Bis zum Jahr 2020 sollen 25 bis 30 Prozent des Stroms und 14 Prozent der Wärme in Deutschland aus erneuerbaren Energien stammen. Einen wichtigen Beitrag dazu können nachwachsende Rohstoffe leisten, die beispielsweise zur Produktion von Biogas genutzt werden. Doch welche Folgen hat ein vermehrter Anbau von Energiepflanzen wie Mais oder Hirse für die Böden? Und wie kann man die dabei auftretenden Probleme lösen? Dies untersuchen zurzeit Wissenschaftler der Universität Vechta.
Um Biogas zu erzeugen, wird Biomasse wie Silagen, Speisereste oder Gülle in große, luftdicht abgeschlossene Anlagen, so genannte Fermenter, eingebracht. Unter den dort herrschenden anaeroben Bedingungen zersetzen Mikroorganismen das organische Material und bilden dabei Biogas. Dieses besteht vor allem aus Kohlendioxid und Methan, das energetisch genutzt werden kann. Bisher verwendet man Biogas vor allem in Kraft-Wärmekopplungsanlagen zur Strom- und Wärmeerzeugung.
„In Zukunft wird die Aufbereitung des Biogases auf Erdgasqualität und die Einspeisung in das Gasnetz aber erheblich an Bedeutung gewinnen. Denn dann kann es direkt beim Verbraucher zur Energieproduktion verwendet werden. Auch eine Verwendung als Kraftstoff in Erdgasfahrzeugen ist möglich“, sagt Dr. Hans-Jörg Brauckmann vom Institut für Strukturforschung und Planung in agrarischen Intensivgebieten (ISPA) der Universität Vechta.
Biogas „boomt“
In den letzten Jahren hat es bereits einen regelrechten „Biogas-Boom“ in Deutschland gegeben. Die Zahl der Biogasanlagen stieg rasch auf über 3.700 an – mit einer installierten elektrischen Leistung von circa 1.250 Megawatt (MW) im Jahr 2007. Ausgelöst wurde diese Entwicklung vor allem durch das Erneuerbare Energien Gesetz (EEG).
Seit der letzten Novellierung im Jahre 2004 sieht dieses einen Bonus auf den Strompreis beim Einsatz von nachwachsenden Rohstoffen (NawaRo-Bonus) vor. Folge: Seitdem wachsen auf vielen Äckern Energiepflanzen für die Produktion von Biogas heran. Rund 400.000 Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche sind heute bereits damit bestellt.
Hinzu kommen noch die Felder, auf denen Energiepflanzen zur Erzeugung von Biodiesel und Pflanzenölen sowie von Ethanol angebaut werden. „Alles in allem werden durchschnittlich bereits rund 15 Prozent (%) der gesamten Ackerfläche in Deutschland zur Energieerzeugung herangezogen“, so Brauckmann.
Hochburg Nordwestdeutschland
Eine „Hochburg“ beim Anbau von Energiepflanzen für Biogas ist Nordwestdeutschland. Dort bestellen die Landwirte ihre Felder vor allem mit ertragsreichen Arten wie Mais und Energiegetreide, das noch vor der Kornreife als so genannte Ganzpflanzensilage geerntet wird.
Doch mittlerweile erprobt man auf den Äckern zunehmend auch Alternativen. So gibt es beispielsweise Anbauversuche mit Amaranth, der durchwachsenden Silphie und verschiedenen Knötericharten. Ziel ist es, nachhaltige Produktionssysteme mit hohen Biogaserträgen zu entwickeln.
Neue Dynamik bei der Landnutzung
Die Landnutzung in Deutschland unterliegt zurzeit einer Dynamik, die die Entwicklungen der letzen Jahre weit übertrifft. Neben den Energiepflanzen sind dafür auch die steigenden Preise für Agrarprodukte verantwortlich. „Es wird heute immer deutlicher, dass Fläche ein begrenztes Gut ist, und dass durchaus Konkurrenzen zwischen Nahrungs-, Futter- und Energieproduktion auftreten können“, erklärt Brauckmann.
Diese Landnutzungsänderungen haben auch wichtige Auswirkungen auf den Bodenschutz. Am auffälligsten wird dies bei der Umwandlung von Dauergrünland in Acker – eine Entwicklung, die in einigen Bundesländern schon jetzt über vier Prozent des schützenswerten Grünlandes betrifft.
Humusgehalt im Visier der Forscher
Dieser so genannte Grünlandumbruch bringt einige gravierende Probleme mit sich: Vor allem wenn dabei Drainagen angelegt werden, kommt es häufig zum Humusabbau und damit auch zu Kohlendioxid-Emissionen. Daher ist der Erhalt von Dauergrünland unter Boden- und Klimaschutzaspekten besonders wichtig.
