglich zu züchten.
Die Wissenschaftler tauchten deshalb tiefer in die Genome eng verwandter Bakterien ein, um eine Kombination an Enzymen zu finden, die einerseits eine ähnliche Struktur wie Jawsamycin herstellen und andererseits eine kontrollierte Produktion erlauben. Dabei sollte jedoch nicht exakt das bereits bekannte Cyclopropan-Molekül herauskommen, sondern Teile der Struktur ausgelassen werden, sodass ein hochenergetisches und als Treibstoff nutzbares Produkt entsteht.
Wie ein Bäcker, der sein Rezept perfektioniert, kombinierte das Forscherteam dafür verschiedene bakterielle Eigenschaften, um Produzenten für ein neues, für ihre Anwendung geeignetes Molekül zu schaffen. „Wir suchten in tausenden von Genomen nach Stoffwechselwegen, die das, was wir brauchten, auf natürliche Weise herstellen“, erklärt Cruz-Morales. „So konnten wir technische Verfahren, die vielleicht oder auch nicht funktionieren, vermeiden und haben die beste Lösung der Natur genutzt.“
Höhere Energiedichte als Benzin und Kerosin
Als Ergebnis ihrer Arbeit fanden die Forscher schließlich ein Gencluster, mit dessen Hilfe sie Fettsäuremethylester mit bis zu sieben Cyclopropan-Ringen herstellen konnten. Sie bezeichnen diese als POP-FAMEs (polycyclopropanierte Fettsäuremethylester) oder auch Fuelimycin. Durch eine Übertragung und Anpassung des Genclusters auf das Bakterium Streptomyces albireticuli konnten die Wissenschaftler die POP-FAME-Produktion dieser Trägermikrobe um das 22-Fache erhöhen.
Durch diese Laborversuche gewannen die Forschenden ausreichend Cyclopropan-Verbindungen, um diese näher zu analysieren und sie über nur einen weiteren Verarbeitungsschritt zu Kraftstoff zu machen. Über ergänzende Computersimulationen ermittelten sie auch die Energiedichte des resultierenden Fuelimycin-Treibstoffs. Demnach hat das Produkt eine Energiedichte von mehr als 50 Megajoule pro Liter – zum Vergleich: Benzin liegt bei knapp 32 Megajoule pro Liter, Kerosin und Raketentreibstoff bei etwa 35 Megajoule pro Liter Kraftstoff.
Weitere Optimierung nötig
In der Weiterführung ihrer Forschung arbeitet das Team nun daran, die Produktionseffizienz der Bakterien weiter zu steigern. „Man braucht zehn Kilogramm Treibstoff, um einen Test in einem echten Raketentriebwerk durchzuführen, und so weit sind wir noch nicht“, sagt Cruz-Morales. Außerdem untersuchen sie, wie die POP-FAMEs mit verschiedenen Enzymen weiter optimiert werden können. So wollen die Wissenschaftler beispielsweise zwei Sauerstoffatome am Molekül entfernen, die zwar Gewicht, aber keinen Vorteil bei der Verbrennung bringen.
„Außerdem arbeiten wir daran, die Kettenlänge auf bestimmte Anwendungen abzustimmen“, erklärt Sundstrom. „Längerkettige Kraftstoffe könnten fest werden und sich gut für Raketentreibstoffe eignen, kürzere Ketten wären gut für Flugzeuganwendungen und in der Mitte könnte ein Molekül stehen, das eine Alternative zu Diesel darstellt.“ Schlussendlich hoffen die Wissenschaftler, mit ihrer Methode eine gute Möglichkeit entdeckt zu haben, mithilfe von Bakterien große Mengen Kraftstoff auf Basis pflanzlicher Abfälle herzustellen. (Joule, 2022; doi: 10.1016/j.joule.2022.05.011)
Quelle: Lawrence Berkeley National Laboratory