Aber auch auf bestehenden Ackerflächen erwarten die Bodenforscher um Brauckmann Veränderungen des Humushaushaltes, wenn Energiepflanzenfruchtfolgen die bisher üblichen Wechsel zwischen Markt- und Futterbaufrüchten ablösen. Diese Prozesse laufen aber sehr langsam ab und deshalb ist es heute noch ziemlich schwierig, die Folgen der Biogasnutzung für den Humusgehalt zu beurteilen.
Bodenprozessmodell CANDY Carbon Balance im Einsatz
Doch abzuwarten, bis diese Effekte messbar sind, ist keine Lösung. Aus diesem Grund haben Wissenschaftler der Abteilung Geo- und Agrarökologie der Hochschule Vechta und der Universität Köln sowie des Niedersächsischen Landesamtes für Bergbau, Energie und Geologie bereits Modellierungen des Humusgehaltes von Sandböden durchgeführt.
In Sandböden hängen wichtige Bodenqualitätsparameter wie die Wasser- und Nährstoffspeicherung direkt mit dem Humus zusammen. Gleichzeitig sind sie durch häufig auftretende hohe Umsatzraten der organischen Substanz besonders anfällig für bewirtschaftungsbedingte Veränderungen im Humus-Vorrat.
Die Forscher wandten deshalb das Bodenprozessmodell „CANDY Carbon Balance“ an, das den Kohlenstoff- und Stickstoff-Umsatz in landwirtschaftlich genutzten Böden auf der Basis von Daten zu Boden, Witterung und Bewirtschaftung beschreibt. Um aussagekräftige Ergebnisse zu erhalten, wurde das Modell extra an Standorte des Niedersächsischen Boden-Dauerbeobachtungsnetzes angepasst.
Abnahme des Humusgehaltes droht
Die Modellierungen zeigen nun, dass eine Umstellung der üblichen Bewirtschaftung auf Energiepflanzenanbau zu einer Abnahme der Humusgehalte des Bodens führen kann. Dies liegt vor allem daran, dass für die Erzeugung von Biogas die ganzen Pflanzen geerntet werden und kaum Nebenprodukte, wie Stroh, auf dem Acker bleiben.
Doch die Wissenschaftler haben einen Vorschlag, wie man diese Entwicklung stoppen könnte: „Durch eine Auflockerung der Fruchtfolgen und vor allem durch den Anbau von Pflanzen zur Gründüngung kann der Humusverlust reduziert oder sogar weitgehend verhindert werden“, erklärt Brauckmann.
Diese Strategie hätte aber noch weitere Vorteile: So nimmt durch die Bodenbedeckung im Winterhalbjahr auch die Erosionsgefahr ab. Darüberhinaus binden die zur Gründüngung eingesetzten Pflanzen Nährstoffe und können so helfen, die Auswaschung von Nitrat in das Grundwasser zu vermeiden.
Gärreste als Dünger
Die ISPA-Forscher haben sich aber nicht nur mit dem Humusgehalt beschäftigt, sondern auch noch mit einem anderen Aspekt des Bodenschutzes. So fallen bei der Biogasproduktion Gärreste an, die dann als Dünger in der Landwirtschaft verwertet werden.
Unklar war bisher jedoch, ob die Bodenorganismen die Gärreste überhaupt verwerten können, oder ob die energiereichen Bestandteile bereits im Biogas-Fermenter abgebaut worden sind. Als Zwischenprodukt bei der Bildung von Biogas entstehen zudem organische Säuren, die dafür bekannt sind, dass sie teilweise toxisch oder zumindest reizend auf Regenwürmer wirken.
Keine Gefahr für Regenwürmer
Im Rahmen eines vor kurzem durchgeführten Experiments zeigte sich jedoch, dass in „normalen“ Düngermengen verwendete Gärreste weder giftig für Regenwürmer sind noch die Tiere aus dem Boden vertreiben. Die Regenwürmer, die in mit Gärresten gedüngten Böden gehalten wurden, konnten sie sogar als Nahrung nutzen.
Diese Untersuchungen sind erste Beispiele für die zahlreichen Forschungsprojekte, die zurzeit durchgeführt werden, um die Auswirkungen der Biogasproduktion auf die Böden zu erfassen und Konzepte zum Ausgleich der Belange des Klima- und des Bodenschutzes zu erstellen.
Link:
(Dr. Hans-Jörg Brauckmann, Institut für Strukturforschung und Planung in agrarischen Intensivgebieten (ISPA) der Universität Vechta, 09.05.2008 – DLO)